Neues Bayern-Magazin:Die Muh aus dem Ei

Globalisierte Heimatverbundenheit: Ein neues Magazin widmet sich bayerischen Aspekten - entstanden ist es in einem Pub in London.

Karl Forster

Print ist todgeweiht. Es lebe das Printmedium. Während auf Kongressen, Meetings und in Redaktionskonferenzen das große Sterben des gedruckten Zeitungsworts beklagt oder zumindest diskutiert wird, entschlüpfen immer wieder neue, verblüffende, manchmal sogar äußerst lesenswerte Magazine den Eiern, die in Entwicklungsredaktionen potenter Verlage gelegt wurden. Neon etwa, das Heft für Pubertierende jeden Alters, oder Brand 1, das in den Warteräumen jener Arztpraxen ausliegt, deren Klientel zumindest aus Halbintellektuellen besteht. Glaubt man dem Editorial der Nullnummer eines neuen Projektes, so entstand die Idee dafür nicht am Kickerkasten eines Kreativbüros, sondern in einer "Boazn in, ausgerechnet, London" - Zitat Ende. Das Œuvre heißt Muh. Nicht das Muh, nicht der Muh, sondern "MUH". In Versalien geschrieben.

Die muehsame Umstellung auf Oekolandbau

Nicht nur die Kuh macht MUH - auch die Macher des gleichnamigen Bayern-Magazins.

(Foto: dapd)

Nimmt man aus obigem Zitat die beiden Worte Boazn und London, lässt sich daraus schließen, dass es sich bei den Muh-Erfindern um Bayern handelt, die einen gewissen kosmopolitischen Touch pflegen. Und nimmt man nun die Null-Nummer des Projektes zur Hand, schämt man sich ein wenig, dachte man doch zunächst angesichts der Tatsache, dass dieses Heft den Untertitel "Bayerische Aspekte" trägt, es werde sich hierbei wohl wieder um so einen heimatabendlichen Schmarrn handeln wie so oft, wenn eine Publikation dem Bayerntum gewidmet ist. Doch schon Duktus und Länge des erwähnten Editorials lassen ahnen, dass, wer die MUH (das geht noch schwer in die Tastatur) lesen will, Zeit braucht und Liebe zum Skurrilen, ja manchmal gar zum Tiefgründigen.

Betrachtet man zunächst die Sozialisation der Muh-Macher, (den Scherz, dass normalerweise die Kuh Muh macht, verbraten sie selber), so reist man zunächst in Gedanken (und mit deutlichen Erinnerungen) ins Chiemgau, also jene Gegend Bayerns, die nicht nur die berühmtesten Dirndl-Schneidereien beherbergt, sondern in der auch - früher wenigstens - Diskotheken lockten wie etwa das "Orion" in Traunreut und, am Ostrand des Gäus, der berüchtigte "Seestadl", in welchem der Heimatkrimidichter Wolfgang Schweiger gerne so manchen Deal mit Rauschwaren aller Art passieren lässt.

Die MUH-Erfinder erwähnen allerdings in ihrer Null-Nummer das in München immer noch legendäre MUH nicht einmal als namensgleiches Phänomen aus der nicht allzu fernen Vergangenheit. Das lässt den Schluss zu, dass, als dieses Musikalische UnterHolz in der Hackenstraße in den Achtzigern dicht machte, sie entweder noch nicht geboren oder zumindest nicht aus dem Chiemgau heraus in die große Stadt gekommen waren.

Die im Impressum aufgeführten Namen sind in der Szene des Neo-Bavarismus nicht unbekannt. Da wäre, um nur einige zu nennen, Josef Winkler, ein Fachjournalist, pendelnd zwischen Palling und München, taz und Bayerischem Rundfunk. Oder Achim Bogdahn, einfühlsamer (manche sagen: arg einfühlsamer) Moderator diverser Bayern-2-Formate und seit perinatalen Zeiten Sechzger-Fan. Die Autoren Stefan Kuzmani oder Michael Sailer tauchen auch immer wieder in einschlägigen Publikationen auf. Und last but not least, wie der Bayer in London sagt, haben wir da Stefan Dettl, der schon als Jungspund eine klassische Trompeter-Karriere hinlegte wie einst der Stofferl Well und heute unter anderem als Frontbläser von LaBrassbanda fungiert.

Es ist also ein bisschen so, als würde, was in Filmen wie "Wer früher stirbt..." und in Musikformationen wie Kofelgschroa oder Zwirbeldirn an subversiver Arbeit gegen die Bayerntümelei über die letzten Jahre vorbereitet wurde, nun in gedruckter Magazinform eine Weiterführung erfahren. Womit man nun beim Inhalt wäre, der es in der Tat in sich hat. Allerdings sollte man mit allzu viel Euphorie vorsichtig sein, denn es könnte sein, dass, wie so oft in Null-Nummern ehrgeiziger Projekte, sehr viel Hirnschmalz einfließt, was die Gefahr in sich birgt, dass die Folgeprodukte nach den ersten Ausgaben dann an Saft und Kraft verlieren.

"Schaun S', waar jatz des ned wunderbar?"

Es geht also um Bayern. In jeder denk- oder undenkbaren Form. Hier eine Glosse über einen ausgewanderten Hersteller gebrannter Mandeln aus Florida, dort ein hoch amüsanter Aufsatz einer jungen Tierärztin über die Reaktionen der Bauern, wenn sie kommt, um einem Kalb auf die Welt zu helfen ("A Frau. In Gott's Nam', des aa no!"). Hier der Erlebnisbericht einer bayerischen Wahl-New-Yorkerin über das dortige Sportfreunde-Konzert, da ein Essay über das Komödienstadl-Image im Wandel der Zeit.

Interviews mit Hans-Jürgen Buchner über das Phänomen Haindling sind zwar ohne Zahl schon geführt worden, in diesem erfährt man trotzdem Neues (wenngleich nicht, warum sein Werbespot für die Bayernversicherung genauso klingt wie das Motiv vom "Kaiser von Schexing"). Es gibt eine etwas selbstreferenzielle Geschichte übers Bergwandern bei Morgennebel, ein Heimatgefühlinterview mit der Liedermacherin Claudia Koreck und hübsche Petitessen wie die Frage, ob es auf dem Mond Bayern gebe. Ja, gibt es, einen Krater, benannt nach dem Astronomen Johann Bayer aus dem Donau-Ries.

Natürlich schreibt Stefan Dettl auch was, und natürlich über den Alltag eines Trompetenbläsers, was allerdings nicht die stärkste Geschichte des Heftes ist. Diese Ehre gebührt einem gewaltig langen Stück mit dem Titel "Ausgredt?". Hierin beschäftigt sich die Autorin Barbara Höfler mit dem gefühlten Aussterben des bairischen Dialekts, intensiv und bestens recherchiert, überhaupt nicht larmoyant, dafür in herrlicher Sprache, die auch im Hochdeutschen den Dialekt nicht versteckt. Es kommen so gut wie alle Fachleute zu Wort, vom polternden Sprachwissenschaftler Bernhard Stör bis zum feingeistigen Briten Anthony Rowley. Und nicht zuletzt lernt der Bayer hier, dass sein Zamperl ein sprachlicher Gastarbeiter ist, er kommt aus Italien, von Zampa, die Pfote.

Am 25. März nun also wird es ernst für die MUH. Dann liegt bei 2300 Presse- und Buchhändlern und an 400 Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Flughäfen Heft Nummer eins aus. Es kostet 4,50 Euro, was angesichts des zu erwartenden Inhalts günstig ist. Die Gesamtauflage liegt bei 11.000, was angesichts der postulierten Lesefaulheit auch und gerade der Bayern optimistisch ist. Noch finden sich in der Null-Nummer viele schwarze Seiten, auf denen ein Strichmännchen lernt, wie man um Werbekunden wirbt ("Schaun S', waar jatz des ned wunderbar, wenn do iatz Eana Reklame steh daad?"). Auch was das Anzeigengeschäft angeht, gibt man sich hoffnungsfroh. "Wir würden uns über zehn Prozent freuen", mailt Geschäftsführerin Nicole Kling. Und wünscht sich zu allem auch noch eine MUH-kompatible Klientel.

Bleibt summa summarum der Wunsch, dass das bairische Print-Baby namens MUH wachsen und gedeihen möge. Schon wegen so wunderbarer Begriffe wie "Grünwalder Kaufmannsbairisch" und "Käferzeltchinesisch mit leicht weißblauem Touch."

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