Naturschutz:Kommt der Wolf von Bad Kreuzen aus dem Bayerischen Wald?

Wolf

Der Wolf und seine Beute: In Bad Kreuzen hat das Raubtier einen Hahn gerissen.

(Foto: dpa)
  • Im oberösterreichischen Bad Kreuzen ist ein Wolf gesichtet worden.
  • Er verhält sich sehr untypisch - daher wird vermutet, dass es sich um eines der entlaufenen Tiere aus dem Bayerischen Wald handelt.
  • Der Wolf soll nun eingefangen werden.

Von Christian Sebald

Sanftes Hügelland, weitläufige Wälder, saftige Wiesen: Bad Kreuzen ist eine idyllische Gemeinde im unteren Mühlviertel östlich von Linz. Vor allem aber ist die oberösterreichische 2300-Einwohner-Gemeinde als Kneipp-Ort bekannt. Die Marienschwestern vom Karmel, die sich der Fürsorge für Bedürftige widmen, haben hier ein "Zentrum für traditionelle europäische Medizin" etabliert, in dem jedes Jahr Hunderte Gäste und Patienten Kraft schöpfen.

In diesen Tagen herrscht eine gewisse Unruhe in Bad Kreuzen. "Seit es sich herumgesprochen hat, dass hier ein Wolf unterwegs ist, ist das Thema im Ort", sagt der österreichische Wolfs- und Bärenexperte Georg Rauer. "Viele machen sich Sorgen, wie sich das weiterentwickelt."

Es ist nicht irgendein Wolf, der da nach Bad Kreuzen zugewandert ist. Es ist höchstwahrscheinlich einer der Wölfe, die Unbekannte vor zwei Monaten aus dem Wolfsgehege im Nationalpark Bayerischer Wald freigelassen haben. Insgesamt waren es sechs Raubtiere, die aus dem Gehege entwichen sind, nachdem jemand das Schloss an der Zugangstür geöffnet hatte. Eines wurde kurz nach seinem Entwischen von einem Zug erfasst, zwei wurden abgeschossen, ein Weibchen fingen die Nationalparkleute Mitte Oktober ein und brachten es ins Gehege zurück.

Nur von den beiden letzten Wölfen fehlte seit Wochen jede Spur, sodass im Bayerischen Wald schon Spekulationen kursierten, sie seien einem Wilderer zum Opfer gefallen oder eingegangen, weil der Winter für die nicht an ein Leben in Freiheit gewöhnten Tiere zu hart ist.

Nun also gibt es doch wieder Lebenszeichen. "Der Wolf ist in der zweiten November-Hälfte in Bad Kreuzen aufgetaucht", berichtet Rauer, "und mit seinem ungewöhnlichen Verhalten sofort aufgefallen." Das Raubtier marschierte am helllichten Tag ohne Scheu auf einen Bauernhof zu und riss dort einen Hahn. Mit der Beute im Maul stapfte er in aller Seelenruhe auf eine nahe Wiese und verspeiste sie dort. Dabei zeigte der Wolf keine Scheu vor Menschen und ließ sich nicht vertreiben. Angeblich beschnupperte er noch eine Katze, bevor er von dannen zog. Seither wird der Wolf immer wieder in der Umgebung von Bad Kreuzen gesichtet.

"Dieses Verhalten ist völlig untypisch, es hat gleich gezeigt, dass es sich nicht um einen wild lebenden Wolf handeln kann", sagt Rauer. Denn wilde Wölfe sind in aller Regel nur nächtens unterwegs. Außerdem sind sie extrem scheu und meiden Siedlungen und Menschen, sodass man sie praktisch nicht zu Gesicht bekommt. "Uns war von Anbeginn an klar, dass wir was tun müssen", sagt Rauer.

Der Wolf stammt vom Balkan

Als erstes schickte Rauer Federn des toten Gockels an ein Labor - für einen Gentest. Der ergab einen wichtigen Hinweis: Der Bad Kreuzener Wolf stammt vom Balkan. Dazu muss man wissen, dass wilde Balkan-Wölfe bisher weder bis nach Österreich noch nach Deutschland gewandert sind. Sie werden hier bislang nur in Gehegen gehalten, etwa in denen des Nationalparks Bayerischer Wald.

Für Rauer ist deshalb praktisch klar, dass der Bad Kreuzener Wolf einer der beiden Wölfe aus dem Nationalpark Bayerischer Wald ist. Die letzte Gewissheit soll ein weiterer Gentest erbringen. Auch Jörg Müller, der Vize-Chef des Nationalparks Bayerischer Wald, geht fest davon, dass es sich um eines der beiden noch fehlenden Raubtiere handelt. "Denn es passen ja noch weitere Details", sagt er.

Zum Beispiel der letzte Nachweis einer der beiden Gehege-Wölfe auf bayerischem Boden. "Das war in Tiefenbach bei Passau", sagt Müller. "Dort hat er ein Schaf gerissen." Von Tiefenbach nach Bad Kreuzen sind es nur gut 110 Kilometer Luftlinie. "Das ist ein Klacks für einen Wolf", sagt Müller. "Der läuft so schnell, wenn es sein muss, schafft er so eine Strecke in einer Nacht. Er muss ja nur flussabwärts die Donau entlang laufen."

Der österreichische Wolfsexperte Rauer betont derweil, dass der Bad Kreuzener Wolf unbedingt eingefangen werden muss. "Zwar haben wir bislang keinen Hinweis darauf, dass er aggressiv auf Menschen losgeht und deshalb eine unmittelbare Gefahr darstellt", sagt der Raubtierexperte. "Aber es weiß keiner, wie er sich entwickelt. Wenn so ein Wolf keine Scheu vor Menschen hat, ist das in jedem Fall ein Risiko. Deshalb dürfen wir ihn nicht in der freien Natur belassen."

Am Nationalpark Bayerischer Wald sehen sie das nicht anders - auch wenn sie sich dafür in den vergangenen zwei Monaten von Tierschützern scharfe Kritik haben gefallen lassen müssen. Müller und seine Leute haben Rauer bereits versichert, dass sie ihn bei seinen Einfangversuchen unterstützen werden.

Bleibt noch die Frage nach dem letzten der sechs Wölfe. Von ihm fehlt weiter jede Spur. Zuletzt wurde er in der Region Freyung gesichtet, aber das ist schon etliche Wochen her. "Da ist alles möglich", sagt Müller. "Der kann noch in der Region unterwegs sein oder wie der Bad Kreuzener Wolf abgewandert sein. Der kann aber auch schon lange tot sein - sicher ist einzig, dass derzeit keiner sagen kann, wo er abgeblieben ist."

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