Berchtesgadener Land:Ameisen müssen wegen giftigen Nazi-Erbes am Obersalzberg umziehen

Ameisen

Eine Ameise läuft über das Blatt eines Johannisbeerstrauchs. (Symbolbild)

(Foto: dpa)

Die Gegend rund um den Kehlstein war früher sogenanntes "Führersperrgebiet". Nun werden die Teerwege saniert - mit einigem Aufwand.

Kolumne von Matthias Köpf

Altlasten gibt es am Kehlstein ja genug, vor allem zeitgeschichtliche. Im Dritten Reich war die ganze Gegend vom Tal in Berchtesgaden über Hitlers Berghof am Obersalzberg bis zum Gipfel als sogenanntes "Führersperrgebiet" den Nazi-Bonzen vorbehalten. Ganz oben thront das Kehlsteinhaus, ein Geschenk der Partei zu Führers Fünfzigstem.

Drunter ziehen sich geteerte Wege um den Kehlstein, die ursprünglich vor allem Patrouillenfahrten dienten und heute auch mit Fahrrädern, Kinderwagen, Rollstühlen und Rollatoren gut benutzbar sind. Doch Teer gilt inzwischen als giftig, weshalb die Bayerischen Staatsforsten nach langem Streit nun mit der Sanierung dieser Altlast beginnen. Zuvor haben sie jetzt noch schnell ein Volk umgesiedelt.

Das mag sich jetzt gleich wieder nach der Art von Plan anhören, wie man ihn in Führersperrgebieten eben gerne gefasst hat. Aber die Staatsforsten sind da ganz unverdächtig und zu gründlicher Aufarbeitung entschlossen, während viele in Berchtesgaden den Teer mitsamt den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen lieber wasserdicht unter einer neuen Asphaltdecke hätten verschwinden lassen.

Das wiederum klingt fast nach der Vergangenheitsbewältigung der Nachkriegszeit, aber natürlich ist auch dieser Vergleich ungerecht. Sie wollten eben ihre schönen, schmalen Wege behalten und hatten die Staatsforsten in Verdacht, vor allem breite Schotterschneisen für schweres Gerät in den Hang holzen zu wollen. Nach einigen Runden Tischen werden nun zwar alle Wege vom Teer befreit und geschottert, aber nur zum kleineren Teil verbreitert.

Aber zuerst mussten diese Ameisen weg, die ihren Bau bis an die Teerdecke herangehäufelt und sich dabei um die Kohlenwasserstoffe nicht groß gekümmert haben, obwohl sie doch selber unter Naturschutz stehen und also ein bisschen auf sich aufpassen sollten.

Dass machen jetzt eben auch die Staatsforsten und haben das Ameisenvolk von einem Spezialisten per Plastikfass an einen anderen Ort bringen lassen, angeblich "ein sonniger Platz mit tollem Blick über den Talkessel". Zwar sehen Ameisen nicht wirklich weit, aber hier werden sie jedenfalls nicht untergeschottert. Und was den Weitblick betrifft, haben sich am Kehlstein ja auch schon andere vertan.

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