Nach Bürgerentscheid:Das Ende der Traunsteiner Blütenträume

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Nach dem Veto gegen die Landesgartenschau 2022 fordern die Grünen neue Strukturen bei der Vergabe

Von Christian Sebald, München

Nach dem Veto der Traunsteiner Wähler gegen die Landesgartenschau 2022 in der oberbayerischen Stadt fordern die Landtags-Grünen grundsätzliche Konsequenzen für die Großveranstaltungen. "Wir brauchen einen strukturellen Neustart", sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. "Die allmächtige Fördergesellschaft, die alleine mit Vertretern der Lobbyverbände aus der Gartenbau-Branche besetzt ist, hat sich überlebt." Hartmann verlangt eine "Landesgartenbau-Gesellschaft mit staatlicher Beteiligung". In Zukunft solle das Umweltministerium über die Vergabe der Landesgartenschauen an die Kommunen entscheiden. Außerdem müsse die Staatsregierung die Kritik des Obersten Rechnungshofes (ORH) an dem bisherigen Verfahren ernst nehmen.

Die Traunsteiner Wähler hatten am Sonntag die Landesgartenschau 2022 in ihrer Stadt per Bürgerentscheid abgelehnt. Damit zwingen zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte der bayerischen Landesgartenschauen Bürger ihre Kommune, aus einem solchen Projekt auszusteigen - die Gartenschauen gelten bisher als äußerst beliebt. Außerdem setzten sich die Kritiker überraschend deutlich durch. 63,3 Prozent der Wähler stimmten gegen die Großveranstaltung. Das vom Stadtrat initiierte Ratsbegehren pro Gartenschau unterlag mit nur 45,7 Prozent Zustimmung ebenfalls eindeutig. Die Wahlbeteiligung war mit 51,6 Prozent überraschend hoch für einen Bürgerentscheid. Dem Veto kommt auch deshalb besonderes Gewicht zu, weil der Traunsteiner OB Christian Kegel (SPD), der Verein der Freunde der Landesgartenschau und allerlei Lokalgrößen, wie die Verlegerfamilie der Lokalzeitung Traunsteiner Tagblatt, massiv für die Großveranstaltung geworben hatten. Kegel reagierte denn auch sehr frustriert. "Als Demokrat respektiere ich das Ergebnis", sagte er. "Aber in der Sache tut es mir sehr leid - die Gartenschau hätte uns touristisch erhebliche Verbesserungen gebracht."

Stattdessen wird nun die Betriebsgesellschaft für die Landesgartenschau abgewickelt. Sie war erst im November 2015 gegründet worden. Ihre Geschäftsführer werden entlassen, die 25 000 Euro Kapital werden auf die Stadt und die "Gesellschaft zur Förderung der bayerischen Landesgartenschauen" aufgeteilt. Außerdem könnte die Stadt gegenüber der Fördergesellschaft, wie sie allgemein genannt wird, regresspflichtig werden. Denn Traunstein hatte sich ja bereits zur Durchführung der Gartenschau vertraglich verpflichtet.

Die Fördergesellschaft, deren Gesellschafter der Gärtnerei-Verband, der Bund Deutscher Baumschulen und der Verband Garten, Landschafts- und Sportplatzbau sind, hat das Monopol über die Großveranstaltungen. Und zwar nicht nur für den Zuschlag. Kommunen, die eine Landesgartenschau ausrichten, müssen mit ihr eine Betreiber-Gesellschaft gründen. Nur dann erhalten sie Zuschüsse des Umweltministeriums, die aber bei 3,6 Millionen Euro gedeckelt sind. Die Kosten einer Gartenschau betragen ein Vielfaches. In Traunstein veranschlagten sie 26 Millionen Euro.

Die Kosten und die Dominanz der Fördergesellschaft waren die Gründe, warum die Traunsteinerin Helga Mandl ihr Aktionsbündnis gegen die Gartenschau gegründet hat. Sie fühlt sich nun bestätigt. "Traunstein hätte eine Großveranstaltung für 26 Millionen niemals gestemmt", sagt sie. "Zumal fest steht, dass sich die Schulden unserer Stadt in den nächsten vier Jahren ohne Gartenschau fast verdoppeln." Außerdem war Mandl und ihren Mitstreitern die Rolle der Fördergesellschaft zu undurchsichtig. "Nach unserem Eindruck ist der einzige, der wirklich auf seine Kosten kommt, die Fördergesellschaft."

Eben dies kritisiert auch der ORH heftig. Schon 2014 nannte er die Regularien für die Landesgartenschauen "intransparent" und "wettbewerbswidrig". Passiert ist nichts, die Landtags-CSU nahm mit ihrer absoluten Mehrheit die Kritik "zur Kenntnis", wie es auf Bürokraten-Deutsch heißt, wenn etwas in den Schubladen verschwindet. Womöglich ändert sich das nun. "Es zeigt sich schon länger, dass Großprojekte nur mit den Bürgern umgesetzt werden können", sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. "Wir werden mit der Fördergesellschaft über Konsequenzen beraten." Eine Option sei eine Neuausschreibung der Gartenschau 2022. Geht es nach den Grünen, sollten zu allererst die Regularien der Gartenschauen neu gefasst werden. "Wir alle wollen, dass es in Bayerns Städten grünt und blüht", sagt Hartmann. "Über Tulpen freut sich jeder - über Filzblumen keiner."

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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