Nach der Sondersitzung:"Die CSU demonstriert jetzt Eiszeit im Landtag"

Bayerische Kabinettssitzung

Nach den scharfen Auseinandersetzungen im Landtag will Horst Seehofer die geplante Reform des achtjährigen Gymnasium ohne Kooperation mit der Opposition auf den Weg bringen.

(Foto: dpa)

In der Sondersitzung des Bayerischen Landtags werfen sich Opposition und Regierung allerlei Unflätigkeiten an den Kopf. Die CSU-Fraktion ist beleidigt, fordert Entschuldigungen - und will die Opposition in ihren Rechten beschneiden.

Von Mike Szymanski

Nach der aus dem Ruder gelaufenen Sondersitzung des Landtags zur Modellauto-Affäre am Dienstag will die CSU die Opposition in ihren Rechten beschneiden. Parteichef Horst Seehofer, seit einem Jahr auch Abgeordneter des Landtags, griff am Donnerstag einen Vorschlag von CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer auf, die Redezeit im Landtag für die Opposition zu verkürzen.

Dazu müsste die Geschäftsordnung geändert werden. Bislang haben alle Fraktionen die gleichen Redezeiten. Seehofer würde aber eine demokratische Gepflogenheit brechen, wonach über die Geschäftsordnung einvernehmlich entschieden wird. Seehofer sagte nun: "Als Abgeordneter des bayerischen Landtags hat Thomas Kreuzer hier meine Unterstützung." Aus seiner Sicht sei die Opposition von ihm immer "überkorrekt behandelt worden". In der Fraktion wird ferner erwogen, der Opposition auch bei der Einsetzung von Enquetekommissionen und bei Dringlichkeitsanträgen künftig weniger Einfluss zu lassen.

"Politischer Amoklauf"

Das Klima im Landtag erreicht damit einen neuen Tiefpunkt. Die Opposition reagierte empört auf diesen Vorstoß und weigert sich, die Geschäftsordnung zu ändern. Die Freien Wähler sprachen von einer "Missachtung parlamentarischer Gepflogenheiten". Sollte die CSU so weit gehen, wäre das aus Sicht von Fraktionschef Hubert Aiwanger ein "politischer Amoklauf".

SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass die Christsozialen diesen Schritt wagen würden, und sieht in dem neuerlichen Krach ein Ablenkungsmanöver: "Die CSU demonstriert jetzt Eiszeit im Landtag." Ihr werde es nicht gelingen, dadurch die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Problem abzulenken. Und dies sei das "Versagen der Regierung in den letzten Monaten". Die Grünen wollten sich zu der Debatte zunächst nicht äußern.

Damit setzt sich der Tonfall fort, der am Dienstag zum Eklat geführt hatte. Bei der Aussprache über die früheren Modellauto-Geschäfte der inzwischen zurückgetretenen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer war es zu heftigen verbalen Attacken gekommen. "Der Fisch stinkt vom Kopf her", hatte etwa Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause gesagt. Der Freie Wähler-Geschäftsführer Florian Streibl nannte Seehofer nach der eigentlichen Debatte einen "Eiszeitpolitiker Putinscher Prägung". Seehofer sagte jetzt: "Ich kann und will mich nicht an so ein unsägliches Niveau gewöhnen."

Er gab zu erkennen, dass er eine Entschuldigung erwarte. "Ich glaube, dass bei dem starken Tobak jeder Erwachsene selbst beurteilen sollte, was da notwendig ist. Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die bereits am Dienstag missgelaunt durch die Sitzung geführt hatte, machte schon im Gespräch mit dem Münchner Merkur klar, dass die "eine oder andere Entschuldigung angebracht oder sogar fällig" sei.

Konsequenzen in der Sacharbeit

Sie sieht insgesamt einen Imageschaden für den Landtag. "Jeder Abgeordnete - ob als Redner oder Zwischenrufer - sollte sich bewusst sein, dass uns die Bürgerinnen und Bürger sehr genau wahrnehmen. Ein Landtag kann nur dann stark und einflussreich sein, wenn er für die Menschen im Land auch ansehnlich ist und Ansehen genießt."

Sie befürworte zwar "eine harte Auseinandersetzung in der Sache". Wer sich aber auf dem Rücken des Parlaments profiliere und dabei "auch noch sehenden Auges die Würde von Parlamentsmitgliedern verletzt, braucht sich über fehlendes Vertrauen in der Bevölkerung nicht zu wundern".

Ihr Parteikollege und Fraktionsvize Erwin Huber, selbst in seien vielen Jahren als Abgeordneter und Regierungsmitglied nie um scharfe Angriffe verlegen gewesen, will zwar nicht unbedingt einen neuen Tiefpunkt ausgemacht haben. Aber auch er empfand den Auftritt vom Dienstag als "eher abstoßend". "Als Zuschauer kann man da eigentlich nur den Aus-Knopf drücken." Huber stellt Grünen-Politikerin Ulrike Gote in ihrer Funktion als Vize-Präsidentin infrage, weil sie sich besonders scharf geäußert hatte.

So viel Redezeit wie 18 Grüne

"Ich habe Zweifel, ob Frau Gote der Aufgabe gewachsen ist", sagte Huber der SZ. Auch er befürwortet, die Rechte der Opposition zu beschränken. Es sei nach der Rückkehr zur Alleinregierung vor einem Jahr ein "Konstruktionsfehler" gewesen, die Geschäftsordnung nicht an die Wahlergebnisse anzupassen. In der Fraktion wird die Rechnung aufgemacht, dass 101 Abgeordnete der CSU so viel Redezeit wie 18 Grüne haben.

Die aktuelle Regelung der Redezeiten sei aus der Geschäftsordnung der letzten Legislaturperiode übernommen worden, als die CSU noch mit der damals im Landtag vertretenen FDP regieren musste. Die CSU befeuerte sogar noch den Eindruck, sie vollziehe mit ihren Plänen eine Strafaktion. Kreuzer erklärte, wer das Klima so herunterfahre, müsse mit Konsequenzen in der Sacharbeit rechnen.

"Parteipolitisches Scharmützel"

Die ersten Konsequenzen zeigt Seehofer bereits auf. Nach den scharfen Auseinandersetzungen im Landtag will er die geplante Reform des achtjährigen Gymnasium allein und ohne Kooperation mit der Opposition auf den Weg bringen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir jetzt eine gemeinsame Schulreform machen zum Gymnasium", sagte der Ministerpräsident.

Er begründete dies damit, dass das CSU-Konzept ausgereift sei und damit aus seiner Sicht keine Kompromissverhandlungen mit der Opposition notwendig seien: "Wenn man gemeinsam in ein solches Gespräch geht, muss man ja auch anderen was geben. Und wir haben da so ein gutes Konzept."

Die CSU hatte der Opposition ursprünglich Gesprächsbereitschaft bei dem Thema angeboten. Das wiederum verärgerte die SPD. Bildungsexperte Martin Güll erklärte: "Soll das Wohl der Schulfamilie im Mittelpunkt stehen oder ein parteipolitisches Scharmützel?"

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