Betreiberwechsel bei S-Bahn in Nürnberg:"Auf dem Rücken der Beschäftigten"

Privatfirma übernimmt S-Bahn Nürnberg

Die Deutsche Bahn versucht mit einem Einspruch bei der Vergabekammer den Betreiberwechsel bei der Nürnberger S-Bahn doch noch zu verhindern.

(Foto: Karmann/dpa)
  • Von Ende 2018 an wird statt der Deutschen Bahn das britische Unternehmen National Express das S-Bahn-Netz in Nürnberg betreiben.
  • Die Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft fürchtet, dass der Wettbewerb der Unternehmen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.
  • Offen ist aber noch immer, wann die Bayerische Eisenbahn-Gesellschaft die Münchner S-Bahn ausschreibt.

Von Marco Völklein, München/Nürnberg

Klaus-Dieter Hommel fährt schweres rhetorisches Geschütz auf: "Pervers" sei das, was der Freistaat da vor hat mit der S-Bahn Nürnberg. Bayerische Verkehrspolitiker agierten "scheinheilig" und "unredlich", schimpft der Vize-Chef der Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Auf der einen Seite fordere der Freistaat die Gewerkschaften auf, für die Beschäftigten, sollten sie künftig für den neuen Betreiber National Express arbeiten, ordentliche Tarifverträge abzuschließen. Auf der anderen Seite aber arbeite die Koalition in Berlin daran, das Streikrecht bei Unternehmen der Daseinsvorsorge, und dazu zählt auch der Eisenbahnverkehr, zu beschneiden. Letztlich, sagt Hommel, "wird der Wettbewerb so auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen".

Vor sieben Wochen entschied die Bayerische Eisenbahn-Gesellschaft (BEG), die im Auftrag des Freistaats den Bahnverkehr in Bayern organisiert, bestellt und bezahlt, dass von Ende 2018 an nicht mehr wie bisher die Deutsche Bahn (DB) das zweitgrößte S-Bahn-Netz Bayerns betreibt. Sondern dass der Zuschlag an das britische Unternehmen National Express geht. Seither kommt die Region nicht zur Ruhe: Politiker kritisierten die Entscheidung, weil sie fürchten, dass beim Übergang vom alten auf den neuen Betreiber der Großraum im Chaos versinken könnte.Vor allem aber bangen viele der 500 DB-Beschäftigten um ihre Jobs, wie Jens Schwarz, Chef des DB-Konzernbetriebsrats, betont: "Derzeit gibt es kein Gesetz, das den Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel gewisse Lohn- und Sozialstandards sichert." Beim Anbieter Agilis in Regensburg etwa, sagt der bayerische EVG-Chef Paul Eichinger, bekämen die Beschäftigten etwa 15 Prozent weniger als bei der DB. Mit einem Tariftreuegesetz, wie es in anderen Bundesländern längst gilt, könnte dies verhindert werden.

Keine Regelung zu den Personalkosten

Die Staatsregierung allerdings verweigert sich einem solchen Gesetz konsequent. Zwar schreibt die BEG in ihren teils telefonbuchdicken Ausschreibungsunterlagen den Betreibern genau vor, welche Sitzabstände in den Zügen einzuhalten sind und wie viele Zugbegleiter mitfahren müssen - "was aber nicht festgelegt ist, sind die Personalkosten", sagt Hommel. Und genau über diese Stellschraube, argwöhnt der Gewerkschafter, würden Konkurrenten wie National Express versuchen, die Preise zu drücken und so den Zuschlag für einzelne Netze zu ergattern. "Da ist dem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet."

National Express allerdings widerspricht: Wegen des starken Fachkräftemangels etwa bei Lokführern könne man sich eine untertarifliche Bezahlung gar nicht erlauben, sagt Firmenchef Tobias Richter. Dennoch brennt den Gewerkschaftern und Betriebsräten das Thema unter den Nägeln: Denn die BEG will in den nächsten Jahren sämtliche Schienennetze Bayerns in den Wettbewerb gebracht haben - darunter auch das mit Abstand größte Netz, das der Münchner S-Bahn. Allein hier beschäftigt die DB gut 1000 Leute. Nicht nur die EVG, auch Vertreter der Konkurrenzgewerkschaft GDL fordern daher vom Freistaat, vorher Tarif- und Sozialregeln für den Fall festzulegen, dass ein anderer Anbieter als die DB zum Zuge kommt.

Offen ist aber noch immer, wann die BEG die Münchner S-Bahn ausschreibt. Fachleute und externe Berater tüfteln seit Monaten aus, wie sie das komplizierte Netz so aufzuteilen können, dass es für diverse Anbieter interessant wird. Auch die Manager der DB bereiten sich auf den Tag X vor - und versuchen gleichzeitig, den Verlust des Nürnberger Netzes doch noch irgendwie abzuwenden: So hat die DB bei der Vergabekammer Einspruch gegen die BEG-Entscheidung eingelegt. Am Dienstag tagte die Kammer erstmals hinter verschlossenen Türen. Ein Ergebnis wird nicht vor Ostern erwartet.

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