Nach Gewaltexzess in Rosenheim:Ex-Polizeichef verliert Beamtenstatus

  • Die Vorsitzende Richterin spricht von "erheblicher Brutalität" und einer bewussten Entscheidung für Gewaltattacken: Der frühere Rosenheimer Polizeichef hatte vor drei Jahren den Kopf eines gefesselten Schülers gegen die Wand geschlagen.
  • 2012 wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
  • Jetzt hat das Verwaltungsgericht München dem 53-Jährigen auch den Beamtenstatus entzogen.

Von Heiner Effern

Der wegen Körperverletzung im Amt verurteilte frühere Polizeichef von Rosenheim wird nie mehr für den Freistaat im Einsatz sein. Das Verwaltungsgericht München entließ ihn am Montag auf eine Klage des Landes Bayern hin aus dem Dienst. Der Polizeioberrat verliert damit auch seinen Beamtenstatus. Der damalige Inspektionsleiter habe am 3. September 2011 einen gefesselten Jugendlichen auf dem Rosenheimer Herbstfest mit "erheblicher Brutalität" geschlagen, sagte die Vorsitzende Richterin. Dabei sei er nicht spontan ausgerastet, sondern habe sich mehrmals bewusst für die Gewaltattacken entschieden. Das erforderliche Vertrauen für einen weiteren Einsatz als Polizist sei "zerstört". Auch deshalb, weil Rudolf M. bis heute "weder Reue noch Einsicht in seine Schuld" zeige.

Eine mehr als 30-jährige Polizeikarriere geht mit dem Urteil wohl zu Ende. Der frühere Inspektionsleiter hat aber noch die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. "Das werden wir nun prüfen", sagte sein Anwalt. Rudolf M. war nicht anwesend, er hatte sich per E-Mail bei seinem Verteidiger krank gemeldet. Auf diese Weise musste er sich nicht noch einmal anhören, warum ihn der Freistaat auf keinen Fall mehr in seinen Reihen haben möchte.

Das Land entschied sich für die härteste Möglichkeit

Laut Urteil des Landgerichts Traunstein kam Rudolf M. auf dem Rosenheimer Herbstfest zu einer Rangelei oder kleinen Schlägerei hinzu, in die ein angetrunkener 15 Jahre alter Jugendlicher verwickelt war. Beamte hatten ihm bereits mit Handschellen die Hände auf den Rücken gefesselt und wollten ihn auf die provisorische Wiesnwache bringen. Warum Polizeichef Rudolf M. einen der beiden Kollegen wegschickte und selbst dessen Position übernahm, ist bis heute ein Rätsel. Erwiesen und vom Bundesgerichtshof bestätigt ist jedoch, dass M. schon auf dem Weg zur Wache den Burschen mit dem Knie in den Hintern stieß und ihm Ohrfeigen verabreichte. In einem Zimmer der Wache stellte er laut Urteil den gefesselten und deshalb wehrlosen Jugendlichen mit dem Gesicht zur Wand, packte dessen Kopf und schlug ihn mindestens zweimal dagegen.

Dem Jugendlichen brach an einem Schneidezahn ein Teil ab und vier weitere Zähne wurden gelockert. Die Unterlippe platzte auf und blutete stark. Das Landgericht verurteilte den Polizisten zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung. Damit entging er knapp einem sofortigen Rauswurf, der bei einer Strafe von zwölf Monaten und mehr automatisch erfolgt wäre.

Dieses Urteil ließ es dem Freistaat offen, wie er dienstrechtlich gegen seinen Beamten vorgeht. Auch geringere Sanktionen wie Rückstufungen oder Gehaltskürzungen wären möglich gewesen. Doch das Land entschied sich für die härteste Möglichkeit, die "Entfernung aus dem Beamtenverhältnis", wie das in der Sprache der Bürokratie genannt wird. Dazu musste der Freistaat allerdings den Fall als Kläger vor Gericht bringen. Dieses übernahm seine Sichtweise: Wer als Polizeibeamter, noch dazu in leitender Funktion, solche vorsätzlichen Straftaten im Dienst begehe, verstoße massiv gegen die Kernbereiche seiner Pflichten und schade dem Ansehen der Polizei auf sehr schwere Weise, urteilte das Verwaltungsgericht.

Polizist stellte sich im Prozess als Opfer einer Medienkampagne dar

Die Kammer zeigte aber nicht nur Unverständnis über die Brutalität, sondern ausdrücklich auch über das Verhalten des Polizeichefs in der Folge. Er habe am Tag nach dem Vorfall eine E-Mail an beteiligte Beamte geschrieben, in der er seine Sichtweise des Ablaufs betonte, hieß es in der Urteilsbegründung. Diese hatte wenig mit dem vom Landgericht Traunstein festgestellten Tatablauf zu tun. "Das ist als Versuch zu werten, auf das Aussageverhalten der Kollegen Einfluss zu nehmen", sagte die Vorsitzende Richterin.

Auch im Prozess selbst erregte der Polizeioberrat den Unmut des Gerichts. Er ließ seinen Anwalt eine Stellungnahme verlesen, in der er sich selbst als Opfer einer Medienkampagne darstellte, auf die auch Staatsanwälte und Richter hereingefallen wären. Deswegen sei "ein falsches Urteil" gegen ihn gesprochen worden. Er habe den Jugendlichen nie absichtlich gegen die Wand gestoßen. Der Freistaat wolle nun "ein Exempel" an ihm statuieren, weil es in die allgemeine Stimmungslage gerade in Rosenheim passte. Die Polizei dort stand damals wegen eines heftigen Einsatzes gegen eine Familie in der Kritik. M.s Anwalt versuchte mit mehreren Beweisanträgen vergebens, die Sichtweise seines Mandanten in den Prozess einzubringen.

Nun tritt ein, was der frühere Polizeichef schon bei der Strafgerichtsverhandlung in Traunstein befürchtet hatte: Er muss mit massiven wirtschaftlichen Nachteilen rechnen. Damals hatte er sogar von einem existenziellen Abgrund gesprochen, vor dem seine Familie stehen würde. Doch die zu erwartenden Einbußen stellen sich erst ein, wenn das Urteil gegen ihn rechtskräftig ist. Denn Rudolf M. ist zwar seit drei Jahren vom Dienst suspendiert, erhält aber dennoch seine Bezüge. Anfangs reduziert, mittlerweile wieder in vollem Umfang. Ein weiterer Prozess in der nächsten Instanz erscheint auch deswegen wahrscheinlich. Das Verwaltunsgericht zeigte sich von den finanziellen Sorgen indes unbeeindruckt. Diese habe M. durch seine Prügelei riskiert, die Strafe sei "geboten und verhältnismäßig".

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