Mordprozess in München:"Dann war sie ruhig"

Einen Tag nach der Tat ging sie mit der Kreditkarte des Opfers einkaufen: In München muss sich eine 49-jährige Frau wegen des Mordes an einer vermögenden Boutiquenbesitzerin verantworten. Im Publikum fotografiert Veronica Ferres. Sie will sich offenbar für eine Fernsehserie inspirieren lassen.

Von Andreas Salch

Nur einen Tag nachdem sie die Boutiquen-Besitzerin Ursula M. mit dem Tragegurt ihrer Handtasche erwürgt hatte, ging Ursula D. mit der Kreditkarte der 65-Jährigen in München einkaufen. Knapp 600 Euro gab sie aus. Für Parfüm, Duftkerzen und Kosmetika. Da sie die Kreditkarte einer Toten benutzte, geriet die 49-jährige Verkäuferin schnell ins Visier der Kriminalpolizei-Fahnder der Ermittlungsgruppe "Seeblick". Ursula M.s Herren-Boutique in Rottach-Egern lag nämlich direkt am Tegernsee. In ihr sollen sich Show-Größen wie Thomas Gottschalk oder Frank Elstner die Türklinke in die Hand gegeben haben.

Die Fahnder konzentrierten sich bei ihren Ermittlungen bald auf eine blonde Frau, die sie auf einem unscharfen Foto einer Überwachungskamera entdeckt hatten. Es zeigte Ursula D., als sie in einem Münchner Beauty-Shop einkaufte. Da Spuren vom Tatort zu ihr passten, wurde sie am 4. Januar dieses Jahres festgenommen. Seit Donnerstag muss sich die Mutter von zwei Kindern vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Mordes aus Habgier erhoben.

Ursula D. wirkt gefasst, als sie von zwei Polizisten in den Sitzungssaal B 266 geführt wird. Sie trägt einen gestreiften dunklen Hosenanzug, sieht gepflegt aus und macht einen wachsamen Eindruck. Die Arme verschränkte sie vor der Brust. Der Zuschauerraum ist fast voll besetzt. Plötzlich weist einer der beisitzenden Richter eine Frau in der letzten Reihe laut und scharf zurecht.

Ferres muss Aufnahme wieder löschen

Es ist die Schauspielerin Veronica Ferres. Sie trägt vermutlich eine Perücke, um nicht erkannt zu werden. Sie wird gerügt, weil sie mit ihrem Smartphone ein Foto gemacht hat, obwohl die Verhandlung schon begonnen hat. Unter den Augen eines Polizisten muss die Schauspielerin die Aufnahme sofort wieder löschen. Später soll Ferres einem Boulevard-Journalisten gesagt haben, dass sie sich von dem Fall für eine Fernsehserie habe inspirieren lassen wollen.

Vielleicht nicht für eine Fernsehserie, für ein Drama aber würde das Leben der mutmaßlichen Mörderin Ursula D. bestimmt ausreichend Stoff hergeben. Die 49-Jährige leidet seit vielen Jahren an Depressionen und hat drei Suizidversuche unternommen. Ihre Ehe ist geschieden. Zwei Kosmetikstudios für "dauerhafte Haarentfernung" gingen in die Insolvenz. Ihr letzter Partner will nichts mehr von ihr wissen. Zuletzt lebte die 49-Jährige von Krankengeld.

"Sie sollte aufhören da rumzuzappeln"

In der Nacht bevor sie Ursula M. am 5. November vergangenen Jahres in deren Wohnung in Rottach-Egern erwürgte, habe sie einen Albtraum gehabt, berichtet die Angeklagte bei ihrer Vernehmung vor Gericht. Ein Mann habe sie verfolgt. Sie sei hilfesuchend auf Ursula M. zu gerannt. Die 65-Jährige sei am Ufer des Tegernsees gestanden. Doch sie habe ihren Arm ausgestreckt und sie in den See geschubst. Da sei sie wach geworden, so D. Den ganzen Tag über habe sie von da an Ursula M. denken müssen. Die Angeklagte hatte die 65-Jährige zwei Jahre zuvor kennengelernt. Sie suchte damals einen Job und arbeitete zur Probe in deren Boutique. Die Stelle sagte ihr aber nicht zu.

Ursula D. hatte damals beobachtet, dass Ursula M. stets eine "Geldtasche" bei sich hatte. Da sei ihr an jenem 5. November der Gedanke gekommen, "dass ich diese vielleicht rauben könnte". Es sei gegen 16 Uhr gewesen, als sie sich angezogen und ein einseitig geschliffenes Brotmesser in ihre schwarze Umhängetasche gelegt habe. Dann fuhr sie von Bad Wiessee aus, wo sie zuletzt wohnte, mit dem Bus nach Rottach-Egern. "Ich habe gar nicht überlegt", berichtete die Verkäuferin.

"Ich will bitte Ihre Geldtasche haben"

Dort habe sie zunächst aus einiger Entfernung beobachtet, wie Ursula M. kurz nach 18 Uhr ihre Boutique zuschloss. Sie wohnte im selben Haus, in dem auch ihr Geschäft war. Ursula D. folgte ihr unbemerkt. Da sie den Namen der 65-Jährigen nicht auf dem Klingelbrett fand, habe sie "willkürlich bei irgendjemandem" geläutet. Ihr wurde geöffnet. Sie sei in den ersten Stock gelaufen. Ursula M. habe noch in der Tür ihrer Wohnung gestanden. Was sie von ihr wolle, habe sie sie gefragt. "Ich will bitte Ihre Geldtasche haben", habe sie gesagt, so die Angeklagte.

Dann habe sie ihr Messer aus ihrer Tasche hervorgeholt. Ursula M. habe sich heftig gewehrt und ihr das Messer abgenommen. Es sei zu einer Rangelei gekommen. In deren Verlauf wickelte Ursula D. den Tragegurt ihrer Tasche um den Hals ihres Opfers und zog zu. "Sie sollte aufhören da rumzuzappeln, ja. Dann war sie ruhig, dann lag sie da, ja", sagte Ursula D. Statt einer "Geldtasche" fand sie nur 250 Euro sowie die EC- und Kreditkarte der Getöteten. Der Prozess dauert an.

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