Modellstadt für Elektroautos:Schöner fahren in Seehofer-City

Der bayerische Ministerpräsident hat in Peking die Elektromobilität für sich entdeckt: Nun träumt Horst Seehofer von einer Stadt im Freistaat, in der Benzinfresser verboten sind.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will in Bayern eine Modellstadt für Elektroautos einrichten. Das Kabinett werde sich am kommenden Dienstag mit dieser Idee befassen, sagte Seehofer in der ostchinesischen Stadt Qingdao. Inspirieren ließ sich der bayerische Regierungschef auf der Pekinger Messe "Auto China".

Horst Seehofer, Auto China, dpa

Auf der Messe "Auto China" in Peking ließ sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) inspirieren - und plant nun eine Modellstadt für Elektroautos im Freistaat.

(Foto: Foto: dpa)

"Ich möchte, dass Bayern die Nummer eins wird in der Elektromobilität." Er denke für das Projekt zunächst an eine Stadt mit rund 10.000 Einwohnern. Nach Ansicht des CSU-Chefs muss beim Zukunftsthema Elektroantriebe schnell etwas getan werden. "Jetzt geht's nur mit Tempo, wenn man da nicht verlieren will", sagte er mit Verweis auf die Fortschritte in China bei der Entwicklung von Elektroautos und Batterietechnik.

Nachholbedarf auf deutscher Seite

Es ist die Sorge vor dem "gewaltigen Konkurrenten" China, die Seehofer umtreibt. Die Automobilindustrie im Freistaat dürfe nicht das gleiche Schicksal ereilen wie dereinst die Steinkohlebergwerke im Ruhrgebiet, warnte er.

Der Präsident der Technischen Universität München (TU), Wolfgang Herrmann, sieht das ähnlich. "Die deutsche Automobilindustrie hat die Elektromobilität verschlafen", beklagte Herrmann, der zu Seehofers Delegation gehört. "Die Chinesen sind auf dem Gebiet sehr weit. Da müssen wir nachholen", mahnte der Wissenschaftler.

Dem widersprach Audi-Finanzvorstand Axel Strotbek, der ebenfalls mit Seehofer in Peking unterwegs war. Eine Bedrohung für den Automobilstandort Bayern durch die chinesischen Fortschritte in der Elektromobilität sieht er nicht. "Wir hatten bei Audi schon vor zehn Jahren einen Hybrid, aber da war unser 'Vorsprung durch Technik' zu groß. Wir waren zu schnell und zu früh."

Außerdem seien Stromautos noch längst nicht massenproduktionstauglich. "Binnen zehn Jahren wird es mit Sicherheit keinen Umstieg komplett auf Elektroantriebe geben. Die Batterien, die Infrastruktur, das ist alles noch nicht in großem Maßstab technisch realisierbar."

Peking macht vor, wie es geht

Seehofers Vision einer Elektroauto-Stadt ist in China dagegen bereits wahr geworden: Seit einigen Jahren sind in der Innenstadt von Peking keine stinkenden und knatternden Mofas oder Roller mit Benzinmotor mehr unterwegs. Mit standardisierten, abnehmbaren Akkus, die sich zu Hause an der Steckdose aufladen lassen, sausen die lautlosen Flitzer herum. So etwas, nur mit Autos aus bayerischer Produktion, stellt sich Seehofer auch für die noch zu findende Modellstadt vor.

"Jetzt probieren wir es halt mal"

Der deutsche Botschafter in Peking, Michael Schaefer, lobte, die Chinesen hätten sehr frühzeitig erkannt, "dass Elektromobilität ein Zukunftsthema ist und wirtschaftliche Wachstumspotenziale bietet". Bei Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge seien chinesische Forscher inzwischen führend. "Das ist eine Schlüsseltechnologie für Mobilität in Großstädten", betonte der Botschafter: "Die Chinesen planen, den gesamten öffentlichen Nahverkehr inklusive Taxis auf Elektro umstellen."

TU-Chef Herrmann möchte diesbezüglich von den Chinesen lernen und hat deshalb bei der Reise ein Partnerschaftsabkommen mit der Pekinger Tsinghua-Universität unterzeichnet. Die Hochschulen wollen ein gemeinsames Forschungslabor für Elektromobilität aufbauen. Sonst sei immer von der Wissensabwanderung nach China die Rede. "In dem Fall kann Deutschland profitieren", hofft Herrmann.

"Für die Chinesen bereits alltäglich"

Botschafter Schaefer führt die über Jahre hinweg zögerliche Haltung in Deutschland gegenüber Elektrofahrzeugen auch auf Mentalitätsunterschiede zurück. "Bei uns ist vielleicht der eine oder andere wegen der geringeren Reichweite und Sportlichkeit der Autos skeptisch. Für die Chinesen, die ja ihre Elektro-Mofas fahren, ist ein Elektromotor bereits eine alltägliche Sache."

Und womöglich hängt die zeitversetzte Entwicklung auch mit den unterschiedlichen staatlichen Weichenstellungen zusammen. In China fördert die Regierung die Elektromobilität großzügig. Bayerns Oppositionschef Markus Rinderspacher (SPD) spricht von einer Milliarde Euro pro Jahr. In Bayern seien dafür im Haushalt hingegen lediglich fünf Millionen Euro vorgesehen.

Auch Seehofer denkt inzwischen an mögliche finanzielle Anreize des Freistaats für das Modellprojekt. Das Wirtschaftsministerium werde die Idee nun prüfen. "Ich weiß nicht, ob das geht", räumte Seehofer ein. Es könne sein, dass es unüberwindbare rechtliche Hindernisse gibt. "Aber jetzt probieren wir es halt mal", sagte der Regierungschef, "auch mit dem Risiko, dass man scheitert".

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