Neu-Ulm:"Wir beobachten Umtriebe sehr genau"

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Der Bürgermeister von Neu-Ulm Noerenberg über die islamistische Szene - und den Schaden für den Ruf der Stadt.

Mike Szymanski

Seit den 90er Jahren hat sich in Neu-Ulm und Ulm eine Szene radikaler Islamisten verfestigt. Ranghohe selbsternannte Gotteskrieger predigten hier in Gebetshäusern. Auch Drahtzieher der jetzt vereitelten Terroranschläge pflegten ein Netzwerk, das auch nach Neu-Ulm reichte. Die SZ sprach mit dem CSU-Oberbürgermeister Gerold Noerenberg, 50, über das Terror-Image der Donau-Stadt.

Fordert mehr Integration: Der CSU-Oberbürgermeister von Neu-Ulm, Gerold Noerenberg (Foto: Foto: dpa)

SZ: Wieder einmal führen die Spuren radikaler Islamisten nach Neu-Ulm und Ulm. Warum treffen sich selbst ernannte Gotteskrieger denn so gerne in der Doppelstadt?

Noerenberg: Wir wären froh, wenn wir darauf eine Antwort hätten. Wir nehmen an, dass es mit der Infrastruktur zu tun hat. Neu-Ulm hat Anschluss an zwei Autobahnen und einer bedeutenden Bahnlinie zwischen Stuttgart und München. Außerdem suchen sich Kriminelle gerne kleinere Städte als Rückzugsräume aus. Einige wenige Drahtzieher kamen zufällig dann noch aus der Gegend.

SZ: Der Großraum Ulm/Neu-Ulm gilt seit Jahren als wichtiger Teil eines islamisch-extremistischen Netzwerkes. Wie groß schätzen sie die Szene ein?

Noerenberg: Zahlenmäßig kann ich das schlecht einschätzen. Aktiv sind offenbar nur sehr wenige. Die aber richten viel Unheil an, sei es etwa durch Hasspredigten. Solche hatten wir früher im Multikulturhaus. Die überwiegende Mehrheit der Gläubigen will damit aber nichts zu tun haben.

SZ: Das Multikulturhaus als Anlaufstelle für Fundamentalisten wurde 2005 geschlossen. Trotzdem nutzen mutmaßliche Terroristen weiterhin die Doppelstadt als ihren Rückzugsraum. Haben die Sicherheitsbehörden versagt?

Noerenberg: Das kann ich so nicht behaupten. Die Möglichkeiten, die die Behörden haben, wurden voll ausgenutzt. Mit der Schließung des Multikulturhauses sind die Strukturen stark geschwächt worden. Einige Personen haben sich ins Ausland abgesetzt, andere sind wohl nach Baden-Württemberg abgewandert. Ein gewisses Potential an radikalen Islamisten gibt es in Neu-Ulm aber noch. Die jüngsten Festnahmen haben gezeigt, dass der Staat handelt. Nur manchmal muss er erst länger zuschauen, dann, wenn man etwa auf Religionsfreiheit Rücksicht nehmen muss. Die Behörden der Stadt sind wachsam und beobachten radikale Umtriebe sehr genau.

"Integration heißt, dass sich alle Seiten aufeinander zubewegen müssen."

SZ: Dass sich eine solche Szene etablieren konnte, lässt vermuten, dass Integrationsbemühungen gescheitert sind. Hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren zu wenig um Ausländer gekümmert?

Noerenberg: Ich glaube nicht, dass wir zu wenig für Ausländer getan haben. Integration heißt, dass sich alle Seiten aufeinander zubewegen müssen. Wir müssen von Ausländern auch mehr Integration einfordern, als dies bisher geschah. Es gibt bestimmte Verhaltensregeln, die sind nicht verhandelbar. Dieses Signal müssen wir stärker setzen. Ein bloßes Nebeneinander der Kulturen und Parallelgesellschaften dürfen wir nicht zulassen.

SZ: Wenn über Neu-Ulm gesprochen wird, fallen häufig Begriffe wie Gotteskrieger, Top-Gefährder, Hassprediger - belastet dies das Zusammenleben der Kulturen?

Noerenberg: Mit der Schließung des Multikulturhauses gab es ein gewisses Erschrecken in der Stadt. Heute, würde ich sagen, ist die Diskussion schon etwas sachlicher. Trotzdem sind Meldungen von Terrornetzwerken in unserer Stadt geeignet, Stammtischparolen aufkommen zu lassen, die wir nicht hören wollen. Wir als Stadt suchen den Dialog mit den Religionen.

SZ: Neu-Ulm bekommt ein neues Zentrum und einen neuen Bahnhof. Machen die Terrorismus-Meldungen nicht all die Bemühungen um ein besseres Image wieder zunichte?

Noerenberg: Natürlich freue ich mich nicht über solche Meldungen. Ich denke aber nicht, dass unsere Stadt auf Dauer Schaden nimmt. Wenn sich die Wogen wieder glätten, wird auch stärker wahrgenommen, dass wir etwa eine sehr niedrige Arbeitslosenquote haben und ein sehr gutes Bildungsangebot. Das Positive überwiegt.

SZ: Nächstes Jahr erwartet die Stadt Tausende Gäste zur Landesgartenschau. Welchen Eindruck sollen die von ihrer Stadt bekommen?

Noerenberg: Es wäre schön, wenn der Gast mitnimmt, dass wir eine aufstrebende Stadt sind, die viele Entwicklungschancen bietet.

© SZ vom 10.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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