Neonazis in Bayern:Wenn Rechtsradikale sich im Dorf einnisten

Ein Neonazi in Oberprex, ein Rudolf-Heß-Gedächtniszentrum in Warmensteinach: Immer wieder drängen Rechtsextremisten nach Oberfranken und in die Oberpfalz. Wie sich die Kommunen gegen die Nazis wehren - ein Überblick.

Frederik Obermaier

Warnungen gibt es, Widerstand auch. Aber gelegentlich schaffen sie es trotzdem: Rechtsextreme kaufen in Bayern Immobilien und nutzen sie als Konzert- und Versammlungsstätten. Im oberfränkischen Oberprex (Landkreis Hof) zum Beispiel hat ein bekannter Neonazi im Frühjahr 2010 eine ehemalige Gaststätte gekauft. Seither finden dort regelmäßig Kameradschaftsabende statt, Ende Mai trat dort der verurteilte Münchner Rechtsterrorist Martin Wiese auf.

Oberprex Gemeinde Regnitzlosau Oberfranken

Das Gasthaus Egerländer in Oberprex hat ein Rechtsrocker gekauft. Dort verkehrt nun der verurteilte Terrorist Martin Wiese.

(Foto: www.seyboldtpress.de)

Die Gemeinde Regnitzlosau, zu der Oberprex gehört, steht dem Treiben hilflos gegenüber: "Das ist ein Haus wie jedes andere auch, insofern stößt man da an seine Grenzen", sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Kropf (Freie Wähler). Das Innenministerium antwortete auf eine Landtagsanfrage: "Es sind keine Ansätze für ein juristisches Vorgehen hiergegen ersichtlich."

60 Kilometer von Oberprex entfernt, in Warmensteinach (Landkreis Bayreuth), werden die Rechtsextremen es wohl nicht schaffen sich einzunisten - zumindest nicht im Gasthaus Puchtler. Weil die NPD das Wirtshaus mitten im Zentrum des 2200-Einwohner-Dorfes zu einem "Rudolf Heß-Gedächtnis- und Dokumentationszentrum" und umliegende Grundstücke zu einem "Siedlungsprojekt für nationale Familien" machen wollten, will die Gemeinde das Anwesen kaufen.

Der Interessent, der ehemalige NPD-Vize Jürgen Rieger, ist zwar mittlerweile gestorben, doch die Kommune will das Anwesen trotzdem erwerben, auch wenn sie schon jetzt mehr als fünf Millionen Euro Schulden hat. "Wir haben diesen Weg eingeschlagen, und wir werden ihn bis zum Ende gehen", sagt Bürgermeister Andreas Voit (CSU). Seine Botschaft ist klar: In Warmensteinach, wo die Menschen auch vom Tourismus nur noch mehr schlecht als recht leben, haben Neonazis nichts zu suchen - koste es, was es wolle.

Bayernweit versucht die NPD, Häuser zu erwerben (siehe unten). Die Bayern-NPD rief 2009 extra das sogenannte "Baustein-Projekt" ins Leben, um Immobilienkäufe zu finanzieren. Besonders in Oberfranken und der Oberpfalz, wo die Menschen lieber weg- als hinziehen, klagen die Kommunen. Mit Bekanntwerden der rechten Kaufpläne beginnt für sie eine Gratwanderung zwischen braunem Schein und echter Gefahr.

Keine finanzielle Hilfe von der Regierung

Denn oft handelt es sich nur um eine perfide Masche von Hauseigentümern, um den Preis für ihre Altimmobilien in die Höhe zu treiben. Im thüringischen Jena hat der NPD-Kreisverband früher sogar im Internet gegen Zahlung einer Spende die "Vermittlung" bei Immobiliengeschäften angeboten. Manchmal jedoch stimmen die Gerüchte auch - und Rechtsextreme wollen tatsächlich kaufen. "Hundertprozentig sicher sein kann sich eine Gemeinde nie", heißt es aus dem bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. "Die Befürchtungen der Kommunen bestehen aber zu Recht."

In Oberprex war es bereits zu spät, als ein anonymer Anrufer die Polizei informierte: Der Neonazi und Rechtsrock-Musiker Tony Gentsch hatte das ehemalige Lokal "Zum Egerländer" unter dem Namen seiner Mutter gekauft. Angeblich hat Gentsch die Gaststätte samt Garten nur 7000 Euro gekostet. Der Gemeinde Warmensteinach hingegen wurde im Sommer 2008 ein notarieller Kaufvertrag vorgelegt, der sich in anderen Größenordnungen bewegte: Die "Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Ltd." wollte demnach für 1,84 Millionen Euro den Traditionsgasthof Puchtler kaufen. Vertreten wurde die Stiftung wieder vom NPD-Vize Rieger.

Die Bevölkerung demonstrierte gegen die Neonazis, und die Gemeinde beschloss, das Vorkaufsrecht für den Gasthof auszuüben. Bis heute konnte sich die Kommune jedoch nicht mit dem Verkäufer, einem Wirtschafts- und Rechtslehrer aus München, einigen. 228.000 Euro hat Bürgermeister Voit dem Verkäufer angeboten, der aber will mehr.

Schon länger interessieren sich Neonazis speziell für Immobilien in Oberfranken und der Oberpfalz. Die rechte Szene ist hier stark, die Häuser sind billig, und die rechte Pilgerstätte des Rudolf-Heß-Grabs in Wunsiedel ist nah. Die 134 Kommunen der Metropolregion Nürnberg schlossen sich daher 2009 zur "Allianz gegen Rechtsextremismus" zusammen. Sie soll betroffene Gemeinden unterstützen.

Auf finanzielle Unterstützung der Staatsregierung, um Immobilien den Rechtsextremen vor der Nase wegzukaufen, können betroffene Gemeinden nicht hoffen. Einen Haushaltstitel mit der Zweckbestimmung "Verhinderung von Immobilienkäufen durch Rechtsextremisten" gebe es jedenfalls nicht, heißt es im Innenministerium.

Jedoch informiere die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus insbesondere über die Ernsthaftigkeit von öffentlich gemachten Kaufabsichten. Genug Geld für kleinere Immobilien hätten sowohl die NPD als auch einzelne Neonazis, heißt es in Sicherheitskreisen. "Ein Kauf in Bereichen von einer halben Million oder mehr ist aber auszuschließen."

Wie sich bayerische Gemeinden gegen die Nazis wehrten, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Neureichenau: Finten statt Fakten

Neureichenau: Finten statt Fakten

Gerüchte gab es in der niederbayerischen Gemeinde Neureichenau reichlich, ob sie auf Tatsachen beruhten, ist bis heute unklar: Neonazis interessierten sich für das Restaurant im ehemaligen Wellenbad des Ortsteils Altreichenau, hieß es. Auch das Rosenberger Gut, eine ehemalige Jugendherberge, wollten Rechtsextreme angeblich gerne kaufen. Die Gemeinde war aufgeschreckt.

Ein Ankauf der Gebäude, um den Neonazis zuvor zu kommen, kam jedoch für Bürgermeister Walter Bermann nicht in Frage. Tatsächlich haben die Rechtsextremen bis heute keine der beiden Immobilien in dem Erholungsort gekauft. "Das war alles nur eine Finte, um den Preis in die Höhe zu treiben", ist sich Bermann sicher.

Wunsiedel: Autos statt Rechtsradikale

Wunsiedel: Autos statt Rechtsradikale

Gleich zweimal versuchte die NPD, im oberfränkischen Wunsiedel Häuser zu kaufen, beide Male konnte die Stadt dies verhindern. 2006 wurde bekannt, dass NPD-Vize Jürgen Rieger über einen Mittelsmann ein leerstehendes Möbelhaus kaufen will.

Die Stadt überredete den Eigentümer, nicht an die Neonazis zu verkaufen. Der vereinbarte Deal: Die Kommune sucht einen Käufer. Findet sie keinen, kauft sie das Haus selbst. Ein Autohaus hat das Gebäude schließlich gekauft. Zwei Jahre später kündigte Rieger an, im Gaststätten-Komplex "Waldlust" nahe der Luisenburg ein "Rudolf-Heß-Gedächtniszentrum" eröffnen zu wollen. Die Stadt kaufte das Gebäude daraufhin für etwa eine Million Euro selbst.

Grafenwöhr: Kinder statt Extremisten

Grafenwöhr: Kinder statt Extremisten

500.000 Euro wollte die NPD 2005 angeblich für eine ehemalige Tennishalle im oberpfälzischen Grafenwöhr zahlen. Das Gebäude sollte als Veranstaltungsort für künftige NPD-Landesparteitage dienen. Zum Kauf kam es jedoch nicht. Aus Angst vor einer "national befreiten Zone Grafenwöhr", wie sie die NPD bereits großspurig angekündigt hatte, zog die 7000-Einwohner-Stadt alle Register.

Erst änderte der Stadtrat den Flächennutzungs- und Bebauungsplan des Grundstücks, dann nahm die Stadt ihr Vorkaufsrecht wahr. Die Kommune zahlte etwa eine halbe Million Euro für die Immobilie und richtete dort einen überdachten Spielplatz ein. Statt Neonazis spielen dort nun Kinder.

Cham: Flutschutz statt Neonazis

Cham: Flutschutz statt Neonazis

Im Kampf gegen Neonazis setzte die Stadt Cham auf den Hochwasserschutz: Um zu verhindern, dass die NPD eine alte Diskothek kauft, machte die oberpfälzische Kommune 2006 von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Offizielle Begründung: Das Grundstück nahe dem Fluss Regen werde für den Schutz vor Hochwasser benötigt.

Zum Entsetzen der Kommune hatten Neonazis zuvor bereits mehrmals Rechtsrock-Konzerte in dem Gebäude veranstaltet. Die NPD kündigte an, das Haus für 1,2 Millionen Euro kaufen zu wollen. Die Stadt zahlte am Ende etwa 860.000 Euro für das Gebäude. Es beherbergt mittlerweile die Chamer Außenstelle der Fachhochschule Deggendorf.

Postbauer-Heng: Gerüchte statt Rechte

Postbauer-Heng: Gerüchte statt Rechte

Eine Niederlassung für "nationale Familien", umschlossen von einem "Sicherheits- und Sperrbereich" wolle er im "Berghof" im oberpfälzischen Postbauer-Heng errichten, verkündete der Nürnberger-NPD-Funktionär Rainer Biller 2010. Wenige Wochen später ging das leerstehende Gebäude in Flammen auf - Brandstiftung, der Täter wurde bis heute nicht ermittelt.

Biller hielt an seinen Plänen fest, er stehe weiter in Verhandlungen. Der Eigentümer, ein Unternehmer aus Hof, betont jedoch: "Ich habe mit der NPD keinen Kontakt, und ich will auch keinen Kontakt haben." Der Bürgermeister der 7000-Einwohner-Gemeinde, Horst Kratzer (CSU), ist überzeugt: "Die NPD wollte nur Unruhe stiften."

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