Nachfolge von Horst Seehofer:Aigner ganz oben

Pragmatisch und immer gut drauf: Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner kommt beim Volk an wie kaum andere in der CSU. Das ist ihr großes Kapital, wenn es einmal um die Nachfolge von Horst Seehofer geht - und der Rivale Markus Söder heißen könnte.

Mike Szymanski

Ilse Aigner schwebt fast schon an all den Erschöpften und Erlahmten vorbei: Rechts und links des Wegesrandes liegen die Wanderer, sie kühlen ihre trockenen Kehlen und reiben die schmerzenden Füße. Ihre Gesichter: rot. Die schweißnassen Hemden kleben an der Haut.

Hauptalmbegehung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern

Voll geländetauglich: Bundeslandwirtschafts- und -verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) in den Tegernseer Bergen. In der CSU wünschen sich viele, dass sie wieder in Bayern Politik macht - vielleicht sogar einmal als erste Ministerpräsidentin.

(Foto: Uwe Lein/dapd)

Um sieben Uhr früh sind sie nahe Wildbad Kreuth gestartet, sieben Stunden sind sie jetzt unterwegs. Die Sonne brennt vom Himmel. Almbegehung heißt diese Strapaze, zu der die Bergbauern einmal im Jahr einladen. Nur eine hier sieht topfit aus: Ilse Aigner.

Die Blaubergalm. Der Tross hat sich auf 1540 Meter geschleppt und macht Rast. Am Fensterrahmen der Hütte steht ins Holz geritzt: "Je höher die Berge, desto schöner die Gams." Heute ist die 47-jährige Bundeslandwirtschaftsministerin die Attraktion. Als die Wanderer morgens schon unterwegs waren , saß Aigner noch in der Kabinettssitzung in Berlin.

Sie ist danach nach München geflogen und hat sich schnell mit dem Auto auf die Alm chauffieren lassen. Deshalb sieht sie so frisch aus. "Jetza!" ruft ein Bergbauer, "Jetza" ruft die Ministerin, und dann dauert es auch nicht mehr lange, bis Aigner sich zu einer Gruppe Wanderer setzt und "a Gipfelschnapserl" reichen lässt. Prost!

In den Bergen, ganz oben. Politiker wählen solche Termine nicht ohne Hintergedanken. Und auch Aigner sendet an diesem Tag eine Botschaft, indem sie sich von Fotografen vor dem Gipfelkreuz ablichten lässt: Rechnet mit mir!

Es ist erst ein paar Tage her, dass Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer seine Partei heftig ins Grübeln versetzt hat. In seinen Sommerferien im Altmühltal wolle er gründlich überlegen, ob er als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2013 zur Verfügung steht, sagte er nach der Sitzung des Parteivorstandes. Bei der Gelegenheit hat er auch angekündigt hat, seine Nominierung aufs Frühjahr zu verschieben.

Natürlich will Seehofer in die Wahlkämpfe ziehen, daran hat der 63-Jährige in den vergangenen Monaten keinen Zweifel aufkommen lassen. Dennoch hat sein Manöver die Partei daran erinnert, dass es auch eine Zeit nach Seehofer gibt.Die einzige, die Söder gefährlich werden könnte

Die Einzige, die Söder gefährlich werden könnte

Ilse Aigner ist so etwas wie die stille Reserve der CSU - und in regelmäßigen Abständen macht sie auf eine unaufdringliche, aber bestimmte Art darauf aufmerksam: Mal trifft sie sich mit Journalisten zu Hintergrundrunden in München, mal besteigt sie wie heute Berge und hat Kamerateams, Fotografen und Journalisten dabei.

"Sie ist brutal gut"

Sie hält sich im Gespräch. Als Seehofer vor ein paar Wochen bei einem Empfang der Staatsregierung vor Journalisten scherzte, seine Unterlagen über mögliche Thronfolger habe er in der Staatskanzlei vergessen, entgegnete sein Finanzminister Markus Söder frech, es sei ohnehin nur einer da. Er.

Wenn es um die Frage geht, wer Seehofer einmal beerben könnte, haben sich die Reihen im vergangenen Jahr noch einmal deutlich gelichtet. Söders Vorgänger, der frühere Finanzminister Georg Fahrenschon, ist aus Ärger und persönlicher Enttäuschung über Seehofers Führungsstil aus der Politik ausgestiegen und an die Spitze der deutschen Sparkassen gewechselt. Die ehrgeizigere Sozialministerin Christine Haderthauer hat eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen müssen, als Seehofer bei der Besetzung des Finanzministeriums Söder ihr vorgezogen hatte. Die einzige, die dem Franken wirklich gefährlich werden könnte, ist Aigner.

Sie führt seit mehr als einem Jahr den Bezirksverband Oberbayern der CSU, das ist der mit Abstand mächtigste der Partei. Aigners großes Kapital ist, dass sie in der Bevölkerung gemocht wird wie kaum ein anderer Politiker aus der CSU. Man muss sich nur auf dem Berg umhören. "Sie ist brutal gut", sagt Hans Schwaiger, ein 61 Jahre alter Trachtler, der sie lange kennt.

Seine Freunde können sich zwar noch nicht so recht vorstellen, dass Aigner mal an der Spitze der Partei oder gar des Freistaates steht: "Von Weibern werden wir nicht so gerne regiert", rufen sie. Aber je weiter man ins Tal reist, desto aufgeschlossener werden die Leute. "Warum nicht", sagt Josef Gottfried, der 73-jährige Senner von der Königsalm.

Seehofer weiß, dass Aigner bei den Leuten ankommt. Er würde sie auch gerne als Kandidatin für die Landtagswahl sehen, die "Mutter aller Schlachten", wie Seehofer sie schon bezeichnet hat. Aber Aigner zögert, nicht zum ersten Mal. Sie hängt an Berlin, das ist ihr Problem. Sie hätte im vergangenen Jahr selbst gute Chancen gehabt, anstelle von Söder Finanzministerin in Bayern zu werden. Aber sie entschied sich für Berlin.

Vielleicht ändert sich ihre Einstellung bald. In Berlin sieht ihre Zukunft eher düster aus. Allenfalls wenn Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl an der Macht bleibt, kann sie sich relativ sicher sein, weiter Landwirtschaftsministerin sein zu dürfen. Aber danach sieht es nicht aus.

In einer großen Koalition muss sie froh sein, wenn sie Ministerin bleibt. Wird jedoch die Union abgewählt, bliebe ihr allenfalls der Landesgruppenvorsitz. Aigner sagt, mögen doch alle spekulieren, wie sie wollten. Sie sei zufrieden an der Stelle, wo sie ist. Was ja nicht heißt, dass sie an anderer Stelle nicht genauso zufrieden sein könnte.

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