Nike Wagner im Profil:Stachel im Fleisch der Wagner-Familie

Sie gilt als die Intellektuelle im Wagner-Clan und will die Verstrickung ihrer Familie mit Hausfreund Hitler schonungslos aufdecken. Doch auf dem Grünen Hügel in Bayreuth bleibt Richard-Wagner-Urenkelin Nike ungehört.

Helmut Mauró

Sie gilt als die Intellektuelle im Wagner-Clan, und obwohl die Theaterwissenschaftlerin und Weimarer Festivalchefin Nike Wagner, wie sie selber sagte, das Geschehen in Bayreuth eigentlich nicht mehr kommentieren will, hält sie weiterhin nicht hinterm Berg mit ihrer fundamentalen Kritik an der Nachlassverwaltung ihres Urgroßvaters, des Komponisten Richard Wagner.

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101. Festspiele: Nike Wagner trifft in Bayreuth ein.

(Foto: dpa)

Zum einen ist es ihr ein Bedürfnis, die Verstrickung ihrer Familie mit Hausfreund Hitler schonungslos aufzudecken. Zum anderen sieht sie das Erbe ihres Vaters, des Regisseurs Wieland Wagners, der durch seine künstlerische Arbeit das Neu-Bayreuth nach dem Krieg begründete, von dessen Bruder Wolfgang zerstört, der nach dem frühen Tod von Wieland die alleinige Leitung der Bayreuther Festspiele innehatte; bis zu seinem Tod 2010.

Die Familie Wieland Wagners musste Nike zufolge sofort nach dessen Tod aus der Villa Wahnfried ausziehen. Dass Nike Wagner beim Streit um die Nachfolge der Festspiel-Leitung gegen Wolfgangs Töchter Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner zurückstecken musste, hat sie nie wirklich akzeptieren wollen. Zu sehr ist ihr das Haus Wagner weiterhin persönliches und historisches Anliegen.

Schon zu Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts mahnte sie eine vernünftige Nachfolgeregelung an und warf ihrem Onkel Wolfgang Wagner vor, der jüngeren Generation und insbesondere der Familie Wielands die Mitwirkung an einer erneuerten Festspielleitung zu versagen.

Nike wollte, zuletzt im Verbund mit Gerard Mortier, weg vom eingespielten Repertoire-Betrieb und neue Konzepte verwirklicht sehen, die Musik auch anderer Komponisten einschlossen. Damit hatte sie keinen Erfolg, sondern musste erleben, dass ihr Wort in Bayreuth immer weniger galt. Stattdessen bemühte sich Wolfgang, seine spätgeborene Tochter Katharina ins Amt zu heben, was ihm aufgrund eines sehr zu seinen Gunsten formulierten Vertrages mit dem Freistaat Bayern, der Stadt Bayreuth und dem Bund auch gelang.

Nike Wagner blieb ungehört zurück, sie ist beinahe zwei Generationen älter als Katharina, wurde 1945 in Überlingen als drittes von vier Kindern Wieland Wagners geboren. 1946 zog die Familie zurück nach Bayreuth, wo Wieland zusammen mit Wolfgang die Festspiele leitete: Wieland künstlerisch und als Regisseur, Wolfgang kaufmännisch. Nike studierte in Berlin, Paris, Chicago und Wien, promovierte über Karl Kraus, arbeitete journalistisch und akademisch, ist in zweiter Ehe mit dem Musikwissenschaftler Jürg Stenzl verheiratet und leitet seit 2004 das Kunstfest Weimar.

In ihrem Buch "Wagner Theater" von 1998 befasste sie sich mit ihrer Großmutter und Bayreuther Festspielchefin Winifred Wagner - Tochter des englischen Journalisten John Williams und Ziehtochter des Wagner-Enthusiasten Karl Klindworth, die wegen ihrer Freundschaft mit Adolf Hitler bis heute den größten Schatten auf Bayreuth wirft.

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