Neue Studie:Nur jede zweite Hilfesuchende kommt in einem Frauenhaus unter

Häusliche Gewalt, 2010

Frauenhäuser sollen Frauen und Kindern Schutz vor gewalttätigen Partnern gewähren.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In den Frauenhäusern in Bayern ist zu wenig Platz für Frauen, die Gewalt von Partnern ausgesetzt sind.
  • Mindestens 2000 Frauen müssen laut einer neuen Studie jedes Jahr abgewiesen werden.
  • Sozialministerin Müller kündigt nun ein neues Gesamtkonzept an.

Von Dietrich Mittler

Bayerns Frauenhäuser müssen mangels räumlicher oder personeller Kapazitäten jährlich bis zu 2000 Frauen abweisen, die partnerschaftlicher Gewalt ausgesetzt sind. "Der Bedarf an Frauenhausplätzen ist nicht ausreichend gedeckt", heißt es in einer neuen wissenschaftlichen Bedarfsermittlungs-Studie, die das Sozialministerium in Auftrag gegeben hat. Die Autorinnen der Studie gehen nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Zahlen davon aus, dass im Freistaat jedes Jahr "mindestens so viele Frauen von Frauenhäusern abgewiesen werden, wie darin aufgenommen werden".

Auch sonst kommt die Studie zu wenig beruhigenden Ergebnissen. Die Finanzierung dieser Schutz-Einrichtungen sei "vielfach nicht so ausgestaltet, dass eine Kostenübernahme für auswärtige Frauen problemlos gewährleistet" sei. Zudem seien viele Häuser auf das Einbringen von Spenden und Eigenmitteln angewiesen, um ihrer Arbeit nachkommen zu können.

Auch stünden für die Unterstützung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen, deren Mütter gewalttätigen Partnern ausgesetzt sind, zu wenig Möglichkeiten zur Verfügung - und das "sowohl im Frauenhaus als auch im vorhandenen System der Kinder- und Jugendhilfe". Von zeitnahen Therapiemöglichkeiten ganz zu schweigen.

Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU), die den Bericht jüngst im Sozialausschuss den Abgeordneten präsentierte, zeigte sich angesichts der nun vorliegenden Studie betroffen: "Es ist alarmierend, wenn jede zweite Frau in einer Notsituation abgewiesen werden muss."

Es bestehe eindeutig Handlungsbedarf. Zentrales Problem sei offenbar die Anzahl der Frauenhausplätze. Müller kündigte an, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden im Freistaat ein Gesamtkonzept entwickeln zu wollen. Auch die Wohlfahrtsverbände, so betonte Emilia Müller, sollten bei der Konzeption ein Wort mitreden.

Bei der Opposition stößt Müllers Ankündigung indes auf Kritik. Es dürfe nicht wieder alles auf die Kommunen abgeschoben werden, kritisierte etwa die Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan. Zugleich betonte sie: "Die Studie zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen." Ein Gesamtkonzept für Frauenhäuser sei überfällig.

Die SPD-Sozialexpertin Simone Strohmayr spricht gar von einer "Schande". Die finanziellen Mittel, die der Freistaat für die von Gewalt betroffenen Frauen ausgebe, reichten bei weitem nicht aus. Eine Aufstockung der Kapazitäten um 35 Prozent sei dringend erforderlich. "Nur 25 000 Euro erhält ein Frauenhaus durchschnittlich im Jahr", sagte Strohmayr.

Opposition fordert mehr Geld für die Einrichtungen

Die nun vorliegende Studie hat nach Aussagen der Ministerin "erstmals valide Daten und Fakten" zu dieser Problematik geliefert. Demnach seien jährlich rund 140 000 Frauen potenziell von körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihnen nahestehende Personen betroffen.

Nur jeweils drei Prozent dieser Frauen würden sich Hilfe suchend an Frauenhäuser oder Fachberatungsstellen wenden. "Derzeit gibt es in Bayern 426 Schutzplätze für Hilfe suchende Frauen und 504 Plätze für deren Kinder", teilte das Sozialministerium mit. 38 Frauenhäuser sowie 33 Frauennotrufe werden derzeit staatlich gefördert.

Die Studie liefert indes Belege dafür, dass neben Frauen mit Behinderung insbesondere Migrantinnen zu wenig Beistand finden - bei letzteren vor allem aufgrund von Sprachproblemen. "Die Hilfe für Frauen in einer Notsituation darf nicht an der Sprache scheitern, und deshalb fördern wir nun die Ausgaben für Dolmetscherkosten", sagte Müller - in diesem Jahr mit rund 200 000 Euro.

Die Opposition gibt sich damit nicht zufrieden. Die Zuschüsse für Frauenhäuser müssten massiv aufgestockt werden. Von den 140 000 in der Studie genannten Frauen würden 90 000 schwer misshandelt. "Die Zahlen der von Gewalt betroffenen Frauen sind erschreckend", hieß es.

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