München:Flucht nach vorne

München: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (links) suchte das Gespräch mit freiwilligen Flüchtlingshelfern.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (links) suchte das Gespräch mit freiwilligen Flüchtlingshelfern.

(Foto: Rolf Poss/oh)

Landtagspräsidentin Barbara Stamm lädt Flüchtlingshelfer zum Gespräch. Viele Ehrenamtliche nutzen die Gelegenheit, um ihrem Ärger Luft zu machen

Von Dietrich Mittler

Barbara Stamms Augen blitzen auf - so, als habe sie die Frage der BR-Fernsehreporterin erwartet. Ausgerechnet an jenem Tag, an dem sie, die Landtagspräsidentin, mit ehrenamtlichen Asylhelfern aus ganz Bayern in einen konstruktiven Austausch treten will, grätscht Parteifreund Markus Söder dazwischen und erwägt im Magazin Focus Leistungskürzungen bei der Flüchtlingsversorgung. "Ich glaube, es wäre gut, wenn wir uns jetzt in Ruhe an die Arbeit machen würden und nicht jeden Tag mit Botschaften kommen, die erneut Diskussionsstoff hervorrufen", sagt Stamm verärgert.

Für die Landtagspräsidentin - derzeit gesundheitlich angeschlagen - waren die Tage vor dem Empfang am Samstag ohnehin eine Nervenprobe. Etliche Flüchtlingshelfer hatten angekündigt, diese Veranstaltung zu boykottieren. Die Äußerung des CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer vom Fußball spielenden und ministrierenden Senegalesen, der kaum noch abzuschieben sei, hatte zudem dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen ehrenamtlichen Helfern und der CSU zu zerrütten. Doch Stamm muss ihre Begrüßungsrede nicht vor vielen leeren Stuhlreihen halten. Bis weit auf die Straße reicht am Samstag die Schlange vor dem Maximilianeum - mittendrin der junge Syrer Eyad Alrayes, der in Bad Abbach gut 40 Asylbewerbern bei Behördenbesuchen als Übersetzer beisteht. "Ich möchte mich hier mit anderen Helfern austauschen", sagt er. Das hat er mit dem Bundeswehr-Oberst Max Lindner gemeinsam, der sich mit seinen uniformierten Männern ebenfalls in die Schlange einreiht: "In erster Linie erwarten wir uns hier interessante Gespräche", sagt er.

Einige sind aber auch einfach deshalb gekommen, weil sie eine Einladung hatten. "Ich habe nur vor, mich hier bedienen zu lassen", sagt eine Helferin - halb im Spaß. Viele aber erhoffen sich ernsthafte Gespräche mit Politikern - etwa darüber, wie lokale Behörden die Integrationsarbeit behindern. Stephan Theo Reichel, bei der evangelischen Landeskirche zuständig für die Koordination im Bereich Kirchenasyl, hat da als Privatmann eine klare Meinung: "Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer haben keine Mitsprache, obwohl sie im Wesentlichen die Arbeit machen", sagte er.

Stamm verspricht in ihrer Rede vor gut 1000 Zuhörern, sich genau dafür einzusetzen. "Wir wollen mit Ihnen heute ins Gespräch kommen, und wir wollen nicht nur Lobesreden hören", sagt sie. Jeder könne an diesem Tag seine Vorstellungen und Fragen anbringen - alles werde an die zuständigen Stellen weitergeleitet. "Es wird hier niemand hinausgeschmissen", sagt sie auch. Ihr sei es eine Herzensangelegenheit, Helferinnen und Helfern nicht nur "Wertschätzung, sondern auch Zeit zu schenken". Sie macht indes keinen Hehl daraus, dass ihr der angekündigte Boykott der Landtagsveranstaltung zugesetzt habe. Angesprochen auf eine Gegenveranstaltung streikender Flüchtlingshelfer in Landsberg, gibt sich Stamm jedoch versöhnlich: "Warum nicht, wir leben in einer Demokratie. Es sei jedem freigestellt dort hinzugehen, "wo er meint, besser gehört zu werden". Ihr Ehrgeiz sei, dass die meisten Helfer später mal sagen: "im Landtag!"

Aber unter den Gästen sind auch solche, die lediglich mitteilen, gleich wieder zu gehen, nachdem sie ihr Protestschreiben gegen die Asylpolitik der CSU abgegeben haben: "Die Hauptveranstaltung findet für mich in Landsberg statt", sagt etwa Heinz Drobe als Abgesandter des Helferkreises Poing am Rande der Veranstaltung. Enttäuscht von der Asylpolitik der Staatsregierung, sei er nach 15 Jahren Parteimitgliedschaft aus der CSU ausgetreten. "Es tut mir sehr leid, als Konservativer meine politische Heimat in Bayern verloren zu haben", sagt er. Stamm indes lässt es alle wissen: "Ich bin heute nicht als CSU-Politikerin hier, sondern als Landtagspräsidentin, da kann man mir nicht den CSU-Hut aufsetzen." Bereits vor einem Jahr habe sie mit Vertretern aller Landtagsfraktionen vereinbart, diesen Empfang zu machen.

Das würdigt gar die Fraktionschefin der Grünen. Margarete Bause übt dennoch Kritik: "Ich hätte mir gewünscht, dass die Helferinnen und Helfer Gelegenheit gehabt hätten, ihre Anliegen in der großen Runde zu äußern." Abseits der Politikbühne fallen indes solche Worte: "Ich beobachte mit Sorge die momentane Entwicklung, in der es heißt, Hilfe mache uns ärmer", sagt etwa Clemens Krauthausen, ein Flüchtlingshelfer aus dem Kreis Starnberg. Genau das Gegenteil sei der Fall

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