Nutzen:Lerngerät

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Kathrin Demmler will den verantwortungsvollen Umgang üben

Das Handyverbot ist heute nicht mehr zeitgemäß. Die Bedeutung dieser Geräte im Alltag von Kindern und Jugendlichen ist zu groß. Ich halte es sogar für gefährlich, diese Medien komplett auszuklammern und dadurch die Reflexion über Smartphones nicht gezielt zu fördern. Wir brauchen eine Kehrtwende, statt Verboten müssen gute Konzepte her. Schulen können Smartphones vielseitig im Unterricht einsetzen. Längst beziehen Lehrer in Bayern Handys in den Unterricht ein, wenn es sinnvoll ist. Entsprechend dem Ansatz "bring your own device" werden die Geräte zur Recherche oder Dokumentation genutzt. Soziale Faktoren sind dabei kein Gegenargument, denn schon in den Grundschulen haben so viele Kinder Smartphones, dass sie in kleinen Gruppen miteinander arbeiten können. In weiterführenden Schulen gibt es wahrscheinlich nur sehr vereinzelt Jugendliche, die kein Smartphone besitzen.

(Foto: SZ-Grafik)

Außerdem sind alle bayerischen Schulen aktuell gefordert, ein Konzept zur Medienbildung zu entwickeln. Schulleiter und Lehrer müssen sich überlegen, wie sie prinzipiell mit technischen Entwicklungen umgehen. Die Debatte um das Verbot finde ich gut, denn sie regt an, darüber nachzudenken, wann Smartphones in der Schule sinnvoll und wann sie problematisch sind. Smartphones nicht nur während des Unterrichts, sondern auch in den Vormittagspausen ausgeschaltet zu lassen, ist sinnvoll. Viele Jugendliche sind aber ganztags in der Schule und sollten beispielsweise in der Mittagspause privat kommunizieren dürfen. Schüler haben auch ein Recht auf Privatsphäre und sollten in ihren Pausen entscheiden dürfen, wann sie mit wem kommunizieren. Außerdem sollten sie in längeren Pausen gedanklich auch mal die Schule verlassen können.

"Es zu tabuisieren, macht das Handy nur interessanter." Kathrin Demmler, 43, ist Direktorin des JFF - Institut für Medienpädagogik in München und Mit-Herausgeberin der medienpädagogischen Zeitschrift "merz | medien + erziehung". (Foto: JFF/OH)

Genauso haben Mädchen und Buben aber auch ein Recht auf ungestörten Unterricht. Deshalb sind Regeln zur Handynutzung in der Schule sehr wichtig. Dafür sollten Schulen den mühsamen Weg gehen, gemeinsam mit allen Beteiligten eine eigene Strategie der Handynutzung zu entwickeln. In der Diskussion mit Eltern, Lehrern, Schülern und anderen Beteiligten in der Kommune über sinnvolle Handynutzung liegt eine einmalige Chance. Wo kann man Demokratie besser lernen, als in so einem Prozess? Sich mit Smartphones in der Schule auseinanderzusetzen, ist auf keinen Fall Zeitverschwendung, sondern eine Chance für alle.

Ich verstehe gut, wenn Eltern genervt sind, weil ihre Kinder nur noch am Handy hängen, aber dieses Problem lässt sich nicht durch Verbote lösen. Wir brauchen eine Auseinandersetzung mit dem Problem. Es zu tabuisieren, macht das Handy nur interessanter. Wir müssen Ansprechpartner sein und da sein, wenn sie beispielsweise beim Spielen oder Kommunizieren auf problematische Inhalte stoßen.

Meine Kinder sind in der Grundschule und haben gemeinsam ein Smartphone - aber ohne Sim-Karte. Sie dürfen im Wlan im Internet recherchieren oder Hörspiele anhören. Aufwachsen bedeutet, sich mit den gesellschaftlichen Bedingungen unseres Alltags auseinanderzusetzen und Kinder dabei zu begleiten. Zu unserem Alltag gehören nun mal Medien. Innerhalb der Familie kann ich individuelle Regelungen zum Medienumgang treffen und diesem Thema mehr oder auch weniger offen gegenüberstehen, aber in den Schulen ist das etwas anderes: Dort muss es ein breit gefächertes Bildungsangebot geben, um Kindern und Jugendlichen die Beteiligung an unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Man muss ihnen Wege und Räume für Reflexionen öffnen. Smartphones lassen sich spannend und gewinnbringend im Unterricht integrieren, sie bieten viele Potenziale für Bildungsprozesse. Sie sind eine zentrale Technologie unserer Zeit, und damit plädiere ich klar für eine Handynutzung an Schulen im Rahmen eines gemeinsam festgelegten Regelwerks und eines bestärkenden, spannenden Gesamtmedienkonzepts.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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