NS-Kongresshalle in Nürnberg:Kolossales Wundmal

NS-Kongresshalle in Nürnberg: Die nicht vollendete Kongresshalle der NSDAP in Nürnberg.

Die nicht vollendete Kongresshalle der NSDAP in Nürnberg.

(Foto: Helmut Meyer zur Capellen/Museen der Stadt Nürnberg)

Die unvollendet gebliebene NS-Kongresshalle in Nürnberg hat die Zeiten überdauert - als Monument menschenverachtenden Größenwahns. Und mit teils sehr zweifelhaften Nutzern.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die unvollendet gebliebene NS-Kongresshalle ist der mit Abstand größte Baukörper auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Was aber sollte die Stadt nach 1945 machen mit diesem gewaltigen NS-Trumm, das Hitler selbst einmal als "Koloss" bezeichnet hat, und das, jedenfalls nach den Plänen der Nationalsozialisten, mindestens 50 000 Menschen Platz bieten sollte?

Die Historiker vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zeichnen im Band "Die Kongresshalle Nürnberg. Architektur und Geschichte" (Michael Imhof Verlag, Petersberg 2014) nicht nur die Historie einer furchtbaren Baustelle nach - seit 1940 wurden dort Kriegsgefangene eingesetzt, das Baumaterial stammte zum großen Teil aus KZ-Steinbrüchen. Sie beleuchten auch die eigentümliche Nachkriegsgeschichte dieses brutalen Baus. Und bieten dabei Einblicke in die Abgründe der Zeit nach 1945 - nicht nur während der Adenauer-Ära.

"Mit eisigem Schweigen"

Was der Historiker Alexander Schmidt im Kapitel "Ein Felsklotz, der in der Gegend steht" an Geschichten zusammengetragen hat, dürfte nicht wenige Leser fassungslos machen. Das erste große Nachkriegsprojekt auf dem Gelände war 1949 die Deutsche Bauausstellung, die - grundsätzlich nachvollziehbar - Perspektiven für den Wiederaufbau in Deutschland aufzeigen wollte. Zu sehen war dort diverses Baugerät sowie eine seinerzeit durchaus nützliche Trümmeraufbereitungsanlage, "an der wir uns davon überzeugen, dass die ja nun einmal vorhandenen riesigen Massen an Bauschutt ein ausgezeichnetes Baumaterial für viele Zwecke ergeben". So stand es im Katalog der Bauausstellung. Anderes war, aus heutiger Sicht, kaum weniger skurril. Im sogenannten Granitumgang, den Arkaden der NS-Kongresshalle, präsentierten diverse Hersteller ihre Baustoffe. Geworben wurde dort unter anderem mit dem nicht ganz unbelasteten Motto: "Granit für die Ewigkeit".

NS-Kongresshalle in Nürnberg: Heute ist hier der Konzertsaal der Nürnberger Symphoniker untergebracht.

Heute ist hier der Konzertsaal der Nürnberger Symphoniker untergebracht.

(Foto: Museen der Stadt Nürnberg/oh)

Die große Jubiläumsausstellung "900 Jahre Nürnberg" war ein Jahr später zwar kein vergleichbarer Publikumserfolg. Mit Geschichtsvergessenheit konnte aber auch sie dienen. Präsentiert wurde die Stadt vor allem als eine Metropole des Mittelalters. Die noch nicht lange zurückliegende NS-Zeit indessen war den Ausstellungsmachern kein einziges Wort wert. Man gehe "mit eisigem Schweigen über diese historischen tausend Jahre hinweg", notierte die SZ im Juli 1950.

Es gab auch sinnvolle Nutzungen

Aber es ging noch peinlicher. Nach zerstobenen Initiativen für ein Fußballstadion oder ein Massenquartier wurden 1987 die Pläne eines Elektronikhändlers öffentlich, dem offenbar die ganz große Lösung für das Areal vorschwebte: ein Freizeitzentrum mit Joggingbahn und Disco, samt Hotel mit Kongresszentrum und eleganten Geschäften in überdachten Ladenpassagen. Zusätzlich ein Seniorenheim, eine Klinik mit Schwerpunkt Altersforschung, eine Prachtstraße im Arkadenumgang mit Cafés und exklusiven Geschäften. Und als Krönung: diverse Penthäuser samt Swimmingpool auf dem Dach des ehemaligen NS-Baus. Die Nürnberger CSU, notiert Schmidt, fand die Idee zwar "prinzipiell richtig", votierte am Ende aber auch gegen die Pläne. Man fürchtete eine wirtschaftliche Fehlentwicklung für die Stadt.

NS-Kongresshalle in Nürnberg: 50 000 Menschen sollten nach den Plänen der Nationalsozialisten in der gewaltigen Kongresshalle Platz finden.

50 000 Menschen sollten nach den Plänen der Nationalsozialisten in der gewaltigen Kongresshalle Platz finden.

(Foto: Museen der Stadt Nürnberg/oh)

Der wichtigste Mieter des Baus - verniedlichend auch "Kolosseum" genannt - war lange das Versandhaus Quelle, das etliche tausend Quadratmeter als Lagerfläche nutzte. "Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt", kommentiert das der Historiker Hans-Christian Täubrich, ehemaliger Leiter des Dokuzentrums: Immerhin war der Firmengründer Gustav Schickedanz anerkannter Arisierungsgewinnler.

Sinnvolle Nutzungen aber gab und gibt es auch. Von 1962 an wurde der Bau als Quartier fürs Fränkische Landesorchester genutzt, heute musizieren die Nürnberger Symphoniker in einem Teil des Hauses. Und seit der Eröffnung des Dokuzentrums 2001 erntet die Stadt viel Anerkennung. Das "eisige Schweigen über die historischen tausend Jahre" hat seither ein Ende.

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