Nach Bahnunglück:Die Absage des Politischen Aschermittwochs war alternativlos

Nach dem Zugunglück von Bad Aibling ist es eine Frage der Pietät, nicht krachlaut aufeinander einzudreschen. Das Spektakel hat sich ohnehin überlebt.

Kommentar von Hans Kratzer

Der Politische Aschermittwoch zählt zu den populärsten Parteiveranstaltungen im Freistaat. Auch für die Volksbespaßung bringt er beste Voraussetzungen mit, denn schon längst markiert nicht mehr der Faschingsdienstag das Ende der Fasnacht, sondern der von Politgaudi und gehobener Fischkulinarik geprägte Aschermittwoch.

Gerade deshalb war die Absage des Politischen Aschermittwochs einen Tag nach der Zugkatastrophe von Bad Aibling alternativlos. Es ist ein Gebot der Pietät und des Respekts vor den Opfern des tragischen Zugunglücks, diesmal auf ein Spektakel zu verzichten, das in seinem Kern sowieso fragwürdig geworden ist. Mittlerweile konterkariert der Aschermittwoch geradezu seinen ursprünglichen Sinn. Schließlich markiert er ja den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit, die katholische Kirche vermerkt ihn als strengen Abstinenztag.

Der Aschermittwoch ist eigentlich ein Tag der Ruhe und Besinnung

Ausgerechnet an diesem Tag der Stille und der Einkehr hat sich die Politik angewöhnt, in derber Bierseligkeit verbal und krachlaut aufeinander einzudreschen. Kein Wunder, dass der Politische Aschermittwoch nur noch als billiges Gaudium wahrgenommen wird.

So wirkt es fast wie ein Menetekel, dass das Unglück die Politik nun zwingt, ihr Dauergeschwätz wenigstens für einen Tag zu unterbrechen und im Angesicht der Tragödie am Aschermittwoch Ruhe und Besinnung einkehren zu lassen.

Wie absurd die Entwicklung zuletzt verlief, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Es ist noch nicht so lange her, dass der einstige Bayernpartei-Chef Joseph Baumgartner in den Verdacht geriet, er habe am Aschermittwoch Fleisch gegessen. Von da an war er moralisch diskreditiert, als Fastenbrecher wurde er mit Mördern und Dieben auf eine Stufe gestellt. Heute ließe man ihn unter dem Geschepper der Masskrüge hochleben.

Man würde gerne tausend Politische Aschermittwoche hintereinander erdulden, könnte man das Zugunglück damit ungeschehen machen. Die Trauer aber verbietet ein solches Spektakel, das sich auch so erkennbar überlebt hat.

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