Protest in Nürnberg:Flüchtlinge kündigen Hungerstreik an

Asylbewerber auf Bundesamts-Gelände

Polizisten führen auf dem Gelände vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylbewerber ab.

(Foto: dpa)

Rund 80 Flüchtlinge sind auf das Gelände des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorgedrungen, die Polizei hat den Platz geräumt. Jetzt wollen rund 20 Asylbewerber in den Hungerstreik treten.

Nach der von der Polizei aufgelösten Protestaktion im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wollen rund 20 Asylbewerber in Nürnberg in den Hungerstreik treten. Mit der Aktion wollen sie die Anerkennung ihrer Asylanträge erzwingen. "Morgen um 9.00 Uhr soll der Hungerstreik beginnen, und er wird dauern, so lange es geht", sagte Hakimi Naqib von der Flüchtlingsgruppe am Freitagnachmittag im Nürnberger Protestcamp.

"Wir wollen wie normale Menschen in Deutschland behandelt werden, wir wollen hier ganz normal leben, arbeiten, Steuern zahlen", sagte er. Die abgelehnten Asylbewerber fürchteten, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. Zuvor hatte die Polizei rund 40 Asylbewerber von dem Gelände der Behörde abgeführt. Dabei wehrten sich einige von ihnen mit Händen und Füßen. Insgesamt aber verlief die Aktion ruhig.

Nach Angaben eines Sprechers des Bundesamtes waren die zuvor erteilten Platzverweise weitestgehend wirkungslos geblieben. Nur wenige Flüchtlinge waren freiwillig gegangen. Gegen 9.30 Uhr rückten Polizisten an, um das Gelände zu räumen. Zum Teil mussten die Flüchtlinge, die sich an einen Zaun gekettet hatten, mit einem Bolzenschneider befreit werden. Anschließend wurden sie jeweils von mehreren Polizisten vom Gelände getragen.

Unterbrochen wurde die Aktion durch einige Rettungseinsätze: Mehrere Flüchtlinge hatten das Trinken mit Verweis auf den muslimischen Fastenmonat Ramadan verweigert und deshalb auf dem Platz mit praller Sonneneinstrahlung einen Kollaps erlitten. Kinder waren nicht unter den Flüchtlingen. Während der Aktion blieb die vierspurige Hauptverkehrsstraße vor dem Gebäude bis zur Mittagszeit einseitig gesperrt.

Die Flüchtlinge fordern nach einer vom Flüchtlingsrat Bayern verbreiteten Erklärung die Anerkennung ihrer Asylanträge und verlangten ein Gespräch mit dem Präsidenten des Bundesamtes. Entgegen erster Berichte habe die Behörde die Überprüfung der Fälle aber nicht zugesagt, sagte Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. Die Flüchtlinge kündigten an, in den Hungerstreik zu treten, wenn sie keine Antwort bekämen.

Demonstrationen erwartet

Kurz vor der Platzräumung waren vier Mitarbeiter des Bundesamtes samt Dolmetscher gekommen, um mit den Flüchtlingen auf dem Gelände zu reden. Laut einem Sympathisanten, der mit rund 20 anderen vor dem Gebäude demonstrierte, soll es dabei das Angebot gegeben haben, eine Liste mit den Personalien der demonstrierenden Flüchtlinge anzufertigen, um daraufhin die Fälle überprüfen zu können.

Nach Angaben des Bundesamts handelte es sich bei den Flüchtlingen auf dem Gelände um eine bunt gemischte Gruppe. Unter den Asylanten seien einige mit bereits abgelehnten Anträgen, aber auch Flüchtlinge, die bereits vor Gericht geklagt hätten. Wieder andere Verfahren würden noch bearbeitet.

Die Flüchtlinge wurden nach der Feststellung der Personalien auf einer Polizeiwache wieder freigelassen. Für die kommenden Wochen werden nun neue Demonstrationen erwartet.

Kommunen klagen über mangelnde Unterstützung

Der Unmut über die bayerische Asylpolitik zieht sich derweil durch den gesamten Freistaat, nicht nur unter Flüchtlingen: Bezirke, Kreise, Kommunen - viele klagen über mangelnde Unterstützung. Die Regierung von Oberbayern hatte am vergangenen Wochenende sogar erwogen, wegen des starken Zustroms von Asylbewerbern in München Zelte zu errichten.

Seitdem ist das Thema auf der politischen Agenda weit nach oben gerückt. Erst nachdem Fachleute aus Sicherheitsgründen von den Zelten abgeraten hatten, wurden die Flüchtlinge in einer alten Fahrzeughalle untergebracht.

Bilder von Zeltstädten kennt man nur von Camps in Krisenregionen. Nun wären sie fast im reichen Bayern zu sehen gewesen. Selbst hohe Beamte sprechen von chaotischen Zuständen, obwohl die Entwicklung doch absehbar gewesen sei.

Ministerpräsident Horst Seehofer hat Innenminister Joachim Herrmann und Sozialministerin Emilia Müller aufgefordert, in der Kabinettssitzung am kommenden Dienstag Vorschläge zu präsentieren, wie sich der Freistaat auf eine weitere Zuspitzung der Situation vorbereiten könne. Seehofer soll seine Unzufriedenheit deutlich zum Ausdruck gebracht haben, heißt es.

Markus Söder reagierte bereits am Donnerstag. Die Asylthematik werde sich auch im nächsten Haushalt niederschlagen, sagte der Finanzminister. In diesem würden die Ausgaben für Flüchtlinge von jetzt 570 auf fast eine Milliarde Euro in den nächsten beiden Jahren steigen. Der Großteil davon, gut 700 Millionen, gehe an die Kommunen. Ob das reicht, weiß niemand.

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