Mühldorf:Drei Märsche zum letzten Geleit

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Einzigartig bis zum Abschied: Ingrid Unertl (mit ihrem Mann Wolfgang). (Foto: privat)

Das Begräbnis der Mühldorfer Bräuin und Wirtin Ingrid Unertl

Von Rudolf Neumaier, Mühldorf

Die Mühldorfer Nikolauskirche glich am vergangenen Freitag einer Kathedrale. Und das Requiem, das darin gefeiert wurde, erinnerte an jene Zeremonien, die für außergewöhnliche Persönlichkeiten inszeniert werden. Helmut Schmidt, Hildegard Knef, Rudolph Moshammer. Irgendwo dazwischen sah sich wahrscheinlich Ingrid Unertl. Ihr Sarg stand im Kirchenschiff von St. Nikolaus. Am Katafalk wachten Enkel und Kellner stramm wie die Recken vom protokollarischen Dienst der Bundeswehr. Die Kirche war natürlich voll - "bummvoi", wie die Betrauerte gesagt hätte, wenn ein Veranstaltungsraum vor Überfüllung zu bersten drohte, sei es eine Kirche oder ihr Festzelt auf dem Mühldorfer Volksfest. Die Wirtin und Bräuin liebte ein volles Zelt.

Mühldorf war früher nicht bayerisch. Es hob sich als Exklave Salzburgs immer ab von seinem Umland. Die Altstadt hat pittoreske Ecken, wirkt aber mit ihrem weiten Stadtplatz recht mondän. Hier leben nicht Bürger, hier leben Patrizier. Und als Brauereichefin war Ingrid Unertl die Oberpatrizierin. Das muss man erst mal hinkriegen, Dienstleisterin und Autoritätsperson und Grand Dame auf einmal zu sein. Sie kannte hochrangige Politiker wie Strauß und Stoiber und berühmte Schauspieler. Die Köche Alfons Schuhbeck, Eckart Witzigmann, Hans Haas vom Tantris und Gerd Käfer selig betrachtete sie als Kollegen. Von Käfer ist der Spruch überliefert: "Wer kein Unertl trinkt, ist selber schuld." Mit Schuhbeck stritt sie im vergangenen Sommer auf Augenhöhe über die perfekte Schwammerlsuppe. Sie hatte auf dem Volksfest die Bierzelt-Verköstigung revolutioniert, warum sollte sich ein Restaurant-Koch aus München mit der Schwammerlsuppe besser auskennen als sie?

Ingrid Unertl ist mit 72 Jahren gestorben. Im Sterbebett soll sie gesagt haben, der Abschied von der Welt falle ihr nicht allzu schwer, allein dass sie das nächste Volksfest nicht mehr erlebe, das gräme sie sehr. Einen Pomp funebre wie diesen hat Mühldorf kaum je zuvor erlebt, und das lag nicht nur an der Zahl der Trauergäste, weit über tausend waren's. Die Unertlin, wie die Mühldorfer sie mit Respekt nannten, hatte ausgefallene Musikwünsche für ihren Abschied. Die Stadtkapelle erfüllte sie und blies nach Kräften. Mit dem Trio aus dem Marsch "Mein Heimatland" fuhr der Sarg zur Gruft, es folgte der Lieblingsmarsch der Toten, "Dem Land Tirol die Treue", ehe der Bayerische Defiliermarsch erklang - Musik also, die eher Durst auf eine Mass Bier hervorruft als Tränen. Werner Hussy, der Chef der Stadtkapelle, sagte hernach, sie sei "bestens angekommen". Der städtische Volksfest-Manager Walter Gruber war ergriffen von der Atmosphäre: "Diese Beerdigung war anders. Und besonders. Sie war, wie Ingrid Unertl halt auch war."

Alle ihre Volksfestbedienungen standen vor der Gruft Spalier. Am Ende wurde ein "Großer Gott, wir loben dich" angestimmt. Ja, so war sie, die Unertlin. In seiner Trauerrede zitierte ihr Sohn Wolfgang einen ihrer prägenden Aussprüche: "Versuchen Sie mich zu vergessen, es wird Ihnen nicht gelingen."

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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