Neuschwanstein:Reinemachen im Intrigantenschloss

Frust in der Belegschaft, Gerüchte über "gemobbtes Personal" und finanzielle Unregelmäßigkeiten: Hinter der malerischen Fassade von Schloss Neuschwanstein tobt ein heftiger Streit. Jetzt zieht die Bayerische Schlösserverwaltung Konsequenzen.

Andreas Ross

Als im Sommer 2010 Hubert Nikol seine Stelle als neuer Leiter von Schloss Neuschwanstein antrat, glaubte man bei der Bayerischen Schlösserverwaltung auf ein Detail noch ganz besonders hinweisen zu müssen. Mit dem in Marktoberdorf geborenen Nikol, so wurde damals mitgeteilt, habe erstmals ein gebürtiger Allgäuer diese reizvolle Aufgabe übernommen.

Schloesserverwaltung ermittelt auf Schloss Neuschwanstein

So wie die Nebel, waberten auch viele Gerüchte um Schloss Neuschwanstein. Eine interne Revision soll die kursierenden Vorwürfe aufklären.

(Foto: dapd)

So wie es derzeit aussieht, hat der Allgäuer dem in aller Welt bekannten Prachtbau im Ostallgäu kein Glück gebracht. Mehr noch, das Ansehen von Neuschwanstein steht auf dem Spiel, weil mit Nikols Amtsantritt offenbar auch ein Ungeist in das Märchenschloss von König Ludwig eingezogen ist.

Seit Monaten drangen üble Gerüchte über den Führungsstil und über "gemobbtes und frustriertes Personal" durch die dicken Schlossmauern nach außen. Auch ein anonymer Brief mit womöglich strafrechtlicher relevanten Vorwürfen kursierte. Darin war von finanziellen Unregelmäßigkeiten wie beispielsweise nicht abgerechneten Führungen die Rede.

Jetzt hat die Bayerische Schlösserverwaltung mit ihrem Präsidenten Bernd Schreiber offenbar die Notbremse gezogen. Von sofort an werden Sigrid Stache, die Leiterin von Schloss Linderhof, und Josef Streun, der Chef der Münchner Residenz, im Wechsel die Geschäfte auf Neuschwanstein führen. Und auch der Kastellan von Neuschwanstein hat mit dem Kollegen aus Linderhof einen Aufpasser an die Seite bekommen. Der bisherige Leiter Hubert Nikol ist auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben.

Im Juni hatte die Süddeutsche Zeitung erstmals über das schlechte Betriebsklima im Schloss berichtet. Es wurde viel erzählt, doch niemand wollte sich mit seinem Namen zitieren lassen - aus Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Selbst der Chef des Bezirks-Personalrats in München, Josef Binder, äußerte sich nur vorsichtig: "Die Stimmung im Schloss ist nicht gut." Es müsse etwas unternommen werden, damit sich das Personal wieder wohlfühle, sagte Binder.

Inzwischen hat wohl auch die Bayerische Schlösserverwaltung die kursierenden Vorwürfe nicht länger überhören können. Schließlich steht Neuschwanstein auch für Bayerns Schönheit in der Welt, da sind solche Nebengeräusche nicht erwünscht.

Interne Revision eingeleitet

Im Übrigen untersteht die Verwaltung dem bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU). Der könnte es vermutlich nicht lange ertragen, wenn man ihm nachsagen würde, ausgerechnet in Neuschwanstein nicht für Ordnung sorgen zu können.

Die Schlösserverwaltung hat jedenfalls eine interne Revision zu allen aufgeworfenen Fragen eingeleitet. Und im Landesamt für Steuern, wo der studierte Finanzwirtschaftler Hubert Nikol zuletzt gearbeitet hatte, wurden disziplinarrechtliche Vorermittlungen eingeleitet.

Über weitere disziplinarrechtliche Schritte und gegebenenfalls auch über strafrechtliche Konsequenzen soll nach Abschluss der internen Revision entschieden werden, teilte Präsident Bernd Schreiber in einer Presseerklärung mit. "Es ist das Ziel, die Situation vor Ort transparent und in vollem Umfang aufzuklären", schrieb Schreiber, der über diese Erklärung hinaus aber zu keiner weiteren Auskunft bereit war.

Man darf gespannt sein, ob unter der kommissarischen Leitung des Duos Stache/Streun die Mitarbeiter wieder vertrauen fassen und auch der hohe Krankenstand zurückgeht. Derzeit sind im Schloss 30 festangestellte Kräfte und 30 Saisonkräfte tätig.

Für den bisherigen Leiter Nikol könnte aber sein Traum vom Schlossherrn schon ausgeträumt sein. Im November 2011, als er gerade 100 Tage im Amt war, sagte er: "Man spürt die gewaltige Größe des Bauwerks. Hier will ich bleiben bis zur Rente. Eine Steigerung wäre sowieso nicht mehr möglich."

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