Münnerstadt:Die tapfere Jungfrau

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Die Legende erzählt, dass Maria die Münnerstädter vor den Schweden rettete. Das religiöse Heimatspiel war zwar eine Tourismus-Idee eines umtriebigen Bezirkshauptmannes. Doch das Engagement der Darsteller und Vereinsmitglieder für Stück und Kulisse macht es zum Erlebnis

Von Katja Auer, Münnerstadt

Als die Jungfrau Maria leibhaftig über dem Torbogen mitten in Münnerstadt erscheint, ist klar, dass die Angreifer vor dem Jörgentor den Rückzug antreten können. Schließlich fängt die Gottesmutter die Kanonenkugeln mit bloßen Händen und wirft sie den Zuschauern vor die Füße. Dreimal jedes Jahr rettet die Himmelskönigin die unterfränkische Stadt vor den Schweden im Heimatspiel "Die Schutzfrau von Münnerstadt". Dabei sind nicht nur die Frömmsten dabei, sagt Bruno Eckert, der den Stadtknecht Baltzer Dietmar spielt und Chef der Heimatspielgemeinde ist, "sondern ganz schöne Lackl".

1641 standen die Schweden tatsächlich vor Münnerstadt und zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Warum, das ist nicht überliefert. Aber weil das weniger originell klingt als die Legende von der wundersamen Errettung durch die Gottesmutter, wird eben diese erzählt. Sogar einen eigenen Feiertag gibt es deswegen, am 8. September, an Mariä Geburt, bleiben die Geschäfte zu und die Münnerstädter ziehen in einer Schwedenprozession zu den Stadttoren. Das Heimatspiel allerdings geht nicht auf ein Gelübde, sondern auf die Idee eines umtriebigen Bezirkshauptmannes zurück. Der wollte den Kurgästen etwas bieten und mehr Besucher nach Münnerstadt locken und beauftragte deswegen den Würzburger Pfarrer Ludwig Nüdling, ein Volksschauspiel zu verfassen. 1927 wurde es uraufgeführt, seither wurde, außer in den Kriegsjahren, jedes Jahr gespielt.

Da weinen sie noch um den verwundeten Soldaten, aber gleich wird die Muttergottes wundersam tätig. (Foto: Matthias Hoch)

"Es gibt ältere Leute, für die ist das ein Gottesdienst", sagt Bruno Eckert, der Text des frommen Stücks ist nie verändert worden. Es gehört aber auch einfach zur Stadt, viele machen schon als Kinder mit. Eckert spielt seit 22 Jahren den Stadtknecht, vorher genauso lang den wackeren Kommandanten der Torwache, der von einer schwedischen Kugel schwer verwundet, aber von der Jungfrau Maria am Ende wundersam geheilt wird. Und schließlich die Bürgermeisterstochter kriegt, eine kleine Liebesgeschichte darf schließlich in kaum einem Volksschauspiel fehlen.

Die Kulisse am Anger bilden zwei prächtige Fachwerkhäuser, allerdings mussten die Laienspieler noch vor ein paar Jahren fürchten, dass ihnen bei einem kräftigen Applaus ein Brocken aus der Fassade auf die Bühne fällt. Denn das Heimatspielhaus, das seinen Namen vom Stück bekommen hat, gammelte vor sich hin. 20 Jahren stand es schon leer, als sich 2005 ein Verein gründete, um das Haus zu sanieren. "Wir konnte es doch nicht verfallen lassen", sagt Susanne Stäblein, die stellvertretende Vorsitzende. 60 000 Euro mussten die Mitglieder für den Kauf sammeln, die Sanierung kostete anderthalb Millionen Euro. "Manchen haben schon gesagt, ihr spinnt doch", sagt Christine Schikora, ebenfalls Vereinsvize. Aber die Fördersummen waren hoch und das Engagement ebenfalls. Flohmärkte wurden organisiert, Kuchen gebacken und jeden Donnerstag und Samstag kamen die Helfer zum Arbeitseinsatz. "Zwischendurch gab es schon Durststrecken", sagt Stäblein, da musste etwa ein Kredit aufgenommen werden, weil das Fördergeld noch nicht da war. Aber 2011 fand das Heimatspiel zum ersten Mal vor sanierter Kulisse statt, 2012 war das Haus auch innen fertig. Eine Kunstgalerie ist jetzt drin und die oberen Räumen werden für Veranstaltungen vermietet. "Die emotionale Unterstützung in der Stadt war sehr groß", sagt Christine Schikora, die Münnerstädter hängen an ihrem Heimatspielhaus. Viele spendeten, die Bäcker und Metzger spendierten die Brotzeit für die Helfer, die Gastronomen veranstalteten zum Abschluss ein großes Fest. Für das Haus gewann der Verein ein paar Denkmalschutz-Preise.

Das Heimatspielhaus ist die Kulisse für das Stück. Christine Schikora (links) und Susanne Stäblein haben sich für den Erhalt eingesetzt. (Foto: Matthias Hoch)

Getan ist die Arbeit allerdings nicht, denn der Unterhalt des Hauses ist teuer. Der große Gewölbekeller könnte noch etwas hergerichtet werden und auch am Dachboden ist noch nichts gemacht. Seit die Fassade wieder so hübsch aussieht, hat die Aufmerksamkeit etwas nachgelassen, sagt Susanne Stäblein. Gerne könnten öfter noch Veranstaltungen stattfinden, sagt sie, schließlich soll das alte Haus mit Leben erfüllt werden. Ein Museum wollte keiner aus dem Heimatspielhaus machen.

Pläne für ein Hotel gab es schon mal, noch bevor der Verein entstand, daraus wurde allerdings nichts. Darüber sind die meisten recht froh in Mürscht, wie die Einheimischen ihr Städtchen nennen, es hätte das Haus zu sehr verändert. Genauso wie das Nachbargebäude, das ebenso vor sich hinbröckelte. Das entdeckten Christine Schikora und ihr Mann Oliver als sie in den Verein eintraten, um das Heimatspielhaus zu retten. Das machten sie dann auch mit dem Nachbarhaus, heute ist auch das saniert und dient als schöne Kulisse für das Heimatspiel. Das gehört freilich dazu. Sogar im Kaufvertrag wurde festgeschrieben, dass die beiden ihren Hausflur während des Spiels zur Verfügung stellen müssen. Denn aus ihrer Haustür kommen die Schauspieler auf die Bühne.

Das Heimatspiel wird am 6. und 13. September von 14.30 Uhr an nochmals aufgeführt. www.heimatspiel-muennerstadt.de. Für den Tipp danken wir Christine und Oliver Schikora aus Münnerstadt.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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