Naturschutz:Spessart könnte dritter Nationalpark Bayerns werden

Beech Forests in the Spessart Mountains  Buchenwaelder im Spessart

Der unterfränkische Spessart ist reich an urtümlichen Buchen und sehr seltenen Tieren wie dem Eremiten und der Bechsteinfledermaus.

(Foto: Michael Kunkel / Greenpeace)
  • Einiges deutet darauf hin, dass der Spessart als dritter Nationalpark Bayerns ausgewiesen werden könnte.
  • Der größte Laubwald Deutschlands bietet seltenen Arten Lebensraum, aber vor allem ist er in Staatsbesitz.

Von Christian Sebald

Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), wonach der Freistaat einen dritten Nationalpark einrichten werde, ist der unterfränkische Spessart die erste Wahl für das neue Großschutzgebiet. Zwar hütet sich Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), das Wort Spessart auch nur auszusprechen.

Im Gegenteil: "Es gibt keine Festlegung auf eine Region in Bayern", betonte Scharf am Dienstag - getreu Seehofers Diktum, man werde vorab mit den Anliegergemeinden über den Nationalpark sprechen und ihn nur mit deren Zustimmung ausweisen. Aber vieles deutet darauf hin, dass der Spessart alleine schon aus fachlichen Gründen oben auf dem Aktionsplan stehen muss, den Scharf bis Ende der Sommerferien ausarbeiten will.

Der Spessart ist die größte zusammenhängende Laubwald-Region in Deutschland. Das 244 000 Hektar große Mittelgebirge erstreckt sich etwa 55 Kilometer südöstlich von Frankfurt und 40 Kilometer nordwestlich von Würzburg bis hin zum Vogelsberg und der Rhön. 70 Prozent des Spessarts liegen in Bayern, 30 in Hessen. Damit würde ein Nationalpark dort eine Vorgabe Seehofers erfüllen: Er könnte grenzübergreifend angelegt werden.

Viel wichtiger freilich ist, dass der Spessart sehr reich ist an alten Eichen- und vor allem Buchenwäldern, wie es auch im Spessartlied heißt: "Weißt Du, wo die Eichen trotzig ragen (. . .), wo die Buchen grüne Schirme tragen." Der Heisterblock im Hochspessart nahe Rothenbuch zum Beispiel: Hier ragen viele mehr als 400 Jahre alte Eichen und fast 200 Jahre alte Buchen in den Himmel. Damit ist das Gebiet eines der ältesten Wälder Mitteleuropas außerhalb der Alpen. Der nächste weitläufige Laubwald dieses Alters findet sich mehr als tausend Kilometer entfernt an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Der Heisterblock ist nur einer von vielen uralten Laubwäldern im Spessart.

Aber auch was die Artenvielfalt anbelangt, ist der Spessart sehr wertvoll. Experten haben hier alleine 394 auf Totholz angewiesene Käferarten nachgewiesen. Unter ihnen vom Aussterben bedrohte Arten wie den Eremit, der auch Juchtenkäfer genannt wird. Die Art kommt in den Höhlen alter Bäume vor und ist auf den Mulm angewiesen, der sich aus deren verrottetem Holz bildet. Nur in urwaldähnlichen und sehr naturnahen Wäldern gibt es Mulm in so großen Mengen, dass sich der Eremit wohl fühlt.

Aber auch sonst ist die Artenvielfalt im Spessart einzigartig: Nirgendwo in Bayern leben so viele Spechte wie im Spessart - ob es Bunt-, Schwarz-, Klein- oder die sehr seltenen Grau- und Mittelspechte sind. Sogar Mauersegler, die sonst nur in Städten anzutreffen sind, kommen hier vor, dazu Schwarzstörche, Habichte, Baumfalken und Kolkraben. Natürlich ist der Spessart reich an seltenen Fledermausarten, der Bechsteinfledermaus etwa. Viele Experten weisen denn auch schon seit Jahren darauf hin, dass der Spessart aus naturschutzfachlicher Sicht dem benachbarten Steigerwald ebenbürtig ist, wo schon seit bald zehn Jahren ein wüster Streit um einen Nationalpark tobt.

Welche Regionen noch in Frage kommen könnten

Es gibt freilich noch andere Regionen in Bayern, die für einen Nationalpark in Frage kämen. Das oberbayerische Ammergebirge steht dabei gewiss auf Rang zwei. Der 30 auf 30 Kilometer große Gebirgsstock erstreckt sich westlich von Garmisch-Partenkirchen bis Füssen und hinüber nach Tirol. Das Ammergebirge ist eine stille Gebirgsregion fernab von jedem Touristenrummel mit sehr weitläufigen Bergfichtenwäldern und einen großen Reichtum an ebenfalls seltenen Pflanzen und Tieren.

Ein Nationalpark im Ammergebirge wäre freilich nach dem Nationalpark Berchtesgaden der zweite Alpen-Nationalpark in Bayern und der zweite Nationalpark in Oberbayern. Allein deshalb dürfte die Region eher wenig Chancen haben. Auch wenn sich dort schon seit Jahren eine sehr rührige Initiativen für einen Nationalpark einsetzt und ein fertiges Konzept in der Schublade hat. Das gilt auch für das Karwendel, das ebenfalls bei jeder Nationalpark-Debatte genannt wird.

Ein wenig anders ist es um die Auwälder entlang der Donau und der Isar bestellt. Vor allem den Auwäldern zwischen Neuburg an der Donau und Ingolstadt mit ihrer Tierwelt sprechen viele Experten die Qualität für einen Nationalpark zu. Aber das Gebiet ist größtenteils in Privatbesitz, so dass es kaum in ein weitläufiges Schutzgebiet umgewandelt werden kann. Denn, auch das hat Seehofer klar gemacht, der neue Nationalpark wird auf Staatsgrund eingerichtet. Private Waldbesitzer müssen nicht befürchten, dass es ihre Wälder trifft.

Wie auch immer das Ringen ausgehen wird, am seinem Ende soll ein sehr weitläufiges Schutzgebiet stehen. So betonte Scharf am Dienstag, dass der neue Nationalpark wenigstens 10 000 Hektar umfassen wird. Zum Vergleich: Der Nationalpark Bayerischer Wald ist 24 222 Hektar groß.

Für den Großteil der Fläche wird der Grundsatz gelten: "Natur Natur sein lassen". Das heißt, die Naturschutzverwaltung wird auch dann nicht eingreifen, wenn Stürme oder Schädlinge in dem Schutzgebiet toben und die Wälder massiv schädigen. Zugleich betonte die Umweltministerin, dass ihr der Schutz der wenigen alten Buchenwälder in Bayern ein besonders Anliegen sei.

Experten bewerten das als weiteres Anzeichen dafür, dass sich die Debatte um den dritten Nationalpark in Bayern schon sehr schnell auf den unterfränkischen Spessart konzentrieren wird.

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