Neue Richtlinie:Aufstand der Müllrebellen

Neue Richtlinie: Nahezu in ganz Bayern werfen die Bürger ihren Biomüll diszipliniert in dafür vorgesehenen Tonnen.

Nahezu in ganz Bayern werfen die Bürger ihren Biomüll diszipliniert in dafür vorgesehenen Tonnen.

(Foto: Peter Steffen/dpa)
  • Schon vor einem Jahr hätte eine EU-Richtlinie umgesetzt werden sollen, nach der Grüngut aus Gärten und Bio-Abfall aus der Küche getrennt zu entsorgen sind.
  • Viele Kreise und Kommunen testen verschiedene Systeme, um den Müll zu sammeln.
  • In Altötting wehrt sich der Landrat vehement gegen die Einführung einer Biotonne.

Von Matthias Köpf, Altötting

Viele Menschen in Bayern werden in den kommenden Monaten in ihren Küchen und Vorgärten Platz für einen zusätzlichen Müllbehälter suchen müssen. Denn eigentlich hätte schon zum vergangen Jahreswechsel überall eine EU-weite Richtlinie umgesetzt sein sollen, wonach neben dem Grüngut aus den Gärten auch der Bio-Abfall aus der Küche getrennt zu entsorgen ist. Doch während die einen Kartoffelschalen und Kaffeefilter schon seit Jahren in Biotonnen werfen, landen diese anderenorts noch oft im Restmüll.

Die Bezirksregierungen drängen die säumigen Kreise und Städte inzwischen mit Nachdruck zu einer Lösung, viele wollen nun Biotonnen einführen oder ihre Bürger verpflichten, den Biomüll an den Wertstoffhöfen abzuliefern. Nur der Landkreis Altötting verweigert sich weiterhin beiden Modellen und geht damit auf Konfrontationskurs mit der Regierung von Oberbayern.

Überlebensfrage für den Landrat

Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (CSU) hatte das Thema schon im Wahlkampf zur Überlebensfrage gemacht: Nur über seine Leiche werden in Altötting die Biotone eingeführt, hatte Schneider den gut 100 000 Bürgern versprochen - denn bei denen ist noch mehr Aufwand beim Mülltrennen nicht beliebt. Den Kreistag weiß Schneider hinter sich. Gerade hat die Mehrheit wieder beschlossen, dem Druck aus München nicht nachzugeben. Man zweifle an der strikten Auslegung dieser Rechtsnorm, sagt Schneider, und zwar "weil's ein Blödsinn ist". Aus Altöttinger Sicht ist das "soll" aus dem Gesetz ein "kann" und kein "muss", und genau so habe auch der örtliche Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) im Kreistag den Willen des Gesetzgebers erklärt.

Die Altöttinger verweisen auf ein Gutachten, wonach sie schon 85 Prozent des organischen Abfalls erfassen. Den weitaus größten Anteil kompostierten die Bürger in ihren Gärten selbst, ein kleinerer Teil werde in die Grüngut-Sammelstellen gebracht, sagt Landrat Schneider. Die restlichen 15 Prozent aus dem Hausmüll einzusammeln und zu einer Kompostierungsanlage oder zu einer Vergärungsanlage zu fahren, um daraus Biogas zu gewinnen, sei laut dem Gutachten für die Umwelt ein Nullsummenspiel und angesichts von Mehrkosten von etwa einer Million Euro für den Kreis und damit die Gebührenzahler ökonomisch unsinnig.

Die Müllgebühren sind in Altötting konkurrenzlos niedrig, denn hier sind die Wege zur 1994 gebauten Müllverbrennungsanlage in Burgkirchen denkbar kurz. Dort wird der Hausmüll von einer knappen Million Menschen verbrannt. Neben dem Kreis Altötting gehören dem Zweckverband die oberbayerischen Kreise Mühldorf, Traunstein, Rosenheim und Berchtesgadener Land sowie die niederbayerischen Kreise Dingolfing-Landau und Rottal-Inn an. Die Niederbayern haben längst Biotonnen, doch der Südosten Oberbayerns plagt sich mit gerade neuen Müll-Modellen.

Bring- und Holsysteme im Test

So hat Mühldorf eine "Projektphase" für ein Bringsystem beschlossen, bei dem die Bürger ihren Biomüll selbst an Sammelstellen abliefern. Solche Modelle erfassen in aller Regel sehr viel niedrigere Mengen als Biotonnen. Die Stadt und der Kreis Rosenheim experimentieren ebenfalls mit Bringsystemen, das Berchtesgadener Land hingegen arbeitet an einem Holsystem mit Biotonnen, wobei Landrat Georg Grabner (CSU) den ganzen gärenden Konflikt erklärtermaßen für aufgeblasen hält, denn "woanders geht's ja auch".

Zugleich verweist aber auch er auf ein Gutachten, wonach es im Berchtesgadener Land nur um drei Prozent des gesamten Müllaufkommens geht und der ökologische Gewinn der Biotonne schon aufgebraucht ist, wenn zu den 103 000 Einwohnern nur 50 neue hinzukommen. Der Landkreis Traunstein hatte längst eine Biotonne zum 1. Oktober beschlossen, doch seit der Kommunalwahl 2014 ist dort wieder alles offen.

Es gibt noch weitere Lücken in Bayern

Bayernweit gab es ähnliche Lücken wie im Südosten bis Jahresbeginn nur noch in der Oberpfalz zwischen Regensburg und Tirschenreuth sowie in Oberfranken rund um Coburg. Dort soll es ebenfalls überwiegend Bringsysteme geben, teilweise mit freiwilliger Biotonne - so wie in der Stadt Regensburg. Das Umweltministerium und sein Landesamt für Umwelt (LfU) wollen von Zweifeln an der Biomüll-Trennung nichts wissen. Den Biomüll zu verbrennen, verstoße gegen geltende Gesetze und vergeude wertvolles Potenzial zur Düngung und Regeneration des Bodens und auch zum Erzeugen von Biogas, sagt ein Sprecher des LfU.

Für den Altöttinger Landrat Schneider ist all das aber "nicht zu Ende gedacht". Denn Gärreste aus Biogas-Anlagen müssten bald ebenfalls verbrannt werden, vermutet er. Biobauern dürften sie - vor allem wegen der vielen kleinen Plastikreste - schon jetzt nicht auf ihren Feldern ausbringen, und konventionelle Landwirte ließen sich diese Art der Entsorgung teuer bezahlen. Schneider wartet nun darauf, dass die Regierung von Oberbayern für Altötting zwangsweise eine Biomüll-Trennung einführt - "und dagegen klagen wir dann".

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