Nachruf:Ein aufrechter Mann

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Der Verleger Bruno Schnell. (Foto: Andre de Geare/dpa)

Zum Tod des Nürnberger Verlegers Bruno Schnell

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

So lange er gesundheitlich konnte, kam er in den Verlag. Man sah das daran, dass in der abendlichen Dämmerung das Licht brannte in dem Eckbüro im ersten Stock. Das ist nicht irgendein Zimmer; von hier aus hetzte im Dritten Reich Julius Streicher, der Chef des NS-Propagandablattes Der Stürmer gegen Juden. Bruno Schnell hat das Büro jahrelang leer stehen lassen. "Ich habe mich ungeheuer gesträubt, da reinzuziehen, wo dieses Schwein saß", sagte er.

Dann aber tat er es doch, hauchte dem Raum mit vielen (auch selbst gemalten) Bildern an den Wänden neuen, bunten Geist ein und stritt von hier aus leidenschaftlich für Demokratie, Menschenrechte und sozialdemokratische Werte. Bruno Schnell war ein in jeder Hinsicht aufrechter Mann mit markanter Sturmfrisur, Kinnbart und der unvermeidlichen Pfeife im Mundwinkel, ein Antifaschist und Kapitalismuskritiker aus tiefster Überzeugung. "Kapital ist zurückbehaltener Lohn" - dieser in jungen Jahren gelesene Satz von Karl Marx sei ihm nie mehr aus dem Kopf gegangen, sagte Schnell einmal.

Für seine Mitarbeiter war Schnell nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Beschützer, zu dem sie respektvoll aufblickten, weil er versprach, alles zu tun, um nie jemandem betriebsbedingt zu kündigen. Was schwierig ist in einer Branche im Umbruch. Denn Schnell war der Patriarch eines der großen deutschen Medienhäuser, zu dem die Nürnberger Nachrichten (NN) und die Nürnberger/Nordbayerische Zeitung (NZ) gehören sowie der Olympia-Verlag mit dem Fußballmagazin Kicker.

Vom NN-Grüner Joseph Drexel angeheuert, erwies sich der in München geborene Betriebswirt als cleverer Geschäftsmann. Er erfand 1959 ein Kooperationsmodell, das kleinen Lokalzeitungen im Nürnberger Umland die Eigenständigkeit sicherte und den Nürnberger Mantel-Blättern höhere Auflagen und Anzeigenpreise einbrachte. Über das rein Unternehmerische hinaus war Bruno Schnell ein Verleger, für den Zeitungen ein unverzichtbares Gut waren für Meinungsvielfalt und Transparenz in einer demokratischen Gesellschaft. Früher schrieb er bisweilen selbst Leitartikel in den NN. Er tat das nicht oft, aber wenn, dann ohne diplomatisch ausbalanciertes Sowohl-als-auch. Wie in jenem Tarifkonflikt, als er gegen seine Verlegerkollegen Partei für die streikenden Redakteure ergriff. Wenn seine Gegner ihn als "Sozialromantiker" bespöttelten, empfand er dies als Kompliment.

So leidenschaftlich der Vater dreier Kinder politisch Anteil nahm, so zurückhaltend lebte er. Ohne sein finanzielles und ideelles Engagement gäbe es in Nürnberg vielleicht noch kein NS-Dokumentationszentrum und keinen Menschenrechtspreis. Er stiftete eine Villa für Ausstellungen und einen Kunstpreis. 2014 wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt. Wie jetzt bekannt wurde, ist Bruno Schnell am 27. Januar im Alter von 88 Jahren verstorben. Auf eigenen Wunsch wurde er im Familienkreis beigesetzt.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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