Mühlenviertel:Ein Loch bedroht Bambergs Welterbe-Titel

Mühlenviertel: Die Luftaufnahme von 1920 zeigt Bambergs Mühlenviertel, bevor es eine Bombe traf. Nun soll ein Neubau mitten in der Regnitz entstehen.

Die Luftaufnahme von 1920 zeigt Bambergs Mühlenviertel, bevor es eine Bombe traf. Nun soll ein Neubau mitten in der Regnitz entstehen.

(Foto: Stadtarchiv)

Die Lücke im Mühlenviertel klafft schon seit dem Zweiten Weltkrieg. Nun soll dort ein Wasserkraftwerk hineingebaut werden, doch der Entwurf stößt auf Kritik: zu langweilig.

Von Katja Auer, Bamberg

Es ist ein trauriges Häufchen Steine, das von der ehemaligen Sterzermühle übrig geblieben ist. Eine Fliegerbombe hat gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eine Wunde ins Herz von Bamberg gerissen und da klafft sie immer noch, mitten im Welterbe.

Vom historischen Brückenrathaus können die mehr als sechs Millionen Touristen im Jahr gut hinüberschauen auf die Ruine in der Regnitz. Nach mehr als 70 Jahren soll der letzte Kriegsschaden in Bambergs Altstadt nun beseitigt werden, der Stadtrat hat zugestimmt, im Herbst wird vielleicht schon gebaut. Ein Münchner Investor hat die alte Mühle gekauft und will darauf ein Wasserkraftwerk errichten, versteckt unter einem Bau, der ein Restaurant und das Welterbezentrum der Stadt beheimaten soll.

Ein solches Vorhaben lässt sich in einer der schönsten Städte Bayerns freilich nicht einfach so umsetzen. Ganz ohne Diskussionen. Immerhin liegt der Mauerrest im historischen Mühlenviertel nicht nur deswegen schon seit Jahrzehnten brach, weil die Stadtwerke lange keine wirtschaftliche Möglichkeit sahen, die Wasserkraft wieder zu nutzen, sondern auch deswegen, weil man sich nicht auf die Gestaltung einigen konnte.

Vor zehn Jahren gab es einen Architektenwettbewerb, der einige gewagte Entwürfe hervorbrachte. Runde Glastürme und schräge Fassaden wurden da vorgeschlagen und noch allerhand Zeitgenössisch-Experimentelles, über das sich die Bamberger so sehr aufregten, dass der frisch gewählte Oberbürgermeister Andreas Starke, der mit den Unteren Mühlen eben erst noch Wahlkampf gemacht hatte, das Thema kurzerhand auf Eis legte. Ein Moratorium also, das seither währte. "Damit hätten die meisten wahrscheinlich 100 Jahre leben können", sagt Baureferent Thomas Beese, die Bamberger hatten sich längst an die Lücke im Stadtbild gewöhnt.

Aber dann passierte der Reaktorunfall in Fukushima und die alternativen Energien wurden interessant. "Wir reden gar nicht von Architektur, wir reden von Wasserkraft", sagt Beese. Die Stadtwerke verkauften das Areal an einen Investor, der mehrere Wasserkraftwerke betreibt und mit dem Bamberger Architekten Heinz Rosenberg Pläne machte. "Über den Antrag muss der Bausenat so befinden, wie er vorliegt", sagt Beese, ob der Entwurf den Stadträten gefällt oder nicht. Den meisten gefiel er offenbar, mit zwölf gegen zwei Stimmen stimmte der Senat zu. Nun müssen noch Wasserrechte geklärt werden und die Frage, ob Bodendenkmäler gefährdet sind.

Dass zugestimmt wurde, obwohl diese Dinge offen seien, kritisiert die Grüne Ursula Sowa, selbst Architektin. Vor allem aber gefällt ihr der Entwurf nicht. "Mittelmäßig" findet sie ihn, "das ist keine gute zeitgenössisches Architektur". Sie hätte zum Beispiel gerne den Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor bauen lassen, der war kürzlich in der Stadt und habe Interesse gezeigt.

Was vor zehn Jahren vielen zu gewagt erschien, ist manchen jetzt zu langweilig. "Sicherlich gibt es für diese Stelle mehr als nur eine denkbare Architektursprache", formuliert es Beese diplomatisch. Gerade weil der Platz so zentral liege, goutierten die Stadträte offenbar die zurückhaltende Planung. Tatsächlich sind es diesmal weniger die aktiven Bürger, die sonst wachsam auf ihre Welterbe-Stadt schauen, die Bedenken äußern, als vielmehr Berufskollegen, auch solche von außerhalb. Die Lokalzeitung erreichen Leserbriefe aus Bremen, ein Architekt warnt vor einer Gefahr für den Welterbe-Titel.

Mühlenviertel: Diesen Entwurf (Simulation: Architekturbüro Rosenberg) findet mancher zu langweilig.

Diesen Entwurf (Simulation: Architekturbüro Rosenberg) findet mancher zu langweilig.

(Foto: Architekturbüro Rosenberg)

Das fürchtet Sowa zwar nicht, sie kritisiert aber, dass die Bedenken des Stadtgestaltungsbeirats nicht ernster genommen worden seien. Das Gremium wird zu baulichen Fragen gehört, ein Widerspruchsrecht hat es nicht. "Wir haben schon ziemlich den Finger in die Wunden gelegt", sagt der Vorsitzende, der Münchner Architekturprofessor Ludwig Wappner. Er will den Entwurf nicht zu sehr kritisieren, immerhin ist es ein privates Bauvorhaben. Das allerdings ist der Punkt, der bedenkenswert erscheint. "Dass man so was nicht über einen Wettbewerb lösen kann, zeigt schon, dass starke Kräfte am wirken sind", sagt er. Im Stadtrat seien viele froh gewesen, dass sich überhaupt jemand gefunden hat, der sich der Baulücke annimmt. Aber auch Beese räumt ein, dass es "eine interessante Alternative" gewesen wäre, hätte die Stadt das Areal selbst entwickelt. Zumal sie die Räume anmieten will, um darin das Welterbezentrum unterzubringen.

Architekt Heinz Rosenberg sieht es inzwischen gelassen, dass sein Entwurf dem einen zu wenig und dem anderen viel zu mutig ist. Das gehört wohl zum Berufsrisiko. Nur, dass man wenigstens oberhalb der Gürtellinie agiere mit der Kritik, das hätte er sich schon gewünscht, sagt er.

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