Musikhochschule:Das ist Nürnbergs neuer Lieblingsort für Konzerte

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Verantwortlich für den Umbau eines Neorenaissance-Bauwerks unweit des Wöhrder Sees ist der Münchner Architekt Robert Rechenauer. (Foto: Andrew Phelps)
  • In Nürnberg wird die neue Musikhochschule eröffnet.
  • Der Münchner Architekt Robert Rechenauer hat ein Neorenaissance-Bauwerk unweit des Wöhrder Sees fulminant umgebaut.
  • Mehrere Hundert Veranstaltungen pro Jahr in den Konzertsälen hat Hochschulsprecher Lucas Jubl bereits angekündigt.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Manchmal dauern Dinge ein bisschen. Einem Nicht-Bayern jedenfalls dürfte es schwer zu erklären gewesen sein, warum in einem der beiden Ballungsräume im verfassungsmäßigen Kulturstaat Bayern keine Hochschule für Musik existiert. Aber so war es eben, Punkt. Die beiden traditionsreichen Musikhochschulen des Freistaats sind seit jeher in München und Würzburg beheimatet, für kurze Zeit gab es auch mal eine Musikhochschule Nürnberg-Augsburg, was schon namensmäßig als kurioses Konstrukt gelten durfte.

Sie existierte dann allerdings auch nicht lange. "Noch zu Lebzeiten verschieden", formuliert Nürnbergs Musikhochschulpräsident Christoph Adt, der dieser Tage aber zu euphorisch ist, um sich über Gebühr mit Verblichenen aufzuhalten. In Nürnberg soll an diesem Freitag gefeiert werden. Die jüngste Musikhochschule Deutschlands - keine zehn Jahre alt ist sie - wird zukünftig nicht mehr in einem Provisorium samt Dauerbaustelle zu Hause sein. Sondern in einem Gebäude, das ehemalige Studenten durchaus neidisch machen dürfte.

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Über den inhaltliche Schwerpunkt der Hochschule müssen sich Politik und Strukturkommission noch einigen. Fest steht: Bis zum Jahr 2030 soll es etwa 6000 Studienplätze geben.

Von Claudia Henzler

Verantwortlich für den fulminant gelungenen Umbau eines Neorenaissance-Bauwerks unweit des Wöhrder Sees ist der Münchner Architekt Robert Rechenauer. Wobei man die lokale Zuschreibung etwas relativieren muss. In den vergangenen vier Jahren dürfte sich Rechenauer mindestens ebenso lang in Nürnberg wie in seiner Heimatstadt aufgehalten haben - was so nicht geplant war.

Notorische Optimisten hatten ursprünglich einmal das Jahr 2012 ins Auge gefasst für eine Eröffnung. Das klappte nicht ganz, der eigentliche Umbau begann erst 2014; dafür hat Rechenauer nun die ICE-Strecke von Oberbayern nach Franken zu schätzen gelernt. Der Architekt zeichnete schon verantwortlich für Neubau und Generalsanierung der Universität Mozarteum in Salzburg. Man darf erwarten, dass der Umbau der Nürnberger Hochschule in einer künftigen Bewerbungsmappe nicht weit dahinter rangiert.

So besonders schon die historische Genese dieser Hochschule ist - die Stadt Nürnberg unterhielt zunächst nur ein kleines Konservatorium, das dann in der Hochschule Nürnberg-Augsburg aufging, die wiederum von kurzer Lebensdauer war - so besonders ist auch die Finanzierung des Gebäudes. Nicht etwa das finanziell gesegnete Land Bayern vermacht der klammen Stadt Nürnberg etwas, diesmal ist es genau andersrum. Für 40 Millionen Euro baute die Stadt den denkmalgeschützten Bau um, das Land beteiligte sich mit 2,7 Millionen, unter anderem für den neuen Orchestersaal im historischen Innenhof. "Sind wir schon stolz drauf", sagt Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner (CSU).

Markanter Griff in die alte Substanz

Der 1914 fertiggestellte Bau beherbergte Jahrzehnte lang ein Krankenhaus, "das man sich aber eher als Hospiz vorstellen muss", sagt Architekt Rechenauer. Im Sebastianspital, in Nürnberg als das "Wastl" bekannt, standen einst bis zu 20 Betten in einem Raum. In 17 Krankensälen und 21 Patientenzimmern spielte sich das Leben ab, künftig üben dort etwa 400 Studenten an ihren Instrumenten. Hochschulpräsident Adt neigt zu deutlicher Ansprache, dass es einigen "Ärger" bei der Frage gegeben habe, wer im Haus künftig wo üben dürfe, verstehe sich ja wohl von selbst, sagt er. Bekommen die Jazzer einen Binnenblick in den neuen Orchestersaal? Wohin mit den Schlagzeugern? Und die Tubisten?

Rechenauer hat einen markanten Griff in die alte Substanz gewagt, diesen einen haben die Denkmalschützer abgesegnet: Er hat das Haus gleichsam um 90 Grad gedreht. Das Spital betrat man Jahrzehnte lang an der dem See abgewandten Seite, heute erinnern daran nur noch zwei ältere Herrschaften aus Sandstein links und rechts des früheren Eingangsportals. Die Türen aber sind dort geschlossen.

Ein eigener Orchestersaal für 220 Besucher. (Foto: Andrew Phelps)

Von der Straße aus müssen Besucher nun einmal ums Eck, dorthin also, wo vor hundert Jahren keiner freiwillig hingegangen wäre: An der Ostseite des Gebäudes wurden Verstorbene abtransportiert. Jetzt leitet dort eine meterlange Sitzbank mit Blick in Richtung Süden und den Wöhrder See zum hellen Eingangsfoyer. Von dort aus sind es dann nur ein paar Meter zum Herzstück dieser Hochschule, dem neuen Orchestersaal.

Der angesagteste Ort weit und breit

Der hat jene Schuhschachtelform, die für Orchestersäle heute bevorzugt wird. Weil es in dem Probesaal für 220 Besucher aber nicht primär um Klangqualität gehen soll, hat Rechenauer den Raum links und rechts mit Fensterbändern geöffnet. Was den hübschen Nebeneffekt hat, dass man nun von der Cafeteria aus sehen kann, wer dort gerade übt - respektive vorspielt.

Es dürfte nicht zu kühn sein, wenn man prognostiziert, dass sich dieses Areal in kürzester Zeit zu einem der angesagteren Orte der Halbmillionenstadt entwickeln wird (und nicht nur für Studenten). Mehrere Hundert Veranstaltungen pro Jahr kündigt Hochschulsprecher Lucas Jubl an; immerhin beherbergt das Haus nicht nur einen Orchestersaal, sondern auch einen Kammermusiksaal in einer ehemaligen Krankenhauskapelle. Und im Sommer wird an der freien Luft musiziert, auf dem Flachdach des Konzertsaals. Zuhörer sitzen auf der Bank, die den Kubus umgrenzt. Oder verfolgen das Konzert von einem Fenster der drei Innenhofstockwerke aus.

Apropos Sommer. Von der Bank, die zum Eingangsfoyer führt, sind es über eine Grünfläche etwa anderthalb Minuten zum See. Von dort aus blickt man zu dem Ufer, das inzwischen als "Söder-Bucht" bekannt ist. Die machte zuletzt ungute Schlagzeilen: Gänsekot, Verrammelung, weil's Gras nicht rasch genug wuchs, erzürnte Besucher. An diesem Freitag will die Stadt die Gitterzäune wegräumen. Guter Zeitpunkt: Der Ministerpräsident und Namensgeber der Bucht wird die Hochschule eröffnen.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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