Neue Fahrgeschäfte auf der Wiesn:Boarisch, zünftig, narrisch

Der Hirsch röhrt, der Berg ruft - und einen flauen Magen gibt's obendrein: Neue Fahrgeschäfte versetzen die Wiesn-Besucher in einen alpinen Höhenrausch. Doch das Oktoberfest hat auch gemütliche Seiten.

A. Becker

Christian Ude ist auch da. Direkt aus Berlin, wo er an einem Treffen der kommunalen Spitzenverbände teilgenommen hat, ist der Oberbürgermeister zum traditionellen Presserundgang auf die Wiesn geeilt. Ein paar Grußworte spricht er, dann begibt auch er sich ganz brav in die Hände derer, die das Oktoberfest maßgeblich betreuen. Allen voran ist das offenbar ein Mann, den viele an diesem Tag nur den "Kronprinzen" nennen: Wirtschaftsreferent Dieter Reiter. Anders als sein Vorgänger Reinhard Wieczorek ergreift er oft das Wort.

Neue Fahrgeschäfte auf der Wiesn: Das neue Fahrgeschäft "Rocket" ist nichts für Leute mit empfindlichem Magen.

Das neue Fahrgeschäft "Rocket" ist nichts für Leute mit empfindlichem Magen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Doch zunächst ist noch Tourismusamtschefin Gabriele Weishäupl an der Reihe, die erst einmal das neue Belustigungsgeschäft "Alpenrausch" vorstellt. Betreiber Michael Kollmann hat dafür die einstige Etagen-Anlage "Traumfabrik" komplett umgebaut und es ein modernes Laufgeschäft verwandelt, in dem es "boarisch, zünftig, narrisch!" zugehen soll. Die Menschen, die sich hier hineinwagen, setzen sich einem Lasertunnel aus, können auf einer Rutsche à la Toboggan schlittern und sich an Wasserspielen vor alpenländischer Optik ergötzen. Der Hirsch röhrt, der Berg ruft, der Bach rauscht - und dem einen oder anderen wird nach diesem Ausflug ins Hochgebirge, bei dem alle Klischees bedient werden, wohl ein wenig schwindlig werden.

Es geht aber durchaus noch schlimmer. Und zwar gleich in unmittelbarer Nachbarschaft, im "Rocket". Menschen, die darunter leiden, nicht schwindelfrei zu sein, sei an dieser Stelle von einer Fahrt in dem überdimensionalen Kettenflieger dringend abgeraten. Höhenrauschsüchtige könnten hingegen genau hier auf ihre Kosten kommen.

Vorstellen muss man sich dieses Ding in etwa so: Sechs Menschen nehmen in Gondeln Platz, die wie Raketen aussehen, werden damit in eine Höhe von 55 Meter befördert, wo sie dann noch in einer Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern und in einem Flugradius von 32 Metern ihre Runden drehen und bisweilen vergessen werden, wo sich Himmel und Erde gerade befinden. Denn diese Gondeln drehen sich auch noch einzeln um ihre eigene Achse.

Magenkranken sei dann doch lieber das Amazonas empfohlen - eine Art Abenteuerreise über drei Etagen, die an Wasserfällen und ausbrechenden Vulkanen vorbeiführt. Besucher müssen über Hängebrücken balancieren und vibrierende Böden überwinden. Wem allerdings Spinnen und Reptilien nicht ganz geheuer sind, dem ist ebenfalls Nervenkitzel garantiert: Denn es handelt sich hier um lebende Tiere, deren artgerechte Haltung aber streng vom Veterinäramt überprüft wurde.

Jubiläumsbier und Pferderennen

Wenigstens ist das Flusspferd nicht echt, in dessen Maul das Kassenhäuschen untergebracht ist. Zum Glück: Ihm hätte es wohl weniger gefallen, von Weishäupl immer wieder als "Krokodil" tituliert zu werden - erste Steilvorlage für Dieter Reiter, sich das Mikrofon zu schnappen und erst einmal die tierische Verwechslung richtig zu stellen.

Neue Fahrgeschäfte auf der Wiesn: Auf der historischen Wiesn steht das Velodrom.

Auf der historischen Wiesn steht das Velodrom.

(Foto: Stephan Rumpf)

Weishäupl lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Sie führt die 170 Anwesenden vorbei am "Geisterschloss" mit seinen lebenden Geistern, die sich schon mal in ihre Kostümen begeben haben, um so manch einen der Flanierenden mit Kettensägen und ähnlichen Geräten zu erschrecken. Vorbei geht es am Teufelsrad, das heuer seinen 100. Geburtstag feiert, an "Bossle's Teufelskerlen", ihren Monstertrucks und einem Mann aus San Diego, der dort mit einem Motorrad einen Salto rückwärts vorführt.

Am Riesenrad biegt Weishäupl dann nach links ab, hin zur Jubiläumswiesn, dem historischen Teil des Oktoberfestes - dessen Organisation aber nicht in den Händen ihrer Mitarbeiter gelegen hatte, sondern beim Festring und einem Arbeitskreis. Und hier schlägt denn auch Reiters große Stunde - er darf, zumindest scheint es so, überall auftreten. Beim Velodrom zum Beispiel ist er der Erste, der seine Geschicklichkeit auf dem Fassrad unter Beweis stellt. Bürgermeisterin Christine Strobls Sache ist dies weniger, sie kuschelt lieber mit einer Marionette, die hier, zusammen mit anderen Puppen, in einem eigenen Theater gezeigt wird.

Kulturellem hat sich auch das "Herzkasperlzelt" verschrieben, in dem auf zwei Bühnen und auf einer zusätzlichen im Biergarten, Literatur, Kabarett, Theater, Performance sowie junge Volksmusik, Tanz und urbane Lebensart am Nachmittag zu erleben sein werden. In einem "Tierzelt" erinnert der Bayerische Bauernverband zusammen mit dem Tierpark Hellabrunn an die Ursprünge des Oktoberfests, und im Museumszelt zeigt das Stadtmuseum Historisches von der Wiesn - zum Beispiel eine komplett erhaltene und üppig dekorierte Schiffschaukel aus dem Jahre 1925.

Und im Festzelt wartet dann neben Altmünchner Speisen auch das von den sechs Münchner Brauereien gemeinsam hergestellte Jubiläumsbier auf die Gäste. Höhepunkte werden aber die Pferderennen sein, die täglich um 13 und 18 Uhr stattfinden und mit denen die historische Wiesn morgen eröffnet wird - von Ude, nicht von Reiter. Der darf nämlich nur dabei sein.

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