Nürnberg:LKA-Skandal: Sechs Beamte vor Gericht

Prozess gegen sechs LKA-Beamte

Mario H. war ein verdienter Ermittler, nun steht er unter anderem wegen Diebstahls vor Gericht. Er ist vom Dienst suspendiert.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • In Nürnberg müssen sich sechs Beamte des bayerischen Landeskriminalamtes vor Gericht verantworten.
  • Sie haben mit einem V-Mann zusammengearbeitet, der die Rockerbande Bandidos ausspionieren sollte.
  • Dabei sollen sie selbst Straftaten begangen haben. Es geht unter anderem um Strafvereitelung im Amt und Betrug.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Mario H. war schon weit geklettert auf der Karriereleiter als Ermittler im Dienst des bayerischen Landeskriminalamts (LKA). 2015 war er zum Chef der Sonderkommission ernannt worden, die sich im Auftrag des Generalbundesanwalts um die Aufklärung des Oktoberfest-Attentats von 1980 kümmern sollte, eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Im LKA nannten ihn einige daraufhin "Super-Mario". Jetzt sitzt der LKA-Mann im Saal 600 in Nürnberg, dort also, wo sich nach 1945 die NS-Kriegsverbrecher verantworten mussten. Der frühere Chefermittler sitzt dort nicht etwa als Zeuge, sondern als Angeklagter. Viel tiefer dürfte ein Spitzenbeamter in so kurzer Zeit kaum fallen können. Die Staatsanwaltschaft wirft H. Diebstahl in mittelbarer Täterschaft und uneidliche Falschaussage vor. Vom Dienst ist er suspendiert.

Mario H. ist nicht der einzige Angeklagte. Insgesamt sechs Beamte des LKA müssen sich im Nürnberger Saal 600 verantworten. Angeklagt sind sie wegen verschiedener Delikte, darunter auch Strafvereitelung im Amt und Betrug. Sämtliche strafrechtlichen Vorwürfe stehen in Zusammenhang mit dem Wirken eines V-Mannes, der im Auftrag des LKA die tief im kriminellen Milieu verwurzelten "Bandidos" bespitzeln sollte. Wenn auch nur ein Teil von dem zuträfe, was die Nürnberger Staatsanwaltschaft den sechs Beamten vorwirft, dann ist dieser Einsatz komplett aus dem Ruder gelaufen.

Zunächst wurde der Spitzel bei der Rockergang eingeschleust, und als er als Quelle immer wertvollere Informationen über das Innenleben der Bandidos ablieferte, sollen die Beamten den Mann mit allen Mitteln beschützt haben, sie sollen ihn zu einem Diebstahl von Minibaggern in Dänemark regelrecht angestiftet und hernach alles dafür getan haben, um zu vertuschen, dass sie womöglich den entscheidenden Schritt zu weit gegangen sind.

Nach dem sogenannten Legalitätsprinzip müssen Polizisten ermitteln oder zumindest ermitteln lassen, wenn sie von einer bevorstehenden Straftat erfahren. Von einem groß angelegten Baggerdiebstahl aber sollen LKA-Beamte nicht nur gewusst haben - unter anderem der Spitzenbeamte H. soll einen V-Mann sogar "zur Teilnahme beauftragt" haben, heißt es in der Anklage. Dafür, dass der V-Mann an vorderster Front mithalf, Bagger und anderes Gerät für 55 000 Euro über die Grenze von Dänemark nach Deutschland zu schaffen, bekam der Spitzel in Diensten des Staates laut Anklage sogar eine satte Aufwandsentschädigung zugesprochen. Das LKA zahlte einem Mann mit insgesamt 13 Vorstrafen exakt 1 110 Euro dafür, dass er mitgeholfen hatte, für die Bandidos Bagger zu klauen.

"Was für eine merkwürdige Geschichte"

Fast eine Stunde lang verlesen zwei Staatsanwälte abwechselnd eine sehr detaillierte Anklageschrift, auf den Bänken tuschelt ein Beobachter zwischendurch: "Was für eine merkwürdige Geschichte." Die sechs Beamten verfolgen äußerlich ungerührt, was ihnen da alles vorgeworfen wird. Sie sollen einen mit der Causa Bagger-Diebstahl befassten Oberstaatsanwalt systematisch falsch informiert haben. Sie sollen Aussagen des V-Mannes immer wieder falsch in den Akten wiedergegeben haben, um zu vertuschen, dass dieser sehr wohl angekündigt hatte, bei den von Dänemark nach Deutschland transportierten Mini-Baggern handele es sich keineswegs um eine legale Lkw-Ladung.

Sie sollen, um Akten für einen Prozess gegen den V-Mann sperren zu lassen, in einer Erklärung ans Innenministerium bewusst falsche Angaben gemacht haben. Sie sollen vor Gericht mehrfach gelogen haben. Und einer der Ermittler soll sogar in Auftrag gegeben haben, den Tacho für den vom LKA für den Spitzel geleasten Mercedes zu fälschen - um zu verheimlichen, dass der V-Mann sehr weit herumkam für die Bandidos.

Nachdem die Staatsanwälte die Anklage verlesen haben, dürfen zunächst zwei LKA-Beamte Angaben zur Sache machen. Das wollen sie aber nicht. Mario H. wird sich am Mittwoch zur Causa äußern dürfen, ein Urteil wird im erst Frühjahr erwartet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: