Nach Zulassung des Volksbegehrens:CSU-Fraktion rückt von Studiengebühren ab

Wird das Volksbegehren überflüssig? Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs erwägt die Landtags-CSU die Abschaffung der Studiengebühren. Man werde das Thema "ergebnisoffen" diskutieren, sagte Fraktionschef Schmid der SZ. Ein Grund dafür ist der Länderfinanzausgleich.

Frank Müller, Martina Scherf und Mike Szymanski, München

Die CSU rückt offenbar von den Studiengebühren ab. Nachdem der Verfassungsgerichtshof ein Volksbegehren gegen die Studiengebühren zugelassen hat, zeigen sich in der Partei immer stärkere Absetzbewegungen. Am Dienstagabend stellte der Vorstand der CSU-Landtagsfraktion nach hitziger Debatte das Bezahlstudium offen zur Disposition.

Fraktionschef Georg Schmid sagte der Süddeutschen Zeitung nach der Sitzung, seine Fraktion werde bereits an diesem Mittwoch noch einmal die Gebühren "ergebnisoffen" diskutieren. "Wir haben eine neue Situation", sagte Schmid. "Jetzt geht es darum, dass wir uns damit auseinandersetzen." Vor dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes hatte die Fraktion am vehementesten für den Erhalt der Studiengebühren gekämpft.

Schmid sagte der SZ, viele Abgeordnete berichteten ihm, dass das Thema Studiengebühren die Leute im Land sehr bewege. Vor allem herrsche Unverständnis darüber, dass Bayern von seinen Studenten Geld nehme und andererseits andere Bundesländer über den Länderfinanzausgleich mitfinanziere, die ihre Studenten kostenlos studieren ließen. Schmid sagte, er werde auch das Gespräch mit dem Koalitionspartner FDP suchen, schließlich seien die Studiengebühren eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages. Auch Fraktionsvize Alexander König erklärte am Dienstag, man solle überlegen, ob "unsere Argumente heute noch alle richtig sind."

Oliver Jörg, Vorsitzender des Hochschulausschusses im Landtag, sagte, er wolle zunächst intensiv mit der Basis und den Studentenvertretern der CSU diskutieren. Aber auch er nehme in der Bevölkerung "eine gewisse Skepsis wahr". In Teilen der Fraktion herrscht allerdings auch erheblicher Unmut, wie die Partei überhaupt in diese Lage "hineinschlittern" konnte. Die Freien Wähler hatten vor dem Verfassungsgerichtshof am Montag den Volksentscheid mit ihrer Klage überraschend durchgebracht. Die Verfassungsrichter erklärten das Volksbegehren für zulässig und setzten sich damit über ein Veto des Innenministeriums hinweg. Dieses hatte argumentiert, eine Befragung des Volkes sei unzulässig, weil die Verfassung Plebiszite über den Staatshaushalt verbietet.

Das heikle Thema soll zunächst in der CSU-Fraktion diskutiert werden

Damit ist das Volksbegehren nun möglich, und zwar in einer brisanten Phase. Zu Beginn des Wahljahres 2013 müssten zunächst zehn Prozent der Wahlberechtigten für eine Abschaffung der Gebühren unterschreiben, danach käme es zu einer Befassung des Landtags und schließlich zum Volksentscheid mitten im Wahljahr. Das will die CSU unbedingt verhindern. Dort wird die Einschätzung vertreten, nur verlieren zu können, wenn man an Studiengebühren festhält. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude hatte erst am Wochenende noch einmal angekündigt, die Gebühren als erste Amtshandlung nach einem Wahlsieg abzuschaffen. Das Oppositionsbündnis aus SPD, Freien Wählern und Grünen dagegen versammelte sich in zuletzt ungewohnter Einigkeit hinter dem geplanten Volksbegehren.

Auch in der FDP meldete sich mit Landesvize Andreas Fischer ein prominenter Abweichler: "Wenn Bayern immer mehr in die Rolle des Einzelkämpfers gerät, gehören die Studiengebühren abgeschafft", sagte Fischer der SZ. Neben Bayern verlangt nur noch Niedersachsen Geld von den Studenten. Bislang war die FDP klar für die Studiengebühren. Inzwischen wächst ihre Besorgnis vor einer Wende der CSU. Fraktionsvize Karsten Klein gab zwar die Parole aus, man sehe "der weiteren politischen Auseinandersetzung gelassen entgegen". Es gebe jenseits "von oppositionellem Populismus eine ganze Reihe schlagkräftiger Sachargumente".

Unausgesprochener Adressat dessen dürfte auch Seehofer sein. Er hatte im vergangenen Jahr, als bekannt wurde, dass sich Millionenbeträge auf den Konten der Hochschulen angehäuft hatten, erklärt, die Studiengebühren zu kippen, wenn sich die Situation nicht ändert. Auf Drängen der Fraktion nahm er von dieser Idee Abstand. Nun heißt es in Parteikreisen, Seehofer lege höchsten Wert darauf, die Frage "auch innerhalb der Partei" zu klären. Das bedeutet: Er will mitreden.

Im Kabinett gab es am Dienstag kein klares Votum zu der Frage. Man wolle das Thema zunächst mit den Fraktionen diskutieren und dabei von allen Seiten beleuchten, sagte Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) nach der Sitzung.

Die Freien Wähler wollen das Thema derweil "mit Volldampf" vorantreiben, wie ihr hochschulpolitischer Sprecher, Michael Piazolo, sagte. Noch an diesem Donnerstag will die Fraktion einen Dringlichkeitsantrag im Landtag einbringen. Anders als zuvor sagten inzwischen auch SPD und Grüne zu, das Volksbegehren zu unterstützen. Dem hatten sie sich zuvor verweigert, weil sie das Risiko eines Scheiterns vor dem Verfassungsgerichtshof als hoch einschätzten. Nun werde man sich noch in dieser Woche zusammensetzen, sagte Piazolo.

CSU und FDP beschäftigt auch die Frage, ob und in welcher Höhe die Staatsregierung den Hochschulen die Fehlbeträge ersetzen wird, wenn die Studiengebühren wegfallen. Es geht um 180 Millionen Euro im Jahr. Einen Anspruch darauf hätten die Unis wohl nicht. Godehard Ruppert, Präsident der "Universität Bayern", des Zusammenschlusses der bayerischen Universitäten, sagte, die Einnahmen müssten in jedem Fall zu 100 Prozent ersetzt werden. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) betonte, es gehe darum, dass der Wissenschafts- und Hochschulstandort Bayern weiterhin gut ausgestattet sei, um international mithalten zu können: "Die Hochschulen brauchen das Geld."

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