Nürnberg:Großes Geschäft mit den Kleinsten

Stoffschildkröten, Bilderbücher, Holzketten für den Schnuller. Auf der Spielwarenmesse sind Babysachen im Fokus

Von Maximilian Gerl, Nürnberg

Die Welt der Kinder ist voller Erwachsener. Herren in Anzügen schieben sich durch die Gänge, Aktenkoffer werden auf- und wieder zugeklappt. Murmeln rollen tollkühn gebaute Schusserbahnen hinunter, als ob sie so ein Geschäft besiegeln könnten. "Dann nehme ich das als Einzelposten in die Bestellung auf", sagt ein Händler und eilt hinfort, Vertrag und Kugelschreiber suchen.

Noch bis Sonntag werden auf der 69. Spielwarenmesse Nürnberg die neuesten Spielzeuge präsentiert. Die Messe ist das Großereignis der Branche. Hier kommen Hersteller und Händler zusammen, um Geschäfte zu machen, Trends zu setzen und zu begraben. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Spielzeug für Neugeborene und Kleinkinder. Die sind süß anzuschauen und ein Riesengeschäft. Allein in den USA wurden zuletzt Baby- und Kleinkindartikel in Höhe von 1198,6 Millionen US-Dollar umgesetzt - ein Plus von 34,5 Prozent. Auch in Deutschland zieht der Markt an. Laut einer Umfrage des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie stellen zwar Kinder, Jugendliche, Schüler und Familien die wichtigsten Zielgruppen. Doch die Allerkleinsten holen auf. Was nicht unbedingt an ihnen liegt: Es sind Mama und Papa, die das Geld ausgeben.

Produkte zum Geldausgeben finden sich auf der Messe genug. Der Baby- und Kleinkindbereich erstreckt sich über zwei Hallen. Das Portfolio ist breit, reicht von Rutschen und Schaukeln über Kinderwägen und Klamotten bis zu Rasseln und Kuscheltieren. Mancher Stand würde sich auch im Möbelhaus gut machen, so weit reicht das Angebot in den Deko-Bereich hinein. So präsentiert ein Aussteller nur Lampen. Ein anderer zeigt Geschirr, das "viel Lust aufs Essen" machen soll, aber trotzdem über den Zustand eines handelsüblichen Tellers nicht hinauskommt.

Für Babys geeignet, dieses Label kann sich rentieren. Zum einen wächst die Zielgruppe im wahrsten Sinne des Wortes nach. "Kinder werden ja ständig geboren", sagt ein Aussteller, in Deutschland sogar tendenziell wieder mehr. 2016 waren es 792 000 Babys - 55 000 mehr als im Vorjahr. Zum anderen sind Eltern bereit, immer mehr Geld für ihren Nachwuchs auszugeben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts fallen für ein Kind im Vorschulalter etwa 6200 Euro pro Jahr an, die Kosten für Babysitter und Wickeltisch noch nicht eingerechnet. Mit zunehmendem Alter steigen die Ausgaben. Bis zur Volljährigkeit summieren sie sich auf etwa 130 000 Euro.

Anderswo auf der Messe fliegen Drohnen und piepsen Roboter. Im Kleinkindbereich herrscht dagegen fast schon analoge Langeweile. Angesagt ist Plüsch und Holz. Immerhin ein Stand hat ein bisschen Elektronik im Angebot, in Form einer Stoffschildkröte. Ihr Panzer zaubert einen Sternenhimmel an die Kinderzimmerdecke und spielt Einschlafmusik. Nach 20 Minuten schaltet sich die Schildkröte ab, dann schläft das Kind schon, hoffentlich.

Manuela Hess sagt: "Digitales Spielzeug spielt in dem Alter noch keine Rolle." Hess ist Geschäftsführerin von Hess-Spielzeug, Sitz Olbernhau im Erzgebirge. Sie präsentiert Watschelenten, Bilderbücher, Minipuzzles, alles aus Holz, hübsch bemalt. Hess sagt, das Bewusstsein für Spielzeug sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Viele Eltern verbrächten wieder mehr Zeit mit ihren Kindern. Qualitativ hochwertige Spielwaren aus nachhaltiger Produktion seien entsprechend angesagt, aber bisweilen schwer zu produzieren: Schnullerketten aus Holz etwa. "In fünf Jahren sind die ausgestorben", prophezeit Hess. Zu kompliziert seien die Vorschriften für Hersteller. Offenbar gibt es für die scheinbar simple Konstruktion zwei EU-Normen mit teils widersprüchlichen Qualitätsvorgaben. Sind die Glieder der Kette bunt bemalt, zählt sie als Schnullerkette. Ist im Bunten ein Bild zu erkennen, zählt sie als Spielzeug.

Die Idee von nachhaltigem Spaß dreht MyuM weiter. Die Franzosen konzentrieren sich auf "vegetarische Spielsachen". Die Spiel-Früchte kommen aus weichem Stoff und mit kleinen Gimmicks. Zieht man die Birne an der Zunge, spielt sie Musik. Stülpt man die Tomate um, verwandelt sie sich in eine Blume. Chefin Faustine Durand sagt: "Die Kinder lernen so etwas über die Natur, darüber, wie Pflanzen wachsen, wo Früchte herkommen." Und: Wer Gemüse von klein auf kenne, habe später vielleicht weniger Ekel, es zu essen. Pädagogisch wertvoll, fair produziert, anregend - für Durand die richtigen Zutaten für gutes Spielzeug. Damit ist sie auf der Messe nicht allein.

Babys kennen wenig von der Welt und finden vieles interessant. Darum ist es ihnen meist egal, was man ihnen in die Hand drückt. Einige Pädagogen warnen davor, Kindern zu viel Spielzeug zu schenken. Sie könnten schnell überfordert und gelangweilt sein. Ihr Rat lautet, lieber ein bisschen weniger und dafür zielgerichteter zu kaufen. Ein Beispiel: Mit etwa neun Monaten beginnen Babys, ihre Umgebung räumlich wahrzunehmen. Das wäre dann ein guter Moment für ein paar Bauklötze, um die Entwicklung des Kindes unterstützen.

Lehrreich, nachhaltig, entwicklungsfördernd, nach Norm zertifiziert - vielleicht geht man als Erwachsener den Spielzeugkauf zu nüchtern an. Zu erwachsen. Der Meinung ist auch Sabrina Beetz von Haba. Die Oberfranken aus Bad Rodach haben einen Messe-Preis in der Altersklasse null bis drei Jahre gewonnen. Der Sieger heißt "Kullerbü" und entpuppt sich als Modell-Parkhaus mit handlichen Autos und angeschlossener Kugelbahn. Alle Teile lassen sich frei zu neuen Strecken kombinieren. Beetz sagt, das rege die Kleinen zum Bewegen an, zum Ausprobieren, zum Kreativsein. Wenn die Kinder unterschwellig etwas lernten, umso besser. "Aber das Wichtigste ist, dass das Spielzeug Spaß macht."

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