Nürnberg:"Ich war der festen Überzeugung, dass das im Sinne des Künstlers ist"

Nürnberg: 21 waagrecht muss "Wall" heißen. Und 15 senkrecht "Italy". Also griff Hannelore K. zum Stift.

21 waagrecht muss "Wall" heißen. Und 15 senkrecht "Italy". Also griff Hannelore K. zum Stift.

(Foto: Arthur Köpcke/VG Bildkunst Bonn 2016)

Wie war das genau mit dem Kreuzworträtsel im Nürnberger Museum? Die Dame, die es ausgefüllt hat, muss so  einiges klarstellen - etwa zu ihrem Alter.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Also, so gehe es ja schon mal los, sagt Hannelore K.: Sie stamme ursprünglich aus dem Rheinland, eine Frohnatur aus Köln, "wenn ich aus Franken käme, dann läge ich jetzt krank im Bett vor Kummer". Da war dieser Tag im Neuen Museum Nürnberg und dieses Kreuzworträtsel-Werk eines Künstlers mit werkimmanenter Aufforderung auf Englisch, man möge doch bitte Buchstaben ergänzen und zwar so, "dass es passt".

Einen Kugelschreiber habe sie nicht dabei gehabt, den habe sie sich erst ausleihen müssen und daraus beileibe kein Geheimnis vor dem Museumspersonal gemacht. Warum denn auch? "Ich war ja der festen Überzeugung, dass das im Sinne des Künstlers ist, was ich da mache", sagt sie.

Und jetzt? Ermittlungen wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung", eine halbstündige Vernehmung im Polizeipräsidium, sogar einen Anwalt hat sie sich nehmen müssen. "Das zieht Kreise, ich fass' es nicht."

Frau K. gilt jetzt als Beschuldigte, da will sie im laufenden Verfahren nicht zu viel sagen und bitte auch nicht mit vollem Namen oder Foto in der Zeitung stehen. Ihr erster Gedanke, als das jetzt alles losging, war der an ihren Sohn in Starnberg: Was der wohl denke, wenn das in der Öffentlichkeit womöglich schief rüberkomme. So als ob sie jetzt auf einmal Attentate auf moderne Kunst verübe, plötzlich neben sich stehe oder was auch immer. "Wissen Sie, gelegentlich fallen mir inzwischen Namen nicht mehr ein." Das sei aber auch ihre einzige Beeinträchtigung im Kopf, die das Alter so mit sich bringe.

Als Gesprächspartner glaubt man das sofort: Frau K., ehemalige Zahnärztin, redet schneller, als irgendwer mitschreiben kann, dafür ist sie geduldig bei Nachfragen, kann ja nicht jeder so fit sein wie sie. Sie lebt selbständig in einer Nürnberger Stadtwohnung, dritter Stock, ohne Aufzug. Übrigens, darauf lege sie schon Wert: "Ich bin noch nicht 91", wie sie über sich habe lesen müssen, "ich bin noch 90." So viel Präzision sollte dann schon sein.

Zumal sie jetzt omnipräsent ist. Im Netz wird Frau K. hundertfach als die wahre Künstlerin gefeiert, als diejenige, die einem nicht besonders bekannten Werk eines nicht übermäßig berühmten Künstlers namens Arthur Köpcke zu Ruhm verholfen habe. Und es womöglich richtig wertvoll gemacht hat. Auch für den privaten Sammler. Kunst, über die die Welt redet, steigt im Wert. Und das tut sie, auch die BBC berichtet. "Da bin ich platt", sagt K.

Zumal sie das eher merkwürdige Kreuzworträtsel ohne Fragen ja nur ergänzt habe. Von englisch "wall" stand schon was drin, ihrer Erinnerung nach mindestens das w. Sie habe nur geschaut, welches Wort in die Kästchen passen könnte, ohne sich zu stoßen an den anderen. Genauso mit dem Wort "Italy", da fehlte auch was.

Die anderen Damen aus dem Schreibkreis, die im Museum dabei waren, sollen nun gern über den Tag im Museum schreiben, sagt K. Man suche ja immer Anlässe zum Schreiben, sind ein paar präzise Federn dabei. Sie selbst halte sich zurück, immerhin wird ermittelt gegen sie. Wirklich? Wäre doch spannend, so ein Text aus der Sicht der Betroffenen. "Gut, überleg' ich noch mal", sagt K.

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