Neuer Lehrplan für Grundschulen:Umstrittenes Abziehverfahren bleibt

Neue Grundschul-Lehrpläne

Erstklässler in Unterföhring bei München. An den rund 2400 bayerischen Grundschulen gilt ab dem kommenden Schuljahr ein neuer Lehrplan, zunächst für die ersten und zweiten Klassen.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

In Bayern gibt es einen neuen Lehrplan für Grundschüler. In Deutsch sollen die Lehrer künftig mehr Wert auf Rechtschreibung legen. Das umstrittene Abziehverfahren, mit dem Schüler im Freistaat seit zehn Jahren das Subtrahieren lernen, bleibt jedoch.

Von Martin Mühlfenzl

Ludwig Spaenle muss kurz überlegen. Ob er auch nach dem mittlerweile an Bayerns Grundschulen etablierten Abziehverfahren subtrahieren könne, wird Bayerns Kultusminister gefragt. Nach einem Moment des Innehaltens ist sich der CSU-Politiker sicher: "Natürlich." Diese Antwort ist gleichermaßen vorhersehbar wie verständlich, schließlich berührt sie einen sensiblen Punkt. Die vor zehn Jahren eingeführte Methode der Subtraktion für die Grundschüler, die das langjährig angewandte Ergänzungsverfahren ("eins gemerkt") ersetzt hat, ist nach wie vor in der Kritik - und sie bleibt Bestandteil des neuen Lehrplans, den Spaenle am Montag vorgestellt hat.

"LehrplanPlus" haben die 60 Experten die neuen Leitlinien für den Unterricht an den 2400 bayerischen Grundschulen getauft. Für den Kultusminister ist das neue Werk nichts weniger als ein "Quantensprung" der Bildungspolitik. Der neue Lehrplan wird zum Schuljahr 2014/15 zunächst nur für die ersten und zweiten Klassen eingeführt. Zum Schuljahr 2015/16 bekommt die Jahrgangsstufe drei einen neuen Leitfaden, im Jahr darauf wird auch die vierte Klasse einen neuen Lehrplan erhalten. Vor der Einführung wird aber noch eine Anhörung stattfinden, Verbände können dann ausführlich Stellung beziehen und Änderungsvorschläge einbringen.

Mit weitreichenden Änderungen rechnet Spaenle allerdings nicht: "Das Ergebnis der Arbeit kann sich wirklich sehen lassen." Die Einbeziehung aller Beteiligten bei den Leitentscheidungen sei aber enorm wichtig. "Wir haben mit der Einführung des G 8 unsere Erfahrungen gemacht. So etwas wird es nicht mehr geben." Somit sei der neue Lehrplan ein tatsächlicher Gegenentwurf, sagt Spaenle.

Er selbst will eine neue Form des Dialogs prägen, Entscheidungen bei Veränderungen und Vorgängen in der Schulfamilie besser erklären und insbesondere "verlässlicher handeln". Diese Spitze gegen seine Vor-Vorgängerin Monika Hohlmeier, die wegen der überhasteten Einführung des achtjährigen Gymnasiums in die Kritik geraten war, kann sich Spaenle nicht verkneifen. Zudem schließt er weitere "sprunghafte Einführungen" von wichtigen Veränderungen in seiner neuen Amtszeit aus.

Zwei Stunden Englisch

Den neuen Lehrplan preist Maria Wilhelm, Leiterin des Referats Grundschule im Bildungsministerium, mit einem Begriff: "kompetenzorientiert". "Es geht uns vor allem darum, nicht Fehler in der Vordergrund zu stellen, sondern intelligentes Wissen zu vermitteln", sagt Wilhelm. Dabei baue der Lehrplan auf einem ohnehin hohen Niveau an bayerischen Schulen auf. Wilhelm macht dies an einem Beispiel fest: Bayerische Schüler seien bereits nach sieben Wochen in der Lage, kleine Texte selbständig anzufertigen.

Ein zentraler Punkt stellt daher auch der Bereich Schrift dar. In Deutsch müsse noch mehr Wert darauf gelegt werden, dass Kinder von Beginn an richtig schreiben, sagt Wilhelm. "Fehler werden daher künftig schon früher korrigiert. Die Kinder sollen noch früher lernen, Silben richtig zu schreiben", sagt Wilhelm. Die Grundschrift, eine vom Grundschulverband entwickelte Variante der Druckschrift, die in mehreren Bundesländern erprobt wird, werde es indes auch künftig in Bayern nicht geben, sagt Spaenle: "Bayern favorisiert die Ausgangsschrift", also eine Form der Schreibschrift.

Ein Bestandteil des Lehrplans bleibt das Fach Englisch: Zwei Stunden in der Woche werden hierfür angesetzt, um den Kindern eine verlässliche Basis in der Fremdsprache zu vermitteln. Der Heimat- und Sachkundeunterricht wird vollkommen neu strukturiert, die Lehrer sollen mehr Freiheiten bei der Auswahl der Inhalte bekommen. "Tiere in der Wiese oder Hecke", benennt Referatsleiterin Wilhelm ein Beispiel. Es dürfe im Unterricht nicht um reines Vorbeten gehen: "Es ist nicht wichtig, dass Kinder alle Verkehrsschilder kennen. Sie müssen verstehen, was sie bedeuten."

Und auch die Lehrer sollen in eine neue Zeit mitgenommen werden: Die neuen Inhalte finden künftig Platz auf einer neu gestalteten Homepage. Dort können sich auch Eltern über den inhaltlichen Leitfaden des Unterrichts ihrer Kinder informieren; Lehrer haben auf unkompliziertem Weg Zugriff auf Unterrichtsmaterialien.

Vom Druck, der auf den Viertklässlern vor dem Übertritt lastet, will der Minister indes nichts wissen. Umfragen an Grundschulen hätten ergeben, dass Schüler mit dieser Situation nicht überfordert seien, sagt Spaenle. Und mit dem neuen LehrplanPlus werde sich daran auch nichts ändern. Kritik kommt von der Opposition. Spaenle habe erst die Öffentlichkeit über seine Pläne informiert und nicht das Parlament, sagt SPD-Bildungssprecher Martin Güll. Zudem fordert er die Abschaffung des Übertrittsverfahrens.

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