Nach dem Rückzug von Landrat Kreidl:Schattenwahlkampf in Miesbach

Themenpaket Kommunalwahlen

Wahlplakaten zur Kommunalwahl in Miesbach am 16. März.

(Foto: dpa)

In Miesbach könnte es am Wahltag skurrile Ergebnisse geben. Der von Affären gebeutelte CSU-Landrat Kreidl ist zwar zurückgetreten, steht aber weiter auf dem Stimmzettel. Welche Konsequenzen das für die übrigen Kandidaten hat.

Von Heiner Effern

Der Mann mit der Weste kommt direkt auf Wolfgang Rzehak zu. Er weicht nicht aus, wie so viele Passanten, wenn sie die Wahlstände am Rande des Wochenmarktes in Holzkirchen sehen. Denn der Mann hat eine wichtige Frage: "Sie wollen unseren Landkreis regieren?", schießt er gleich los. Bevor Rzehak, der Kandidat der Grünen für den Landratsposten in Miesbach, antworten kann, sagt der Mann: "Da bin ich sehr dafür." Er sei eigentlich einer, der die Schwarzen oder die Freien wähle, sagt er. Aber diesmal nicht. Sonst könne man den Sumpf nie trocken legen.

Der Sumpf, er hat den Landkreis Miesbach seit Wochen im Griff. Im Mittelpunkt: Landrat Jakob Kreidl (CSU), der von einer Affäre nach der anderen gebeutelt wird. Er hat seine Doktorarbeit weitgehend abgeschrieben, in seiner Zeit als Abgeordneter seine Frau auf Staatskosten angestellt und für seine 118 000 Euro teure Geburtstagsfeier 77 000 Euro von der Sparkasse erhalten. 35 000 Euro zahlte das Landratsamt. Zudem wurde kürzlich der Bau seines Hauses eingestellt, weil Kreidl gegen die Genehmigung verstieß. Auf Druck von CSU-Parteichef Horst Seehofer musste sich der Landrat komplett aus der Politik zurückziehen und auch erklären, dass er die immer noch mögliche Wahl zum Landrat nicht annehmen werde. Denn für eine offizielle Rücknahme der Landratskandidatur war die Frist schon abgelaufen. "Es gibt keinen Landratswahlkampf", sagt Alexander Radwan, der nun die Kreis CSU kommissarisch führt.

Am Marktplatz von Holzkirchen stehen also nur die Grünen und neben ihnen die Freien Wähler mit ihrem Kandidaten Norbert Kerkel. Auch er erhält Zuspruch von einem Passanten. "Machen Sie so weiter wie ihr Vater", sagt ein Rentner. Der verstorbene Kerkel senior regierte den Kreis vor Kreidl. Seinen Namen will nach den hitzigen Wochen im Landkreis hier kein einziger Passant in der Zeitung wiederfinden. Er habe eigentlich immer die Schwarzen gewählt, sagt in diesem Fall Kerkels Gast. Aber wenn er an Kreidl und seine Affären denke, "dann kommt mir das Frühstück wieder hoch".

Es gibt eine Art Schattenwahlkampf

Die Oberfläche des Wahlkampfs im von Affären gebeutelten Landkreis ist am Wochenmarkt in Holzkirchen zu beobachten. Doch es gibt eine andere Ebene, eine Art Schattenwahlkampf. Mit einem Phantom. Denn auch wenn sich Kreidl komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, sein Name wird auf den Stimmzetteln stehen. Es gibt einige, die ihm sogar den Einzug in die zu erwartende Stichwahl zutrauen, unter anderem sein SPD-Konkurrent Robert Huber. Die CSU beherrsche das "Taktieren in Perfektion", sagt er.

In der Tat wirbt so mancher Ortsverband im Landkreis vorsichtig für Kreidl. Das Kalkül: Wenn Kreidl die Wahl gewönne, das Amt aber nicht anträte, wären Neuwahlen fällig. Eventuell mit einem neuen CSU-Kandidaten. CSU-Offizielle von Parteichef Seehofer bis zum Kreischef Radwan schließen solche Pläne vehement aus.

Doch nicht nur die Taktierer könnten Kreidl wählen, sondern auch Oberlandler, die sich von niemanden, und schon gar nicht vom Ministerpräsidenten aus München, vorschreiben lassen, für wen sie stimmen. Dazu gibt es die treuen Kreidl-Freunde und jene, die seine Verfehlungen ärgern, aber die Reaktionen darauf für zu heftig halten. Die 20 bis 30 nötigen Prozent für eine Stichwahl könnten da schon zusammenkommen. Ohne Affäre würde in Miesbach ein amtierender CSU-Landrat 60 Prozent holen.

Schwierige Situation für verbliebene Kandidaten

Und mancher CSU-Wähler könnte auch bei Kreidl sein Kreuz machen, weil er die einzige konservative Alternative, die Freien Wähler, für nicht besser hält. Immerhin hat sich deren amtierender Vize-Landrat Arnfried Färber auch seinen Geburtstag zahlen lassen. Die Kreissparkasse übernahm komplett die 55 000 Euro Kosten. Kandidat Kerkel distanzierte sich zwar, doch das ginge auch engagierter: Er habe Färber zum Rückzug gedrängt, sagt er, müsse aber dessen Weigerung akzeptieren. Schließlich seien die Freien keine Partei, in der man Befehle durchdrücken könnte. Kerkel wiederum muss sich auch auf der Schattenebene wehren. Immer wieder werden Gerüchte gestreut, seine IT-Firma wäre pleite. "In meiner Firma ist alles völlig ok", sagt Kerkel, die Unterstellungen seien mittlerweile geschäftsschädigend.

Die verbliebenen Kandidaten, der vierte ist der chancenlose FDP-Mann Martin Eberhard, befänden sich in einer "Situation, die schwer zu greifen" ist, sagt Kerkel. Vielleicht auch deshalb halten sich er selbst, Rzehak und auch SPD-Mann Huber mit Kommentaren zu Kreidl zurück. Jeder konzentriert sich auf seine Themen, auch weil keiner weiß, wer denn der Hauptgegner ist.

Also versuchen sie, Sachfragen wie die hohe Verschuldung des Landkreises in den Vordergrund zu rücken. Und auch die Bürger in Holzkirchen werden des Themas müde, nach der ersten Aufregung bringen sie ihre Anliegen an den künftigen Landrat vor. Sie alle sehnen den Wahltermin herbei, damit der Landkreis mit einem eindeutigen Ergebnis wieder zur Ruhe kommt. Sollte Kreidl es tatsächlich in die Stichwahl schaffen, wird das nicht gelingen.

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