Nürnberger Airport:Frankens Fluchhafen

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Air-Berlin-Krise, Managementfehler, schlechte Verbindungen: Während der Münchner Flughafen eine dritte Startbahn bauen will, droht dem Nürnberger Airport der wirtschaftliche Abstieg. Dabei sind die Voraussetzungen eigentlich ideal.

Uwe Ritzer

Die Wahrheit kam wenig konkret daher. Getarnt hinter reichlich wirtschaftstypischen Floskeln verbreiteten die Verantwortlichen des Nürnberger Flughafens eine bittere Botschaft. Weniger verklausuliert liest sie sich etwa so: Während der Münchner Flughafen boomt und eine dritte Startbahn bauen will, trudelt jener in Nürnberg immer mehr in die Krise. Diese könnte sich verschärfen, wenn Air Berlin seine Aktivitäten an dem Airport demnächst drastisch zurückfährt.

Bereits im Juli wurde bekannt, dass der Nürnberger Airport allein voriges Jahr 3,1 Millionen Euro Verlust einfuhr. Die Schulden addieren sich inzwischen auf mehr als 143 Millionen Euro. (Foto: picture-alliance / Daniel Karman)

Das bisher mäßig erfolgreiche Nürnberger Flughafen-Management kämpft gegen Millionendefizite, muss Stellen abbauen, zusätzliche Fluglinien akquirieren und neue Flugziele erschließen. Und auch die Stadt Nürnberg müsste etwas tun. Das sagen zumindest immer mehr Vertreter der fränkischen Wirtschaft.

Dabei sind die Voraussetzungen eigentlich ideal: Der Flughafen im Norden der Stadt besticht durch kurze Wege, viele Parkplätze und einen U-Bahnhof direkt vor der Tür. Aber bereits im Juli wurde bekannt, dass der Airport allein voriges Jahr 3,1 Millionen Euro Verlust einfuhr. Frühestens 2016 soll es wieder schwarze Zahlen geben. Die Schulden addieren sich auf mehr als 143 Millionen Euro. Um das Schlimmste zu verhindern, mussten die Eigentümer, die Stadt Nürnberg und der Freistaat, jüngst eine Finanzspritze von 40 Millionen Euro gewähren. Nun folgen die nächsten Hiobsbotschaften.

Der Flughafen muss seine Betriebskosten um sechs Millionen Euro senken, sagen Wirtschaftsprüfer. Was der Öffentlichkeit verklausuliert als "ambitionierter Restrukturierungsplan" verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Sparprogramm. 25 Arbeitsplätze werden gestrichen. Wie viele bei externen Dienstleistern folgen, weiß niemand. Der Abbau solle ohne Kündigungen erfolgen, heißt es. Angesichts von gut 900 Flughafen-Mitarbeitern klingt die Streichung von 25 Stellen nicht dramatisch. Doch es könnten noch mehr werden.

Die Anzeichen verdichten sich, dass die ihrerseits angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin ihr Drehkreuz Nürnberg schließen oder zumindest drastisch verkleinern wird. Von hier aus steuert die Airline vor allem Ziele in Nordafrika an. Der Flughafen verdankt Air Berlin die Hälfte seiner jährlich vier Millionen Passagiere. Etwa eine Million Menschen steigen in Nürnberg von einem Air-Berlin-Flugzeug auf ein anderes um. Nun erwägt die Fluggesellschaft, ihre Aktivitäten am künftigen Berliner Großflughafen zu konzentrieren. Der Aufsichtsratschef und Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly versichert, man habe ein Szenario ohne Air Berlin durchgespielt, der Flughafen wäre auch dann überlebensfähig. Im Übrigen bemühe man sich um einen Ersatz für Air Berlin. Mit der Billigfluglinie Ryanair laufen Gespräche. Seit Jahren wird davon geredet, dass man die Abhängigkeit von Air Berlin reduzieren und neue Ziele erschließen müsse. Nicht selten versandeten solche Appelle in der Geschäftsführung. Airport-Chef Karl-Heinz Krüger, 61, ist in der Stadt vor allem als Dauergast auf lokalen Schickimicki-Partys bekannt. Inzwischen ist Krüger, dessen Vertrag unlängst um fünf Jahre verlängert wurde, nicht mehr unumstritten.

Vor allem die fränkische Wirtschaft macht Druck. "Wir sind mit den Destinationen nicht zufrieden", sagt Peter Ottmann, einer der beiden Chefs der Nürnberger Messegesellschaft. "Wir wünschen uns vor allem mehr Direktverbindungen in Europa." Der Mangel treibt kuriose Blüten. Die Messegesellschaft chartert selbst Flugzeuge, um Aussteller und Besucher aus Belgien zu ihren Messen einzufliegen. Denn eine direkte Linienverbindung Brüssel-Nürnberg gibt es nicht mehr.

Ein Blick auf den aktuellen Flugplan zeigt große Lücken. Nach Italien gibt es Direktverbindungen nur noch nach Rom und ins sizilianische Catania. Nicht aber in Industriezentren wie Turin oder Mailand. In Spanien wird, abgesehen von der Ferieninsel Mallorca, überhaupt keine Stadt von Nürnberg aus angeflogen. Genauso wenig in Skandinavien und in Osteuropa. Dabei definiert sich die Metropolregion Nürnberg erklärtermaßen als wirtschaftliche Drehscheibe nach Osteuropa.

Vielsagend spricht der neue städtische Wirtschaftsreferent Michael Fraas davon, dass "das Management harte und schwierige Aufgaben vor sich hat". Man habe "sehr lange sehr auf Air Berlin gesetzt und muss künftig mehr diversifizieren". Aber auch die Stadt Nürnberg muss sich bewegen. Seit Jahren wird über eine bessere Straßenanbindung des Airports diskutiert. Der Weg zum Flughafen führt derzeit von der Autobahn mitten durch ein Wohngebiet. Abhilfe würde eine Nordspange schaffen. Doch dagegen gibt es Protest, denn sie würde ökologisch wertvolles Gebiet zerstören. Entsprechend umstritten ist sie, und entsprechend begrenzt ist der politische Umsetzungswille. Vorsichtshalber verkündete OB Maly eine dreijährige Denkpause.

Seither tut sich nichts mehr. Denkpause dürfe nicht heißen, dass nicht mehr nachgedacht werde, höhnte CSU-Bezirkschef und Finanzminister Markus Söder. IHK-Chef Dirk von Vopelius nennt die Nordspange "längst nicht mehr nur ein lokales Thema der Stadt Nürnberg". Denn die Zukunft des Flughafens sei ein Thema der gesamten Metropolregion.

Für "essentiell" hält Wirtschaftsreferent Fraas die Nordanbindung auch, weil der Flughafen ohne sie das nicht sein darf, was andere Airports längst sind: eine Jobmaschine. Pläne für ein Gewerbegebiet am Flughafen, ein Business-Center und eine Einkaufsmeile liegen auf Eis. Sie dürfen gemäß einer planungsrechtlichen Vorgabe erst realisiert werden, wenn die Nordspange gebaut ist. Deren Gegner führen nun ein kurioses neues Argument ins Feld. Wenn die Fluggastzahlen sinken, brauche es die Straße erst recht nicht mehr. Das kann man freilich auch genau andersherum sehen.

© SZ vom 06.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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