Nürnberg:Seniorin beansprucht Urheberrecht an zerstörtem Kunstwerk

Nürnberg: "Wall", hat Hannelore K. ergänzt. Passt - dem Museum aber nicht.

"Wall", hat Hannelore K. ergänzt. Passt - dem Museum aber nicht.

(Foto: Arthur Köpcke/VG Bildkunst Bonn 2016)
  • Hannelore K. hat im Neuen Museum in Nürnberg ein Kreuzworträtsel-Kunstwerk ausgefüllt.
  • Sie findet: Sie ist die Einzige, die den Künstler wirklich verstanden hat. Ihr Anwalt spricht davon, dass K. mehr Ahnung von der betreffenden Kunstart hatte als die Museumsmitarbeiter.
  • Der Anwalt findet auch: Durch die Bearbeitung habe Hannelore K. ein eigenes Urheberrecht an dem Bild erworben.

Von Katja Auer, Nürnberg

Man kann Arthur Köpcke nicht mehr fragen, leider, weil der Künstler schon 1977 verschieden ist. Es kann aber gut sein, dass der Mann Hannelore K. ganz dankbar wäre dafür, dass sein bislang nur mäßig bekannter Name nun auch einigen Menschen geläufig ist, die nie etwas von der Fluxus-Bewegung gehört hatten. Hannelore K. schon, die 90-jährige frühere Zahnärztin ist gebildet und deswegen ging sie an jenem Tag im Juli davon aus, es sei im Sinne des Künstlers, dass sie sein Werk, eine Collage mit einem Kreuzworträtsel in diesem Fall, vervollständige.

Sie habe sich in einem "nicht vermeidbaren Verbotsirrtum" befunden, argumentiert ihr Anwalt Heinz-Harro Salloch, schließlich geht es bei Fluxus nicht um das Werk, sondern um die schöpferische Idee. Hätte also das Neue Museum in Nürnberg, in dem das Bild zurzeit ausgestellt ist, nicht gewollt, dass jemand den werkimmanenten Anweisungen des Künstlers Folge leistet - immerhin steht "Insert words" auf dem Bild -, hätte man eine Absperrung anbringen müssen. Offenbar herrsche im Museum "keine ausreichende Sachkunde über diese Kunstart", schreibt Salloch.

Die siebenseitige Einlassung hat er an die Kripo in Nürnberg geschickt, denn gegen seine Mandantin wird wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung" ermittelt. Zwar ist der Kuli-Eintrag der alten Dame mit Lösungsmittel wieder abgegangen und das habe lediglich eine dreistellige Summe gekostet, ließ das Museum kürzlich wissen.

Dennoch laufen die Ermittlungen noch, die müssen von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden. Dass dies passiert, davon geht der Anwalt aus, schon deswegen, weil Hannelore K. offenbar als einzige begriffen habe, was zu tun sei. Das Argument der Museumsdirektorin, man dürfe schließlich auch der Mona Lisa keinen Schnurrbart malen, greife nicht und belege nur, dass auch sie die Kunstrichtung Fluxus nicht verstanden habe.

Anwalt Salloch dreht die Argumentation nun um. Es sei nicht nur kein Schaden entstanden, im Gegenteil, das Objekt habe wohl eher eine Wertsteigerung nach der ganzen Geschichte erfahren, weil es zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Und noch wertvoller sei das Werk vermutlich durch die "belebende Weiterverarbeitung" von Hannelore K. geworden, und im Übrigen habe sie dadurch ein eigenes Urheberrecht an dem Bild erworben. "Sie hat dem Willen des ursprünglichen Schöpfers folgend auf dem gleichen künstlerischen Niveau des Herr Köpcke weiter geschöpft", schreibt Salloch.

So gesehen, sei das Urheberrecht von Hannelore K. durch die Restaurierung des Werkes zerstört worden. Weiter gedacht könnte der Eigentümer des Objekts, der es an das Neue Museum ausgeliehen hat, sogar Ansprüche gegen das Museum geltend machen, sollte die Lösung von Hannelore K. ohne dessen Zustimmung wieder entfernt worden sein. Arthur Köpcke jedenfalls, da ist sich Salloch sicher, hätte bestimmt keine Strafanzeige gestellt.

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