Nahverkehr:Was passiert, wenn die Briten die Nürnberger S-Bahn übernehmen

Lesezeit: 3 min

  • Das Nürnberger S-Bahn-Netz soll demnächst von einem britischen Unternehmen betrieben werden.
  • Die Deutsche Bahn kann noch Einspruch gegen die Vergabe einlegen.
  • In der Übergangsphase könnte es Verspätungen geben - insgesamt bedeutet das für die Mitarbeiter größere Veränderungen als für Fahrgäste.

Von Katja Auer und Daniela Kuhr, Nürnberg

Am Tag nach der Entscheidung über die Zukunft der Nürnberger S-Bahn gibt man sich im Rathaus erstaunlich gelassen. Von Empörung keine Spur. Dass dies schon das Ende sei, glaubt Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) ohnehin nicht. "Ich gehe davon aus, dass das durch alle Instanzen geht", sagt er - und könnte damit absolut richtig liegen.

Am Vortag hatte die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) mitgeteilt, dass sie, trotz aller rechtlichen Einwände, weiterhin vorhat, das Nürnberger S-Bahn-Netz in Zukunft nicht mehr von der Deutschen-Bahn-Tochter S-Bahn betreiben zu lassen, sondern von dem britischen Unternehmen National Express Rail.

Damit würde erstmals ein Privatunternehmen ein großes S-Bahn-Netz in Deutschland mit etwa 20 Millionen Fahrgästen pro Jahr betreiben. Endgültig fest steht das aber noch nicht. Bis 4. Januar kann die Deutsche Bahn noch Einspruch gegen die Vergabe einlegen. Der Staatskonzern prüft das derzeit rechtlich.

Konkurrenzkampf auf der Schiene

Doch was würde der Wechsel für die Fahrgäste bedeuten? So richtig wird man das wohl erst beurteilen können, wenn National Express den Betrieb tatsächlich aufnimmt. Geplant ist das derzeit für 2018. Im Prinzip begrüßen Verbraucherschützer und Fahrgastverbände, dass es mittlerweile auf der Schiene einen regen Konkurrenzkampf um Nahverkehrsverträge gibt.

Verkehr in Nürnberg
:Britische Firma übernimmt S-Bahn-Betrieb

Die Nürnberger S-Bahn wird von 2018 an nicht mehr von der Deutschen Bahn bedient. In einer europaweiten Ausschreibung bekam ein britisches Unternehmen den Zuschlag. Politiker fürchten, dass der Wettbewerb zulasten der Beschäftigten geht.

Das setzt die Unternehmen unter Druck, einerseits ihre Kosten auf Einsparmöglichkeiten zu überprüfen und andererseits den Service zu verbessern. Allerdings hat Gerd Aschoff, Experte beim Fahrgastverband Pro Bahn, die Erfahrung gemacht, dass es in der ersten Zeit nach einem Betreiberwechsel fast immer Probleme gibt.

"Mal klappt die Umstellung auf den neuen Fahrplan nicht oder Züge werden nicht rechtzeitig geliefert oder das neue Personal kämpft mit der Einarbeitung." Sei diese Phase aber erst einmal überwunden, laufe der Betrieb in der Regel gut, "egal wer die Züge betreibt", sagt Aschoff.

Erfahrungen mit National Express gibt es in Deutschland bislang kaum. Seit wenigen Tagen betreibt das Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zwei Regionalbahnen. Auch dort gab es Startschwierigkeiten, wie Tobias Richter, Geschäftsführer von National Express, einräumt. Allerdings seien sie nicht übermäßig gewesen. Und teilweise hätte das Unternehmen auch gar nichts dafür gekonnt.

Beispielsweise war die Frontscheibe einer Lok über Nacht mit Graffiti besprüht, sodass der Zug nicht fahren konnte. Richter ist zuversichtlich, dass die Nürnberger den Wechsel nicht bereuen werden.

Wer dagegen im Moment tatsächlich Grund zur Sorge hat, sind die 450 Arbeitnehmer, die bei der Nürnberger S-Bahn arbeiten. Sollte es dabei bleiben, dass National Express den Auftrag erhält, stehen sie vor der Wahl, ob sie zu dem britischen Unternehmen wechseln oder ob sie sich innerhalb des Bahnkonzerns versetzen lassen wollen - was allerdings meist mit einem Umzug verbunden wäre.

Andererseits müssen viele von ihnen, gerade ältere Mitarbeiter, davon ausgehen, dass sie bei National Express in Zukunft nicht mehr so gut bezahlt würden wie bisher bei der Bahn. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund und der Eisenbahngewerkschaft EVG befürchtet man bereits das Schlimmste. "National Express ist offensichtlich mit einem arbeitnehmerunfreundlichen Konzept zum Zuge gekommen", meint Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern. "Es steht völlig in den Sternen, ob die 450 Beschäftigten ihre Jobs behalten."

Traurige Weihnachtsbotschaft für die Mitarbeiter

Frank Hauenstein, Leiter der Nürnberger EVG-Geschäftsstelle, vermutet, "dass National Express den Sicherheitsdienst in den Zügen nicht mit Eisenbahnern besetzen will, sondern wie schon in Nordrhein-Westfalen über Subunternehmer". National-Express-Geschäftsführer Richter will sich da noch nicht festlegen. Fest stehe bislang nur: "Wir wollen mehr Servicepersonal in den Zügen."

Ob dieses Personal aber eigenes sei oder von einem Subunternehmer gestellt werde, sei noch offen. "Wir haben ja noch Zeit, der Verkehrsvertrag in Nürnberg beginnt ja erst 2018 zu laufen." In jedem Fall versichert er, dass sämtliche Mitarbeiter ein Tarifgehalt erhalten werden, "egal ob sie bei einem Subunternehmer oder bei uns angestellt sind".

Zeit? Darüber kann Martin Burkert nur den Kopf schütteln. Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Franken, der auch im Vorstand der EVG sitzt, bedauert zutiefst, dass die 450 Beschäftigten der Nürnberger S-Bahn eine derart "traurige Weihnachtsbotschaft" erhalten haben. Er bezweifelt, dass der Betreiberwechsel tatsächlich schon 2018 stattfinden kann. Denn bislang habe National Express überhaupt noch keine neuen Züge bestellt.

Muss die Deutsch Bahn das Netz länger betreiben?

"Das könnte bedeuten, dass die Deutsche Bahn das S-Bahnnetz doch noch länger betreiben muss. Dann müssen die Beschäftigten das aber ganz schnell erfahren, damit sie wissen, wie lange sie dort noch arbeiten können."

Auch Nürnbergs Oberbürgermeister Maly ist skeptisch, was den Start im Jahr 2018 anbelangt. "Wir legen Wert auf einen reibungslosen Betrieb", sagt er, deswegen hofft er darauf, dass der alte und der neue Betreiber miteinander reden. Denn: "Das ist nicht gerade trivial, was jetzt vor uns steht."

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: