Mitten in Landshut:Busverbindungen zum Fürchten

Das Tarifsystem im öffentlichen Nahverkehr ist vielerorts undurchschaubar. Studien belegen, dass es Geschäftsreisende gibt, die mangels Durchblick auf ein Taxi umsteigen. In Landshut steckt hinter dem vermeintlichen Tarifdschungel allerdings System

Kolumne von Johann Osel

Wer den Ring verlässt, wechselt die Zone - oder nicht? Ist man noch im weißen Innenraum oder im grünen XXL-Bereich oder im roten oder gelben Teil? Wieso ist XXL nicht das Gesamtnetz, wie der Name verheißt? Der Tarifdschungel im Nahverkehr vieler Städte, hier Beispiel München, gilt als Wissenschaft. Zumindest ist in der Landeshauptstadt nun eine Vereinfachungsreform geplant. 57 Prozent der Geschäftsleute, das zeigte vor einigen Jahren eine Umfrage des Spitzenverbands der Reisewirtschaft, sind bereits am System gescheitert und daher aufs Taxi umgestiegen; Frauen (auch wenn man sich das in heutigen Zeiten kaum zu sagen traut) noch öfter. Dafür wird ihnen (was man sich erst recht nicht zu sagen trauen mag) hausmütterlicher Instinkt zugeschrieben. Sie hätten häufiger Ersatzkleidung dabei, falls sie auf Reisen kleckern.

Doch zurück zu den Tarifen - und ins schöne Landshut, wenngleich dieses nur selten als Hotspot für Geschäftsreisende gilt. Unerhörtes hat jetzt die Landshuter Zeitung aufgedeckt. Wer in der Zugspitzstraße im Westen in den Stadtbus steige und zum Ländtor ins Herz der Stadt fahre, zahlt 1,20 Euro. Der Rückweg, die selbe Strecke, kostet 1,90 Euro. Ein Aufpreis von fast 60 Prozent. Wohl ein "lustiger Streich in Verbindung mit einer versteckten Kamera", mutmaßte die Zeitung zunächst; man fragte dann genauer nach bei den Stadtwerken. Alles in allerbester Ordnung, versicherten diese. Die Sache verhalte sich nämlich so: Die fünf Stationen zum Ländtor sind eine Kurzstrecke. Doch stadtauswärts gibt es auf der Route eine sechste Station, als "einseitige Haltestelle". Also: Kurzstrecke überschritten. Fünf solcher Stopps ausschließlich in eine Richtung hat Landshut - jeweils ein möglicher Anlass für einen Preissprung.

Vielleicht ändere sich das bald, hieß es. Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid "Busse, Baby!" im Herbst werde ja das Liniennetz "analysiert". Die Initiatoren hatten damals viele "Busverbindungen zum Fürchten" gesammelt: simple Strecken mit vielfachem Umsteigen und Wartezeiten. Zum Beispiel vormittags vom Krankenhaus zum Wohngebiet am Moniberg. "Auto: 9 Minuten. Rad: 18 Minuten. Zu Fuß: 52 Minuten. Bus: 53 Minuten." Angesichts dessen sind die dubiosen 70 Cent Aufpreis eigentlich doch recht egal.

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