Nach einer Anti-Pegida-Demo:Polizeikessel im U-Bahnhof

Anti-Nügida-Demonstration

Demonstrationsrecht: In Nürnberg gingen öfters zahlreiche Menschen gegen den örtlichen Ableger der islamfeindlichen Pegida auf die Straße.

(Foto: Berny Meyer/dpa)
  • Nach einer Demo gegen die Pegida-Bewegung in Nürnberg sind etwa 15 Menschen im U-Bahnhof Weißer Turm von einem Unterstützungskommando (USK) der Polizei umzingelt worden. Danach mussten sie sich einzeln fotografieren lassen.
  • Nach Polizeiangaben habe zumindest gegen einen Teil der Gruppe der Verdacht bestanden, sie hätte sich bei einer Demonstration am Rosenmontag - ebenfalls gegen Islamfeinde - einer Nötigung schuldig gemacht. Damals hatten Demonstranten die Gleise einer Straßenbahnlinie blockiert.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die Demonstration gegen die Pegida in Nürnberg war gerade zu Ende gegangen, die Veranstalter durften sich freuen. Den Islamfeinden hatte sich eine überschaubare Menge im Zentrum der Stadt anschließen wollen, ihnen hatten sich mehr als zehnmal so viele Demonstranten entgegengestellt. Und alles war friedlich verlaufen. Was dann einer Gruppe von etwa 15 Menschen im U-Bahnhof Weißer Turm widerfahren ist, macht Ulli Schneeweiß, den Veranstaltungsleiter, noch immer fassungslos.

Die Gruppe scheint, so schildern es etliche Personen unabhängig voneinander, offenbar regelrecht ins Zwischengeschoss des U-Bahnhofs gelockt worden zu sein. Dann blockierte ein Unterstützungskommando (USK) auf Kommando sowohl den Eingang als auch die Ausgänge der Station. Danach mussten sich die Eingeschlossenen einzeln fotografieren lassen. "Gesicht zeigen" mal ganz anders.

Alles andere als Krawallmacher

Zugetragen hat sich diese eher ungewöhnliche Polizeiaktion bereits am Donnerstag, und vielleicht schlägt sie deshalb noch keine wirklich hohen Wellen, weil sie zunächst schwer zu glauben ist. Da sollen etliche Bürger offenbar mehr oder minder wahllos in einem U-Bahnhof festgehalten und einzeln fotografiert worden sein? Nach einer friedlichen Demonstration gegen Pegida?

Schneeweiß findet das unfassbar, aber inzwischen liegen ihm Berichte von insgesamt vier Personen vor, die sich allesamt sehr ähnlich lesen. Darunter sind zwei Mitglieder aus einer kirchlichen Gruppe und zwei Mitglieder aus einem bürgerlichen Stadtteilverein Nürnbergs. Alles andere als Krawallmacher, sagt Schneeweiß.

Er selbst, und das trägt zu seiner Irritation bei, hätte sich gerne ein Bild von der Aktion in der U-Bahn gemacht. Er wurde von einem der Festgehaltenen aus dem Schacht angerufen. Der Mann klang schockiert, man sei "blitzartig eingekesselt" worden, eine dem Anschein nach zusammengewürfelte Gruppe, die nach Hause in Richtung Fürth fahren wollte.

Also wollte Schneeweiß, der als Jurist bei Verdi arbeitet, nachschauen, was da los ist. Schneeweiß verlangte nach dem verantwortlichen Hundertschaftsführer der USK. Der kam nicht. "Dafür erklärte mir eine Gruppenführerin: Das da unten wollen Sie nicht sehen", schildert Schneeweiß.

Das USK macht häufiger Probleme - findet auch ein Polizist

Anti-Nügida-Demonstration

Demonstrationsrecht: In Nürnberg gingen öfters zahlreiche Menschen gegen den örtlichen Ableger der islamfeindlichen Pegida auf die Straße.

(Foto: Berny Meyer/dpa)

Eine Verdrehung der Tatsachen, denn offenbar sollte der Veranstaltungsleiter wohl nicht sehen, was dort im Schacht vor sich ging. Schneeweiß glaubt es inzwischen aber auch so zu wissen, die Schilderungen der Festgehaltenen sind sehr präzise.

Eine Frau berichtet, ihr sei von einem schwarzgekleideten Polizisten zunächst der Weg in die Station versperrt worden. Was ihr noch plausibel erschien, um zunächst den Pegida-Anhängern die Gelegenheit zu geben, vom Jakobsplatz wegzukommen. Als dann doch die Station geöffnet wurde, seien plötzlich "noch mehr schwarze Polizisten aus verschiedenen Zugängen des Zwischengeschosses" gekommen und hätten die Gruppe umringt. "Einige hatte ich oben auf der Demonstration gesehen. Andere hatte ich noch nie gesehen und wusste auch nicht, ob sie überhaupt demonstriert hatten oder einfach U-Bahn-Benutzer waren." Nach den Beobachtungen der Frau war "keine einzige Person dabei, die irgendwie wie ein Randalierer aussah oder schwarz angezogen oder vermummt gewesen wäre". Auf sie habe diese Situation "äußerst bedrohlich" gewirkt.

Von einem "Kessel" könne keine Rede sein, sagt die Polizei

Den Grund für das, was andere Beobachter als "Einkesselung" für etwa 30 Minuten empfunden haben, erklärt eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Zumindest gegen einen Teil der Gruppe habe der Verdacht bestanden, sie hätte sich bei einer Demonstration am Rosenmontag - ebenfalls gegen Islamfeinde - in der Nürnberger Südstadt einer Nötigung schuldig gemacht.

Demonstranten hatten die Gleise einer Straßenbahnlinie blockiert. Die Staatsanwaltschaft habe wegen dieses Verdachts Vorermittlungen eingeleitet. Gegen etwa zehn der Festgehaltenen bestehe dieser Verdacht. Von einem "Kessel", wie es die Festgehaltenen empfunden hätten, könne aber keine Rede sein.

Eine vorläufige Erklärung von Johann Rast, dem Nürnberger Polizeipräsidenten, lässt freilich die Vermutung zu, dass auch er nicht glücklich ist mit dem USK-Einsatz. Es sei nicht im Sinn der Polizei, "auf Demonstrationsteilnehmer abschreckend zu wirken". Hinter den Kulissen des Präsidiums fallen die Worte weniger gewählt. "Wieder die USK", schimpft ein Beamter, "wo ist da die Verhältnismäßigkeit?". Die Kundgebung sei so friedlich verlaufen.

Schneeweiß betont das auch. "Es ist immer die USK", die Probleme mache, mit den anderen Beamten komme man meist sehr gut klar. Die SPD-Landtagsabgeordnete Helga Schmidt-Bussinger will den Vorfall in der U-Bahn nun zum Thema im Landtag machen. Der Einsatz wirke auf sie "unverhältnismäßig und kritikwürdig".

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