Mysteriöser Todesfall:Der Tote aus dem Schlamm

Nach dem Tod von Bauer Rupp 2001 dachte man, die Leiche wurde von Hunden gefressen. Doch jetzt hat man sie gefunden.

Stefan Mayr

Der Tod des Bauern Rudolf Rupp im Oktober 2001 erregte bundesweit Aufsehen. Der 52-Jährige hatte jahrelang seine zwei Töchter sexuell missbraucht. Bislang hieß es, seine Familie habe ihn aus Rache erschlagen, zerstückelt und den Hofhunden zum Fraß vorgeworfen.

Mysteriöser Todesfall: Das Auto des Toten: Bislang ging die Justiz davon aus, dass es verschrottet worden war.

Das Auto des Toten: Bislang ging die Justiz davon aus, dass es verschrottet worden war.

(Foto: Foto: dpa)

Im Mai 2005 wurden seine Frau, der Verlobte einer Tochter und deren Schwester wegen gemeinschaftlichen Totschlags verurteilt. Nun muss der Fall Rupp um ein weiteres, nicht minder skurriles Kapitel erweitert werden. Denn am Dienstag wurde in der Donau das Auto des Getöteten gefunden - mitsamt einem Skelett auf dem Beifahrersitz.

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord liegt ein vorläufiges Obduktionsergebnis vor, demnach handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Leiche des Rudolf Rupp. Damit muss der damalige Indizienprozess vor dem Landgericht Ingolstadt neu bewertet werden.

Zunächst ließ sich die Polizei mit der Bergung des Mercedes 230E einige Wochen Zeit. Bereits im Februar hatte die Eon Wasserkraft GmbH mitgeteilt, dass sie vor der Donau-Staustufe bei Bergheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) im Flussbett zwei Pkw gefunden habe. Weil aber niemand wissen konnte, um welche Wagen es sich handelt, dauerte es bis Dienstag, ehe die Polizei mit ihrem Bergungstrupp anrückte.

Erst als ein Taucher die Kfz-Nummer eines der Autos entzifferte, brach bei den Beamten große Betriebsamkeit aus; ND - AE 265, es war der Wagen des Rudolf Rupp. Bislang ging die Justiz davon aus, dass das Auto verschrottet worden war. Kurze Zeit später trafen Kriminalpolizisten und Staatsanwälte am Ufer ein - und erlebten die zweite Überraschung mit: Als der verschlammte Wagen mit dem Heck nach oben aus der Donau gehievt wurde, barst die Windschutzscheibe.

Zum Vorschein kamen jede Menge Schlick - und ein menschliches Skelett, bekleidet mit einem karierten Hemd.

"Neues Verfahren möglich"

Im Prozess waren Staatsanwaltschaft und Gericht davon ausgegangen, dass die Täter die Leiche zerstückelt und an die Hofhunde verfüttert hätten. So hatte es jedenfalls der Haupttäter Matthias E. zunächst erzählt. Obwohl er dieses Geständnis später widerrief, begründete das Gericht damit sein Urteil auf achteinhalb Jahre Haft gegen die Ehefrau des Toten und den Verlobten seiner Tochter. Eine der beiden Töchter hatte dagegen ausgesagt, ihr Vater sei in einem Baggersee versenkt worden.

Trotz intensiver Suche wurde die Leiche nie gefunden. Nach einem Indizienprozess, in dem alle Angeklagten schwiegen, wurden die Töchter zu zweieinhalb und dreieinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Beide sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Die Pflichtverteidiger der Angeklagten hatten in der fünfmonatigen Verhandlung stets kritisiert, dass weder auf dem Hof Überreste der Leiche noch im Haus ein Hinweis auf die Tat gefunden worden seien. Das Gericht verwarf diesen Einwand jedoch. Die Familie galt als hochgradig verwahrlost und verschuldet, sie lebte vom Verkauf ihrer Felder.

Nach Angaben der Polizei hat das Haus im Neuburger Stadtteil Heinrichsheim bestialisch gestunken, ein Raum sei nur mit Atemschutzgerät begehbar gewesen. Den Töchtern und dem Verlobten wurde im Prozess von psychiatrischen Gutachtern verminderte Intelligenz attestiert - doch bei der Tat ging die Justiz offenbar von einer perfekten Planung und gründlichen Ausführung aus, bei der keinerlei Spur hinterlassen wurde. Selbst bei mehrmaligem Umgraben des Grundstücks wurde kein Leichenteil gefunden.

Nach dem Fund vom Dienstag ist klar warum. Endgültige Sicherheit über die Identität der Leiche soll eine DNS-Analyse ergeben, die noch Tage dauern wird. Die Todesursache ist noch unklar, offenbar wurde die Leiche nicht komplett geborgen. Bislang wurden aber keine äußeren Verletzungen festgestellt.

"Wenn der endgültige Obduktionsbericht Abweichungen von der Urteilsbegründung ergibt, ist es durchaus möglich, dass wir einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen", sagt Rechtsanwalt Norbert Feldmeier, einer der Pflichtverteidiger der Familie.

Der Leitende Ingolstädter Oberstaatsanwalt Helmut Walter schließt eine Wiederaufnahme dagegen aus: "Man kann einen Menschen auch töten, ohne äußere Spuren an den Knochen zu hinterlassen."

Warum Matthias E. die Geschichte vom Verfüttern erfand, kann sich Anwalt Feldmeier nicht erklären: "Die Familie hat auch uns ständig solche Geschichten aufgetischt und uns vor Rätsel gestellt." Er schildert die Verurteilten als "völlig verschlossen" und "keiner Beratung zugänglich".

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