Neues Buch über Sepp Daxenberger:Der gute Mensch von Waging

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Authentisch, ernsthaft und beharrlich: Mit seiner bodenständigen Art feierte Sepp Daxenberger in Bayern große Erfolge. Ein neues Buch zeigt den verstorbenen Grünen-Politiker von einer ganz neuen Seite, stellt sein Verhältnis zur Kirche dar - und erzählt die Geschichte von den im Landtag verschwundenen Würsten.

Hans Holzhaider

Aus dem Protokoll des Bayerischen Landtags, 19. März 1991:

Sepp Daxenberger verkörperte wie kaum ein anderer Politiker den gestandenen Volksvertreter, der die Interessen der einfachen Menschen nicht nur versteht, sondern auch verteidigt. (Foto: dapd)

Daxenberger (Die Grünen): "Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im Februar letzten Jahres zog über Bayern a Sturmkatastrophe von bisher nicht gekanntem Ausmaß hinweg. Vieles spricht dafür, dass es die ersten Anzeichen einer drohenden Klimakatastrophe san . . .

(Zuruf von der CSU: "Der hat die Hemdsärmel hochgekrempelt!" Abgeordneter Hiersemann (SPD): "Meinen Sie, dass die Ausführungen anders werden, wenn er die Ärmel runtertut?"

. . . hervorgerufen durch unseren ausbeuterischen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen.

(Unruhe)

Beruhigt's Eich, seid's friedlich, dann dauert's ned so lang.

(Fortgesetzte Unruhe, Glocke des Präsidenten)

Wenn's no stad seid's, dann derft's vielleicht morgn amoi von meiner Wurscht probieren.

(Heiterkeit. Fortgesetzte Unruhe. Zuruf von der CSU: "Wir verstehen nichts")

Des liegt hoffentlich net, Herr Kollege, an meiner Aussprache, weil i bin der Meinung, mir san im boarischen Landtag, und da wern mir ja noch hoffentlich einigermaßen Mundart reden dürfen.

(Abgeordneter Niedermayer, CSU: "Dagegen sagt niemand nix, aber gegen seinen Aufzug haben wir was.")

Wenn eahna mei Aufzug net gfallt, kenna mir uns an a anderen Stelle unterhalten. Aber i bin der Meinung, dass i a Vertreter des Volkes bin und net das ganze Volk so aufgeputscht umanandlaft.

Das war der erste große Auftritt des Abgeordneten Daxenberger, Landwirt aus Nirnharting im Kreis Traunstein. Immer, wenn er im Landtag ans Rednerpult ging, herrschte "Unruhe" bei den Abgeordneten der CSU.

Sie spürten: Das ist einer, der ihnen gefährlich werden könnte, einer, gegen den schwer anzukommen war, der aus der Mitte ihres vermeintlich ureigensten Stammlandes kam, der die Sprache der Menschen auf dem Land sprach und der ihr Vertrauen gewinnen konnte.

Abschied von Sepp Daxenberger
:"Du hast die Menschen wie kein anderer erreicht"

Drei Tage nach dem Tod von Sepp Daxenberger sind in Waging am See mehrere Hundert Menschen zu einem Trauergottesdienst zusammengekommen - und fanden bewegende Worte.

Für die Grünen in Bayern war Daxenberger ein Hoffnungsträger - eine charismatische Persönlichkeit, bodenständig, authentisch, ernsthaft, beharrlich. Wenn es je dazu kommen würde, dass die Grünen an einer bayerischen Staatsregierung beteiligt wären oder sie gar anführen würden, dann - das war klar - wäre Sepp Daxenberger der erste Anwärter auf ein hohes, oder sogar das höchste Amt in einer solchen Regierung.

Abschied von Sepp Daxenberger
:"Du hast die Menschen wie kein anderer erreicht"

Drei Tage nach dem Tod von Sepp Daxenberger sind in Waging am See mehrere Hundert Menschen zu einem Trauergottesdienst zusammengekommen - und fanden bewegende Worte.

Aber dazu sollte es nicht kommen. Am 15. August 2010 starb Sepp Daxenberg, nachdem er sieben Jahre lang unter großer Mühsal, aber niemals resignierend, gegen seine Krebserkrankung gekämpft hatte. Nur drei Tage vor ihm war seine Frau Gertraud ebenfalls an Krebs gestorben; binnen einer Woche hatten die drei Kinder Felix, Kilian und Benedikt beide Eltern verloren.

Es war eine Tragödie, die nicht nur bei Daxenbergers Freunden und politischen Weggefährten Bestürzung auslöste. Zu seiner Beerdigung in Waging am See kamen der Ministerpräsident und Mitglieder aller bayerischen Landtagsfraktionen, und die Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) sagte in ihrer Trauerrede: "Sepp Daxenberger war ein Mensch und Kollege, den ich gerne früher gekannt - und später verloren hätte."

In Daxenbergers Heimatgemeinde Waging ist jetzt ein Buch erschienen, das es möglich macht, den "Daxei", wie ihn seine Freunde nannten, auch nach seinem Tod noch ganz gut kennenzulernen. Es ist keine Biographie, eher eine Art Materialsammlung, aber eine, die einen sehr persönlichen, tiefgehenden und in manchen Aspekten durchaus überraschenden Zugang zur Persönlichkeit Sepp Daxenbergers ermöglicht.

Da sind zum Beispiel einige Gedichte, die Daxenberger in der von ihm mitbegründeten Schülerzeitung "Der Wecker" an der Berufsschule schrieb, oder sein Antrag zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, drei eng beschriebene Seiten lang, nach dessen Lektüre das Kreiswehrersatzamt auf die damals noch übliche mündliche Anhörung verzichtete und Sepp Daxenberger gleich als Verweigerer anerkannte: "Mein Glaube an Jesus Christus, mein Glaube an das Gute und Gerechte führten mich zu meiner Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst zu verweigern. Mein großes Vorbild ist Jesus Christus, nach dessen Worten und Taten ich stets versuche, mein Leben auszurichten."

Der christliche Glaube war für Sepp Daxenberger bis zu seinem Tod ein Trost und eine Richtschnur, mit der Kirche hatte er im Laufe der Jahre eher Probleme. Nach einem Vortrag bei der katholischen Landjugend hatte ihm ein Pfarrer zu verstehen gegeben, mit "so einem" wolle er nichts zu tun haben, jedenfalls wenn er in der falschen Partei wäre. Daraufhin hielt sich Daxenberger einige Jahre lang von der Kirche fern.

Als Bürgermeister von Waging - seine Wahl 1996 machte ihn mit einem Schlag zum bekanntesten grünen Politiker Bayerns - setzte Daxenberger seine Forderung nach mehr Transparenz und Bürgernähe mit großer Konsequenz in die Tat um.

Regelmäßig schrieb er Aufsätze für das von ihm geschaffene "Seeblattl", die Waginger Gemeindezeitung, viel Grundsätzliches über seine Vorstellungen von Kommunalpolitik und über das menschliche Miteinander in einer Gemeinde. Viele dieser Beiträge sind in dem Buch abgedruckt.

Dazu kommen einige Protokolle seiner Auftritte im Landtag (darunter auch das am Anfang dieses Artikels) und einige Manuskripte aus Daxenbergers Nachlass - die Geschichte mit den gestohlenen Würsten, die im Landtag aus seinem Rucksack verschwunden waren (auf dem Daxenberger-Hof in Nirnharting wurde auch geschlachtet), oder jene Episode, die Daxenberger vor allem bei jungen Leuten Respekt verschafft hatte: Das Jugendmagazin "jetzt" der Süddeutschen Zeitung hatte die jugendpolitischen Sprecher der vier Landtagsparteien zu Interviews in den Münchner Hofgarten gebeten, und am Nebentisch mit zwei Schauspielern eine Szene spielen lassen, in der ein Mann ein dunkelhäutiges Mädchen aufs Übelste rassistisch beleidigt.

Daxenberger war der einzige, der aufsprang und energisch dazwischen ging. "Ich machte dem jungen Mann klar", schreibt Daxenberger in seinen Erinnerungen, "dass ich so etwas nicht dulde und er gefälligst damit aufzuhören habe. Sonst könnte ich meine pazifistische Grundeinstellung kurz vergessen."

(Der Daxei. Liliom Verlag, Waging am See. ISBN 978-3-934785-62-5, 18 Euro.)

© SZ vom 27.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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