Neonazis: Attentat auf Passaus Polizeichef:Was läuft in Traudl's Café?

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Auf rechtsextremen Webseiten feiern Neonazis den Anschlag auf den Passauer Polizeichef. Auch in Bayern sprechen Experten von einer zunehmend aggressiveren Szene.

Kathrin Haimerl

Hamburg, 1. Mai 2008. Brutale Straßenschlachten, wüste Schlägereien, Dutzende Verletzte. Die Aggressivität bei den Krawallen am 1. Mai schockte ganz Deutschland. Ein Block schwarz angezogener, vermummter Gestalten marschierte durch die Straßen. Die "Autonomen Nationalisten" suchten gezielt die Auseinandersetzungen mit der linken Szene. Später sagt die Polizei, sie habe Tote nur knapp verhindern können. Es ist die Rede von einer völlig neuen Dimension rechtsextremer Gewalt.

Zunehmend selbstbewussteres Auftreten: Rechtsextreme bei einer Demonstration. (Foto: Foto: dpa)

Fürstenzell, 13. Dezember. Ein Mann klingelt an der Tür des Passauer Polizeichefs Alois Mannichl. Er rammt ihn ein Messer in die Brust. "Viele Grüße vom nationalen Widerstand", soll der Glatzkopf dabei gesagt haben. Und: "Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum." Die Tat schockt ganz Deutschland. Eine solch brutale Messerattacke eines mutmaßlich rechtsextremen Täters auf einen Polizisten ist einzigartig in der Geschichte Bayerns. Eine völlig neue Dimension rechtsextremer Gewalt, sagen Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Ministerpräsident Horst Seehofer.

Der Bundestagsabgeordnete und FDP-Innenexperte Max Stadler folgt im Gespräch mit sueddeutsche.de dieser Sichtweise: "Ein Mordanschlag, noch dazu im Privatbereich, das ist in der Tat eine neue Dimension."

Am Montag hat die Polizei zwei Männer festgenommen. Mittlerweile hat sie diese aber wieder freigelassen. Der Verdacht gegen die beiden habe sich nicht erhärtet, teilte Passaus Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walch mit.

Nach wie vor ist unklar, ob der Täter im Fall Mannichl aus der rechtsextremen Szene stammt. Und - wenn ja - ob es sich bei der Tat in Passau um einen Einzelfall handelt.

Denn gerade in Bayern ist die Zahl rechtsextremer Gewalttaten nach Angaben des jüngsten Verfassungsschutzberichtes rückläufig. Und doch beobachten Experten, dass sich die Rechtsextremen hier zunehmend selbstbewusster präsentieren. Auch in Passau, sagt ein Mitglied des örtlichen Runden Tisches gegen Rechts, der die Szene regelmäßig beobachtet. Er spricht von einem offeneren und aggressiveren Auftreten in der Region.

Mannichl als Hassfigur

In Fürstenzell, Mannichls Heimatort, trifft sich die NPD regelmäßig zu Stammtischen. Auf den Internetseiten heißt es dann immer "im bekannten Café". Das ist kein geheimer Ort, jeder in Fürstenzell weiß, was damit gemeint ist: Das Traudl's Café, mitten auf dem Marktplatz. Gegenüber dem Café haben die Bürger ein Schild aufgestellt: "Kein Platz für Extremismus."

Nur wenige Meter entfernt davon geschah die Messerattacke auf Mannichl. Er war es, der Gastwirte in Passau über die NPD aufgeklärt hat, der es geschafft hat, dass die Partei in der Donaustadt selbst immer stärker isoliert wurde. Er hat auch daran mitgewirkt, dass die NPD keine Parteiveranstaltung in der Niederbayernhalle in Ruhstorf im Landtagswahlkampf abhalten durfte. Dafür hat die NPD in Fürstenzell, seinem Heimatort, eine neue Heimat gefunden. In Traudl's Cafe. Der Lebensgefährte der Eigentümerin steht nach Angaben des Fürstenzeller Bürgermeisters Franz Lehner der NPD nah.

Mit dieser Politik der Isolierung der Rechtsextremen hat sich gerade die Person Mannichl in der Passauer rechtsextremen Szene zu einer regelrechten Hassfigur entwickelt. Insbesondere auch die NPD, die sonst gerne in die Mitte der Gesellschaft marschiert, hat nach dem diesjährigen Volkstrauertag auf der Internetseite des Passauer Kreisverbands gegen den Polizeichef gehetzt.

In der Pressemitteilung fand sich auch folgender Satz: "Sichtlich verärgert, stellte sich nun Mannichl auf eine Grabplatte gefallener Soldaten und trampelt mit seinen Schuhen auf einem Gedenkgesteck herum." Eine Aussage mit frappierender Ähnlichkeit zu den Worten des Täters bei dem Attentat auf Mannichl. Am Samstag hat die NPD nach Angaben der Passauer Antifa diesen Satz aus der Mitteilung gelöscht, der örtliche NPD-Vorsitzende war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Lesen Sie auf Seite 2, was NPD-Chef Udo Voigt sagt.

In der rechtsextremen Szene feiert man im Netz das Attentat auf den Passauer Polizeichef als Erfolg. So schreibt im "Thiazi-Forum" ein Nutzer, der sich "antisem" nennt: "Wieder einer dieser Möchtegernwiesenthals...schön das er die Früchte seiner Arbeit zu schmecken bekommt....Ob nun Nazis oder nicht....den Falschen wird es wohl kaum getroffen haben!!!"

Der Anschlag findet mittlerweile auch internationale Beachtung: Im extremistischen amerikanischen Forum "Vanguard News Network" schreibt etwa ein Nutzer: "Wollen wir hoffen, dass deutsche Nationalisten hinter dem Anschlag auf den Verräter stecken. Das würde zeigen, dass unsere Kameraden auf dem richtigen Weg sind."

Ein anderer Nutzer postet im "Thiazi-Forum": "Ich frage mich nur immer wieder, wie sich denn manche hier eine Revolution und künftigen Umsturz vorstellen?!? Einerseits wird immer herumgeschrien und mit den bösesten T-Hemden auf der Straße herumgelaufen, andererseits aber sofort empört losgeschrien, wenn es dann wirklich mal einen Feind unseres Volkes trifft."

Feind des Volkes? Der Politologe Armin Glatzmeier, der an der Universität Passau im Bereich Rechtsextremismus lehrt, sagt dazu: "Man sieht in der rechtsextremen Szene ein deutliches Gewaltpotential, das dem politischen Gegner das Menschsein aberkennt." Zum anderen werde durch die Kommentare im Netz deutlich, dass die Gewalttat von einem erheblichen Teil der Nutzer befürwortet wird. "Das grundsätzliche Gewaltpotential, das in den letzten Jahren eher latent war, ist also nach wie vor gegeben", sagt der Wissenschaftler.

Ähnliche Beobachtungen schildert auch der Greifswalder Politikwissenschaftler Dierk Borstel. Er stellt auf rechtsextremen Internet-Seiten einen deutlichen Wandel im Tonfall fest. "In Foren werden Drohungen immer unverhohlener ausgesprochen", sagt er. "Ich glaube man kann inzwischen von einer Gewaltkampagne gegen diejenigen reden, die auf die Rechtsextremisten die höchste Repression ausüben können, die Polizei."

Politiker fordern energischen Kampf gegen rechts

Der FDP-Innenexperte Stadler fordert gegen den Attentäter "ein energisches Vorgehen mit allen Möglichkeiten, die die Polizei und die Justiz haben". Darüberhinausgehenden Handlungsbedarf hingegen sieht die bayerische Staatsregierung: Ministerpräsident Horst Seehofer will ein neues NPD-Verbotsverfahren prüfen.

Stadler dagegen zweifelt den Sinn eines erneuten Verbotsantrages an. Stattdessen sollte wesentlich mehr im Bereich der politischen Bildung Jugendlicher getan werden. "Das ist ein mühsamer Weg, aber den müssen wir gehen", sagte er. Auch sollten die bestehenden Aussteigerprogramme unbedingt aufrechterhalten bleiben.

Unterdessen haben sich die Passauer Bürger zu einer Spontandemo versammelt. Vom Zentralen Omnibusbusbahnhof ausgehend zog die Sympathiekundgebung für Mannichl mit Kerzen durch die Innenstadt.

Der Treffpunkt hat etwas Symbolisches: Früher stand dort die Nibelungenhalle. Diese musste die Stadt in der Vergangenheit immer wieder rechtsextremen Parteien für Veranstaltungen zur Verfügung stellen.

Mittlerweile hat sich auch NPD-Chef Udo Voigt zu Wort gemeldet: "Wer immer das Messer gegen den Passauer Polizeichef zückte, er hat nicht nur der NPD sondern dem gesamten nationalen Widerstand einen sehr schlechten Dienst erwiesen", schreibt er in einer Pressemitteilung.

Die Debatte über ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren jedenfalls ist bereits in vollem Gange.

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