Nicht genügend Studienplätze:Schwierige Suche nach dem Master

Überfüllter Audimax zum Semesterbeginn in der Münchner LMU, 2011

Andrang im Hörsaal: Die Suche nach einem Masterstudium gestaltet sich für viele Studenten zur Tortur.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nach dem Bachelor ist für viele Studenten Schluss und das liegt nicht etwa daran, dass sie schon fertig ausgebildet sind. In beliebten Fächern gibt es einfach nicht genügend Plätze für zukünftige Masterstudenten. Jetzt wollen sich die Studenten wehren.

Von Martina Scherf

Psychologen müssen sich im Deuten von unklaren Aussagen üben, das gehört zu ihrem Beruf. In ihrer Ausbildung halten sie sich aber lieber an klare Ansagen. Doch viele Psychologiestudenten sind verunsichert, sie betrachten die Suche nach einem Masterplatz als Glücksspiel. "Man ist auf Gerüchte angewiesen", sagt Mareike Lutz, Studentin im fünften Semester an der Uni Erlangen. Sie will unbedingt den Master machen wie die Mehrheit ihrer Kommilitonen. Aber es gibt zu wenige Plätze. "Der Numerus Clausus ändert sich von Semester zu Semester. Und jede Uni hat eigene Anforderungen. Da soll sich einer auskennen".

Wer Therapeut werden will, braucht den Master. Daran schließt sich eine mindestens dreijährige Fachausbildung an. So steht es im Bundes-Therapeutengesetz. Doch viele Studenten finden derzeit keinen Masterplatz. Hannah Weiskopf steckt in einer Sackgasse. Mit einer 1,6 im Abitur wurde sie vor drei Jahren zum Studium in Erlangen zugelassen, absolvierte den Bachelor - und jetzt geht es nicht weiter. Die 22-Jährige hatte sich an drei Unis für den Master beworben. In Erlangen und Jena scheiterte sie am NC von 2,0. In Bamberg schrieb sie den Eignungstest, da kamen Fragen zu spezieller Fachliteratur, die sie in Erlangen gar nicht kennengelernt hatte. "Kein Mensch kann aber alle Bücher gelesen haben", sagt die Studentin ratlos.

Unis bevorzugen eigene Bachelors

Dass Universitäten mit solchen Eignungstests ihre eigenen Bachelors bevorzugen, auch in anderen Fächern, ist ein offenes Geheimnis. "Das Bologna-System sollte die Abschlüsse europaweit vereinheitlichen", sagt Lutz, "doch nun kann man nicht mal an die Nachbar-Uni wechseln". Denn dann geht das Verwirrspiel erst los: "An der LMU werden für den Master 15 ECTS-Punkte in klinischer Psychologie gefordert, der Bachelor in Erlangen umfasst nur zehn, die LMU will 15 Punkte in Neuro- oder Biopsychologie, in Erlangen sind nur fünf vorgesehen. In Würzburg braucht man je drei Punkte aus Physiologie und Neuroanatomie, die in unserem Studienplan gar nicht vorgesehen sind", sagen die Studentinnen frustriert. Kampf um Punkte statt Erkenntnis, das ist eines der Ergebnisse von Bologna.

"Da geraten zwei Prinzipien in Konflikt", meint Sabine Weinert, Psychologieprofessorin in Bamberg: "Einerseits sollen Hochschulen Profile bilden, andererseits sollen die Abschlüsse überall anerkannt sein". Weinert kritisiert zudem den "Noten-Wahnsinn" in ihrem Fach. Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Jürgen Margraf, stellte kürzlich fest: "Wegen des sehr hohen Numerus Clausus bekommen wir die Besten der Besten und können ihnen dann nicht garantieren, dass sie ihr Fach zu Ende studieren können. Wir brauchen einen hundertprozentigen Übergang vom Bachelor- zum Master-Studium."

Nicht nur ein Problem der Psychologen

Im Wissenschaftsministerium sieht man keinen generellen Mangel an Psychologie-Masterplätzen. Es wollten zwar viele, aber durchaus nicht alle Bachelors Therapeuten werden - schließlich böte auch die Wirtschaft attraktive Arbeitsplätze.

Das Masterproblem haben aber nicht nur Psychologen. Laut Ministerium gibt es im aktuellen Wintersemester bayernweit nur neun Masterstudiengänge mit NC. Aber das heißt keineswegs, dass alle anderen frei sind: im Gegenteil. Fast überall sieben die Universitäten ihre Kandidaten aus. Entweder über die Note, weil man "nur die Besten" haben will, oder über Eignungstests oder Bewerbungsgespräche. "Begrifflichkeiten und die Ausgestaltungen dieser Verfahren bleiben gelegentlich unklar", heißt es dazu in einer aktuellen Studie des bayerischen Instituts für Hochschulforschung (IfH). Auch das staatsnahe Institut kritisiert also die Unübersichtlichkeit der Masterzulassungen.

"Nach der Überprüfung Ihrer Zeugnisse müssen Sie in den meisten Fällen an einem Gespräch im Rahmen des Eignungsverfahrens teilnehmen. An der Fakultät Maschinenwesen ersetzt ein schriftlicher Test das Auswahlgespräch", steht zum Beispiel auf der Homepage der Technischen Universität München. Dort bewerben sich jährlich etwa 10 000 Bachelor-Absolventen, 5000 werden zugelassen. "Aber dann nehmen nur 3500 ihren Platz auch an", sagt Vizepräsidentin Regine Keller. An der Ludwig-Maximilians-Universität sieht es ähnlich aus. Kein Wunder: Weil es in Zeiten von Bologna keine Garantie mehr gibt, "durch zu studieren", sondern ein erneuter Kampf um die Plätze beginnt, bleibt den Kandidaten nichts anderes übrig, als sich mehrfach zu bewerben.

Diese Woche Demonstrationen

Wenn im nächsten Jahr die ersten Bachelor-Studenten des doppelten Abiturjahrgangs fertig werden, droht die Situation zu explodieren. Immerhin will das Wissenschaftsministerium dafür die Zahl der Master-Studienplätze aufstocken. 30 Millionen Euro sind vorgesehen - allerdings nur, wenn der Bund seinen Hochschulpakt verlängert. Darüber müssen die Länder mit der künftigen Berliner Bildungsministerin erst noch verhandeln.

Mareike Lutz werden solche Debatten nichts nützen. Sie hat sich einer Gruppe Erlanger Studenten angeschlossen, die eine Online-Petition in Gang bringen will. Die Landesstudierendenvertretung hat außerdem für diese Woche zu bayernweiten Demonstrationen aufgerufen. In Würzburg werden Studenten am Dienstag auf die Straße gehen. Während Bologna die Studenten schneller auf den Arbeitsmarkt bringen sollte, fühlen sie sich mit 21 Jahren und dem Bachelor in der Tasche nicht ausreichend ausgebildet: "Master für alle" steht auf ihren Plakaten.

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