Nach Landtagswahl in Bayern:Aus Grün wird Giftgrün

Ludwig Hartmann

Die Etablierten machen Front gegen den Emporkömmling Ludwig Hartmann.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Bei der Landtagswahl verlieren die Grünen nicht nur Prozente, sondern auch mehrere ihrer besten Fachleute - der Neuaufbau wird von einem Gewirr aus Intrigen und Machtspielen belastet. Die Etablierten machen Front gegen den Emporkömmling Ludwig Hartmann.

Von Heiner Effern und Frank Müller

Es sollte der Triumph der Grünen im Freistaat werden, ein Beweis dafür, dass man in der Mitte der bayerischen Gesellschaft angekommen ist. Doch von den hochfliegenden Träumen ließ die Landtagswahl nur miserable 8,6 Prozent übrig. Jetzt, nach Auszählung aller Einzelstimmen, wird auch deutlich, wie groß die inneren Probleme der Grünen sind. Wegen des schlechten Resultats verlieren sie einen Großteil ihrer Experten im Landtag. Und der Neuaufbau wird von einem Gewirr aus Intrigen und Machtspielen belastet.

Das fängt schon bei der Spitze an. Anders als die Grünen-Fraktionen in anderen Bundesländern halten die bayerischen Grünen an ihrer paritätisch besetzten Doppelspitze fest. Eine Frau, ein Mann - das Muster gilt nach wie vor. Das Problem daran: Mit Martin Runge wurde der männliche Part der Fraktionsspitze aus dem Parlament gefegt. Seine bisherige Partnerin Margarete Bause hat zwar als Spitzenkandidatin im verlorenen Wahlkampf an Zugkraft eingebüßt. Dennoch hält ihr kaum einer Fehler im Wahlkampf vor. Sie will also wieder antreten. "Ich bin nach wie vor kämpferisch", sagt sie, "ich verspüre auch sehr großen Rückhalt in der Partei."

Doch ob sie vor allem bei den neuen Abgeordneten den entsprechenden Rückhalt hat, das ist noch keineswegs sicher. Neun der jetzt insgesamt nur noch 18 Grünen-Parlamentarier kommen erstmals in den Landtag. Noch unklarer ist, wer männlicher Ko-Fraktionschef werden könnte.

Aus der Fraktion drängelt der 35-jährige Energieexperte Ludwig Hartmann so massiv, dass an seiner Kandidatur kaum Zweifel bestehen. Aber unter den Abgeordneten gibt es erhebliche Vorbehalte. Hartmann sei einer, dem die Karriere über die Kollegialität gehe, der immer nur das eigene Fortkommen im Blick habe, sagt nicht nur einer in der Fraktion. "Die Verantwortung fürs Ganze sehen wir bei ihm nicht so", sagen Fraktionsmitglieder.

Kritik am "Kommunikationsdesigner"

Doch Hartmann sei gleichzeitig ein guter Netzwerker, deswegen könne es durchaus sein, dass er eine Mehrheit hinter sich bringt. Dass er auch von Bayerns Grünen-Chef Dieter Janecek gefördert wird, ist kein Geheimnis. Janecek hatte auch bei der Aufstellung der Kandidaten stark auf eine Verjüngung gedrungen.

Schon wird an Hartmanns Glaubwürdigkeit gesägt: Er sei auf dem Wahlzettel sogar mit der schlicht erfundenen Berufsbezeichnung "Umweltprojektplaner" auf Stimmenfang gegangen, heißt es. Grüne Politiker mit Umweltberufen werden vom Wähler traditionell bevorzugt, fast so stark wie die "Biobauern", die alleine drei der 18 Grünen-Abgeordneten stellen. In der Grünen-Fraktion wird Hartmann nun als "Kommunikationsdesigner" geführt.

Zum Problem für die Grünen könnte nun werden, dass sie sich viel Zeit lassen bei der Aufarbeitung der beiden Wahlen. Sie wollen alle Entscheidungen erst in der übernächsten Woche auf einer dreitägigen Fraktionsklausur in Fürstenfeldbruck treffen. Bis dahin vergehen noch fast zwei Wochen - viel Zeit für Ränkespiele und Sticheleien.

"Neuanfang mit jungen Leuten"

Ludwig Hartmann selbst sagt, er habe sich noch nicht entschieden, ob er für die Nachfolge von Runge antreten werde. Vor der Klausur der neuen Fraktion werde er das auch nicht tun. "Entscheidend sind die ersten beiden Tage dort. Da sehe ich die vielen neuen Kollegen zum ersten Mal." Andere dagegen rechnen fest damit, dass sich Hartmann schon nächste Woche, nach der Bundestagswahl, erklärt.

Natürlich weiß Hartmann, dass die Gruppe der Altgedienten seinen möglichen Aufstieg kritisch beäugt. Konnten sie doch über Jahrzehnte weitgehend unter sich die Macht verteilen. Doch die Zeiten könnten auch ohne Hartmann vorbei sein. "Das Ergebnis ist schlecht, die Stimmung ist schlecht, wir brauchen einen wirklichen Schnitt", sagt ein Fraktionsmitglied. "Einen Neuanfang mit jungen Leuten."

Für Margarete Bause könnte ein "ehrbarer Posten" gefunden werden. Denkbar wäre etwa der Job als Landtags-Vizepräsidentin. Doch auf diesem sieht sich Bause keinesfalls. Starke Kräfte in der Fraktion bringen für den Posten Ulrike Gote ins Gespräch.

Anders als andere Fraktionen hatten die Grünen im Landtag bislang eine extrem schlanke Führung. Neben den beiden Chefs Bause und Runge gab es lediglich mit Gote noch eine parlamentarische Geschäftsführerin. Auf das schlanke, nicht üppig bezahlte Trio waren die Grünen stolz, als in der Abgeordnetenaffäre die Zuschläge in anderen Fraktionen kritisiert wurden. Nun denken sie selbst an eine Erweiterung, allerdings ohne Privilegien.

"Es gibt nun keinen einzigen Juristen mehr"

Der Verlust an Kompetenz in der Fraktion ist jedenfalls dramatisch. Sozialexpertin Renate Ackermann hatte von sich aus aufgehört, mit der Wahl sind nun auch die Fraktionssprecher für Gesundheit (Theresa Schopper), Finanzen (Eike Hallitzky) und Inneres (Susanna Tausendfreund) verschwunden.

Dazu Runge, dem zwar manche in der Fraktion ankreiden, dass er keine wirkliche Führungsrolle gespielt habe, dem aber zugeschrieben wird, dass er sich in Details geradezu verbeißen konnte. Den Mollath-Untersuchungsausschuss konnte er zunächst nur mit Mühe durchsetzen, trieb ihn dann aber stark voran. Auch Runge sieht schwere Zeiten auf die Fraktion zukommen. "Es gibt nun keinen einzigen Juristen mehr", sagt er. Das mache die Besetzung des Rechtsausschusses zum echten Problem.

Lediglich beim Kernthema Umwelt gibt es weniger Sorgen. Christian Magerl, der bisherige Ausschussvorsitzende aus Freising, ist mit einem starken Ergebnis wiedergewählt worden. Er könne sich vorstellen, weiter zu machen, sagt er.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: