Neumarkt:Eine ganze Stadt unter Verdacht

Entmietung ist nie schön - und wenn es dabei um Ausländer geht, kommt noch eine ganz andere Dimension hinzu. Diese leidvolle Erfahrung machte eine ganze Stadt.

Ferda Ataman

Die Stadt Neumarkt hat es in der vergangenen Woche zu zweifelhafter Berühmtheit weit über die Grenzen der Oberpfalz hinaus gebracht: "Deutscher Hausbesitzer äußerst gnadenlos: Tortur für Türken", schrieb die liberale türkische Zeitung Milliyet.

Neumarkt: Nun ist alles gut: DieHürriyetmeldete das glückliche Ende der Mietaffäre.

Nun ist alles gut: Die

Hürriyet

meldete das glückliche Ende der Mietaffäre.

(Foto: Foto: SZ Repro)

Das Leitmedium der Türken, Hürriyet, brüllte in großen Lettern: "Quälerei für türkische Mieter". Manche türkischsprachige Zeitungen gingen soweit, die meist recht beschauliche Stadt mit den Schlagworten "Nazis", "NPD-Propaganda" und "Rassisten" zu beschreiben. Was war passiert?

Alle Artikel beschrieben den Fall der Familie Duruk aus Neumarkt, die im Schutt hausen müsse, da ihr neuer Vermieter das Haus rigoros renovieren lasse. Türen und Fenster seien herausgerissen.

Neben einem Foto von vier betrübten Familienmitgliedern war in der Hürriyet tatsächlich eine üble Baustelle als Behausung zu sehen. "Der Besitzer macht alles, um die Familie rauszuschmeißen", stand darunter, "dabei lebt sie seit 28 Jahren dort".

"Rein zivilrechtlicher Mietstreit"

Ende der Woche kam dann die Wende: "Familie davor gerettet, auf Baustelle zu leben", lautete die Schlagzeile im Europateil der Hürriyet. Auf dem Foto war Oberbürgermeister Thomas Thumann (UPW) zu sehen, wie er den diesmal lächelnden Duruks persönlich einen Wohnungsschlüssel und einen Mietvertrag für eine neue Wohnung überreicht.

Ein glückliches Ende also für die türkische Familie, die anscheinend seit Wochen unter ihrem Vermieter leiden musste. So zumindest die Interpretation der Medien.

Bei dem Vermieter handelt es sich keineswegs um einen ausländerfeindlichen Miethai. Vielmehr habe der Immobilienhändler tschechischer Abstammung mehrfach auch mit deutschen Vermietern Auseinandersetzungen geführt, berichtet Oberbürgermeister Thumann.

"Eigentlich ist das natürlich ein rein zivilrechtlicher Mietstreit." Doch die türkischen Medien hätten den Fall "höchst instrumentalisiert" und damit für politischen Wirbel gesorgt.

Darauf reagierte wiederum die Lokalpresse, die Mittelbayerische Zeitung schrieb: "Neumarkt wird europaweit als Nazi-Stadt präsentiert" und wies noch darauf hin, dass Hürriyet jeden Tag in einer Auflage von 550.000 Stück gedruckt werde.

"Prekäre Ausnahmesituation"

Tatsächlich beläuft sich die Auflage der Hürriyet in Europa nur auf ein Zehntel dessen. Gleichwohl riefen bei der Stadtverwaltung viele aufgebrachte Neumarkter an. Sie verwehrten sich gegen die Nazi-Vorwürfe, wie der Oberbürgermeister erzählt, so dass er sich gezwungen sah zu reagieren.

Ob er sich nun bei jedem Aufschrei der türkischen Presse beugen werde? Oberbürgermeister Thumann spricht von einer "prekären Ausnahmesituation". Familie Duruk habe wirklich sehr unter den Wohnumständen gelitten, an eine einstweilige Verfügung durch das Amtsgericht habe sich der Hausbesitzer jedoch nicht gehalten.

"Und wir können es nicht auf uns sitzen lassen, dass wir als ausländerfeindliche Stadt dastehen", sagt Thumann. Denn das sei Neumarkt nun mal überhaupt nicht.

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