Neuwahl:Martin Sichert führt die AfD

Der Bundestagsabgeordnete aus Nürnberg setzt sich beim Parteitag gegen einen Kandidaten aus dem gemäßigteren Lager durch. Er will die Rechtspopulisten zur zweitstärksten Kraft im Landtag machen

Von Johann Osel

Unter der Führung eines neuen Vorsitzenden zieht die bayerische AfD in die Landtagswahl kommendes Jahr. Der Nürnberger Bundestagsabgeordnete Martin Sichert, 37, wurde am Samstag beim Parteitag in Greding an die Spitze gewählt. Sein Ziel sei ein "transparenter und basisdemokratischer Landesverband", sagte Sichert der SZ. Man wolle "als zweitstärkste Kraft in den Landtag einziehen" - also die SPD überholen. Als Spitzenkandidat im Freistaat tritt Sichert nicht an, aber will das Team "mit aller Kraft unterstützen".

Die Wahl wurde in einer Kampfabstimmung entschieden - ein Kampf zwischen dem tendenziell konservativ-liberalen Lager und dem völkischen "Flügel", wie zuvor erwartet, blieb allerdings aus. Sichert ist im nationalkonservativen Lager zu verorten, mit Gefolgschaft noch weiter Rechtsaußen und besten Kontakten dorthin. Der Diplom-Kaufmann nennt sich selbst "freiheitlich, ohne richtiges Lager". Er stehe für "liberale Politik" und wolle trotzdem die "große Bandbreite in der Partei zu Wort kommen lassen". Der bisherige Vorsitzende Petr Bystron war nicht angetreten; er möchte sich auf seine Arbeit im Bundestag sowie womöglich im Bundesvorstand der Rechtspopulisten konzentrieren.

Parteitag der AfD Bayern

Fast 500 AfD-Leute trafen sich, um einen neuen Landesvorstand zu wählen. Bei den Rechtspopulisten werden nicht Delegierte geschickt, wie es bei anderen Parteien üblich ist, sondern die Mitglieder dürfen selbst abstimmen.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Man sei gespannt, wie viele in Greding "aus dem Busch springen und sagen: Hier bin ich", meinte ein AfD-Mann vor dem Wochenende. Die Parteitage sind unberechenbar, alle Mitglieder stimmen ab, nicht Delegierte wie bei anderen Parteien; und viele Kandidaten scheuen Öffentlichkeit. Bei der Listenaufstellung für den Bundestag im März wurde überraschend Schriftführer Martin Hebner der Spitzenkandidat, nicht Bystron. Hebner, dem zumindest Sympathien zum Flügel nachgesagt werden, ging nun auch als Parteichef ins Rennen. Der als moderat geltende Soldat und Bundestagsabgeordnete Gerold Otten sowie Oberbayern-AfD-Chef und "Flügel"-Mann Florian Jäger hatten ihre Kandidatur angekündigt, aber zurückgezogen. Dafür trat Werner Meier aus dem Kreisverband Amberg-Neumarkt an, bisher Mitglied im Landesvorstand. Er ist der gemäßigten Alternativen Mitte zuzurechnen. Als erster schied Hebner aus, Sichert gewann dann gegen Meier, mit 250 von rund 450 Stimmen. Der Rückhalt für Meier rührte wohl auch daher, dass an der Basis viele keinen Berliner Abgeordneter als Chef wollten. Schon sein Listenplatz fünf zur Bundestagswahl hatte aber gezeigt, dass Sichert über viele Anhänger verfügt.

Die Einordnung des Nürnbergers ist schwierig. Wegen der Nachbarschaft zu Thüringen, aber auch inhaltlich gibt es in Franken Nähe zur dortigen AfD, die vom rechtsradikalen Lager um Björn Höcke geprägt ist. Sichert stand mit Höcke auf Bühnen, stachelte in Erfurt eine "Merkel muss weg" brüllende Meute an. Fragwürdige Zitate, etwa über Wehrmachtsgeneral Rommel, werden ihm oft angelastet. Er habe "keine Berührungsängste, egal gegenüber welchem Repräsentanten der AfD", so Sichert. Eine Grenze am rechten Rand, wie von der Alternativen Mitte gefordert, ergebe sich dadurch, dass Ex-Mitglieder extremistischer Organisationen nicht aufgenommen würden; er wolle "eine Geselleschaft der Meinungsfreiheit". Wenn es Verbote gebe bei Debattenthemen, treibe das Leute aus dem demokratischen Spektrum.

Parteitag der AfD Bayern

Der bisherige AfD-Landeschef Petr Bystron (rechts) gratuliert seinem Nachfolger Martin Sichert zur Wahl. Er setzte sich in einer Kampfabstimmung durch.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Darüber hinaus gilt Sichert als pragmatisch, manche sagen karrieristisch; im Auftritt flott, kein grummeliger älterer Herr, wie es sie zahlreich gibt in der Partei. Das hat er mit Bystron gemeinsam. Sichert war vor seiner AfD-Zeit Mitglied der FDP sowie der SPD. Sein Steckenpferd ist Sozialpolitik: In seiner Bewerbungsrede warf er der bayerischen Regierung "asoziale Politik" vor, die massenhaft in Altersarmut münden werde. Voriges Jahr tingelte er mit dem Vortrag "Die soziale Alternative" durch Ortsverbände, rügte eine "Vollkasko-Rundumversorgung" für Asylbewerber, was "Rassismus gegen die eigene Bevölkerung" sei. In der AfD glauben einige, dass man mit dem Sozialpolitiker Sichert "auf die SPD losgehen muss", wie ein prominentes Mitglied sagt, diese "noch mehr marginalisieren als ohnehin". Hauptgegner sei die CSU, betont Sichert, er wolle "den Finger in die Wunde legen und klarstellen, was die alles vermasseln". Die Doppelbelastung aus Bundestag und ehrenamtlichem Vorsitz sei gut zu kombinieren, gerade wegen seiner innenpolitischen Fachthemen.

Bystron hatte vor knapp zwei Wochen in einem internen Rundbrief mitgeteilt: Der Vorsitz sei "ein Fulltime-Job", "dieses Pensum kann ich bei der Erfüllung meiner künftigen Aufgaben in Berlin nicht erbringen". Über den Nachfolger, zu dem ihm nicht das innigste Verhältnis nachgesagt wird, sagt der Ex-Parteichef: Sichert sei ein "Macher" und werde die Bayern-AfD voranbringen. Bystron war nie unumstritten, sein Führungsstil stand in der Kritik. Auch dass er bis vor kurzem wegen Sympathien für die als rechtsextrem eingestufte "Identitäre Bewegung" vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, erboste Gegner. Gleichwohl fuhr die Bayern-AfD unter seiner Ägide das beste Bundestagswahlergebnis in Westdeutschland ein. Bystron bestätigte, er werde im Dezember für den Bundesvorstand kandidieren.

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