Nürnberg:Der Schnellstarter

Nürnberg: Markus Schmitz hat seine Zeit bei der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit intensiv wahrgenommen.

Markus Schmitz hat seine Zeit bei der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit intensiv wahrgenommen.

(Foto: Bundesagentur für Arbeit)

Markus Schmitz hatte knapp zwei Jahre, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Jetzt wechselt er den Job

Von Maximilian Gerl, Nürnberg

Es scheint, als habe Markus Schmitz einen entspannten Job. Der 43-Jährige leitet die Regionaldirektion Bayern der Arbeitsagentur. Dabei hilft die Konjunktur kräftig mit, bayerische Unternehmen stellen eher ein als aus - ein Traum, die Jobvermittlung erledigt sich fast von allein. Doch der Schein trügt. Schmitz und seine Kollegen haben nebenbei einen Spezialauftrag: Sie sollen Zehntausende Flüchtlinge integrieren.

Schmitz ist seit Januar 2015 im Amt. Zum November 2016 gibt er es schon wieder ab. Er wechselt in die Zentrale der Arbeitsagentur, er bleibt damit in Nürnberg, nur in anderer Funktion, er soll die Digitalisierung der Behörde bundesweit vorantreiben. Seine kurze Amtszeit habe er als "sehr intensiv" wahrgenommen, sagt Schmitz. Eine gern gebrauchte Floskel in Wirtschaft und Politik, in diesem Fall darf man sie hinnehmen.

Schmitz hat sich schnell hochgedient in der Agentur. Der Sozialwissenschaftler und Historiker promovierte über die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Danach verschlug es ihn zur Unternehmensberatung McKinsey, 2005 zur Arbeitsagentur. Dort leitete er mehrere Projekte und Bereiche, bis er zum Chef über die 23 bayerischen Agenturbezirke wurde. Die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit führt ihn als Honorarprofessor, Fachgebiet: Arbeitsmarktmanagement.

Im Sommer 2015, als so viele Menschen wie nie zuvor nach Bayern flüchteten, sahen sich Schmitz und seine Kollegen vor die Wahl gestellt. Streng nach Vorschrift könnten sie nichts tun - nur warten, bis ein Asylantragssteller alle bürokratischen Hürden erfolgreich durchlaufen hat. Das kann dauern. "Wir haben uns entschieden, gleich zu helfen", sagt Schmitz heute. Die Regionaldirektion setzte Programme auf, um Geflüchtete ungeachtet ihres rechtlichen Status in die Wirtschaft zu vermitteln. Es gab wenige, kleine Projekte, an denen sie sich orientieren konnte, das vereinfachte die Sache. Ein bisschen. Der Arbeitsmarkt ist manchmal störrisch, ihn zu steuern ähnelt einem voll beladenen Containerschiff. Es reagiert nicht gleich auf Kommandos und benötigt etliche Kilometer, um eine Kurve zu nehmen. Erschwerend kommt hinzu: Man steht nicht selbst am Steuer, sondern muss erst die Offiziere und Matrosen - die Unternehmensbosse und Arbeitssuchenden - mit Geld und Argumenten vom neuen Kurs überzeugen. "Letztlich stellen die Betriebe ein und nicht die Arbeitsagentur", sagt Schmitz.

Um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, vertraut die bayerische Arbeitsagentur einerseits auf zentrale Leitlinien und Fördertöpfe. Zusammen mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der Staatsregierung hat sie einen Pakt geschlossen, um 60 000 Flüchtlinge bis 2019 in Arbeit und Ausbildung zu bringen. Andererseits nutze sie "Kreativität vor Ort", sagt Schmitz: Programme, die in den einzelnen Agenturbezirken speziell für eine Region entwickelt werden. "Da wird eine Menge geackert", sagt Schmitz, "die Kollegen sind mit Herzblut dabei. Da fragt niemand, ob die ganze Arbeit sein muss."

Das Containerschiff reagiert. In diesem Jahr haben mehr als 20 000 Flüchtlinge in Bayern eine Beschäftigung gefunden - ohne dass deshalb ein Einheimischer seine Stelle verloren hätte. Sogar weniger Langzeitarbeitslose gibt es, obwohl sie als schwer vermittelbar gelten. Und auch die Agentur selbst scheint zu profitieren. "Manchmal dauert es ja ewig, etwas zu ändern", sagt Schmitz. Aber die Herausforderung sei so groß gewesen, dass sie viele Prozesse "enorm beschleunigt und entbürokratisiert" habe.

Die nächste Herausforderung: Viele Flüchtlinge sind beschäftigt, aber oft nur als Aushilfen. Wie daraus feste Stellen werden, darf sich Schmitz' Vorgänger und Nachfolger überlegen, Ralf Holtzwart. Er hat in Brüssel als Berater der EU-Kommission gearbeitet und kommt zurück nach Nürnberg. Tipps will ihm Schmitz keine geben: "Er kennt sich so gut aus, die braucht er gar nicht." Allzu entspannt dürfte es für Holtzwart im neuen Job trotzdem nicht werden.

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