Neue Fernsehserie:Twin Peaks in Oberbayern

Pressetermin am Set von âÄžWillkommen in HindafingâÄœ in der Boschetsrieder Str. 129. Leider keine Fotos bei Dreharbeiten, nur Gepose. Andreas Giebel war krank.

Mitten im Dreh: Maximilian Brückner, Petra Berndt und Katrin Röver spielen wichtige Rollen in der BR-Serie "Willkommen in Hindafing".

(Foto: Florian Peljak)

Ein Bürgermeister, seine Frau, der Biometzger - und ihre teils zwielichtigen Machenschaften im fiktiven Dorf Hindafing: Das sind die Zutaten für eine neue BR-Serie, die in München und Umgebung gedreht wird.

Von Stefan Sommer

Von der Terrasse des Luxuslofts in der Boschetsrieder Straße 129 sind hohe Fabrikgebäude, ein Supermarkt und ein fußballfeldgroßer Parkplatz zu sehen. Außenaufnahmen stehen im Motiv "Loft" in München Obersendling für "Willkommen in Hindafing" vermutlich nicht im Drehplan. Im mondänen Inneren der Dachgeschosswohnung - das volle Programm neureicher Dekadenz samt drei Meter langem Aquarium - dreht der Bayerische Rundfunk seit Juli einige Szenen der neuen Fernsehserie.

Nach einem Drehbuch von Niklas Hoffmann, Rafael Parente und Boris Kunz, der auch Regie führt, entsteht so in München und Umgebung momentan die sechsteilige Serie um den Bürgermeister Alois Zischl Junior (Maximilian Brückner), seine Frau Marie Zischl (Katrin Röver), den Biometzger Sepp Goldhammer (Andreas Giebel) und ihre - nicht immer legalen - Machenschaften. Die Serie um das fiktive Dorf Hindafing war vor zwei Jahren als Studien-Projekt von Studenten der Filmhochschule (FHH) München in Kooperation mit dem BR entstanden.

Hindafing sei ein kleiner Ort zwischen Ingolstadt und der tschechischen Grenze, erklärt Regisseur Boris Kunz. Ein Ort, der touristisch nicht erschlossen sei und jetzt ein neues Image aufbauen wolle, so Kunz weiter. Der Filmemacher, der schon mit seinem Abschlussfilm "Drei Stunden" 2012 bei den Internationalen Hofer Filmtagen auf sich aufmerksam machte, hat für das Dorf in den ersten sechs Folgen auch so einiges geplant: Bürgermeister Alois Zischl Junior hat zusammen mit dem Biometzger Sepp Goldhammer nämlich eine Idee, wie der kleine beschauliche Ort wieder auf die touristische Landkarte kommen könnte.

Nicht ganz ohne Hintergedanken planen die beiden Macher ein Shoppingcenter, das ganz auf die aktuellen Ökotrends ausgerichtet ist und wieder mehr Besucher nach Hindafing bringen soll. Als nun 50 Flüchtlinge in den kleinen Ort kommen, nimmt die Story eine radikale Wendung und gewinnt an Brisanz und Härte. Der Produzent und Co-Autor Rafael Parente fasst die narratorische Stoßrichtung der Serie zusammen: "Wir versuchen, aktuelle Themen zu streifen, politische Diskussionen anzureißen und unsere Figuren dabei zu begleiten, wie sie damit umgehen."

Auch das Figurenkonstrukt macht klar, dass es hier nicht um eine Heimatserie im klassischen Sinne geht: Neben einem homosexuellen Priester, der sich in einen Afro-Amerikaner verliebt, einem türkischen Polizisten, der preußisch-korrekt sein Dorf maßregelt, und den Ehefrauen der Macher-Männer, die systematisch Affären pflegen, ist die Hauptfigur, der Bürgermeister Alois Zischl Junior, auch noch schwer drogensüchtig. Lauter brisante Themen, Konstellationen und Diskurse also, für die dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen sonst oft der Mut fehlt. Referenzpunkte sind für die Produktion amerikanische Erfolgsserien wie "Breaking Bad", "House Of Cards" oder "Mr. Robot".

"Es geht ans Eingemachte"

Alois Zischl ist als eine für solche Serien typische ambivalente Figur angelegt - ähnlich einem Walt White aus "Breaking Bad" oder Francis Underwood aus "House Of Cards" immer zwischen gut und böse schwankend, immer haarscharf vor der Katastrophe. Eine Rolle, die Maximilian Brückner ganz schnell an diesem Projekt gereizt hat: "Im Grunde ist er ein guter Kerl. Aber er muss auch manchmal unsympathisch sein. Sonst spielt man nur so einen Budenzauber", sagt er. Brückner, der selbst schon im Gemeinderat seines Heimatdorfs Riedering saß, verkörpert den jungen Bürgermeister und will seiner Rolle Intensität und Tiefe verleihen: "Du musst die Szenen, die hart sind, auch richtig hart spielen. Wenn das nur so eine Gaudi-Nummer ist, wird es einfach langweilig. Hier geht's ans Eingemachte."

In Tonfall und erzählerischem Stil möchte die linear erzählte Serie um die Hauptfigur Zischl Junior wie ein Roman Kapitel für Kapitel den Mikrokosmos Hindafing nutzen, um satirisch und überspitzt über das Leben in der Provinz zu erzählen. Der Ansatz sei es, beschreibt Produzent Rafael Parente das künstlerische Konzept der Produktion, das Landleben satirisch, schwarzhumorig und modern zu beleuchten. Es solle um ein reales Bayern gehen, sagt Parente, fernab von Postkarten-Idylle, Holzvertäfelung und Alpen-Panorama-Ästhetik.

In der Geschichte um die Intrigen und Spielchen des Bürgermeisters kommen in "Willkommen in Hindafing" die kleinen Geheimnisse und vergrabenen Leichen der Dorfgemeinde wieder ans Licht: "Tagsüber trifft man sich im Hasenzüchterverein und nachts eben im Swinger-Club." Wie in David Lynchs Mystery-Serie "Twin Peaks" aus den Neunzigern verstecken sich auch hier einige düstere Rätsel hinter der idyllischen Fassade. Die Ausstrahlung der Serie im Bayerischen Fernsehen ist für das Jahr 2017 geplant.

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