Mitten in Bayern:Seine sexy Heiligkeit

In den bayerischen Kurorten schaut man auf die Physiognomie der anderen Gäste, das ergibt sich schon aus der spärlichen Bekleidung in den Thermen. Während die Männer stolz ihre Bäuche präsentieren, ahnen viele bestimmt nicht, was den Damen wirklich gefällt

Von Johann Osel

Die Kurgärtnerei in Bad Füssing beschäftigt fleißige Leute, sie kümmern sich um die Blumenpracht und den riesigen Baumbestand. Dass es in der niederbayerischen Gemeinde, die im Jahr fast 2,5 Millionen Übernachtungen zählt, angeblich mehr Kurschatten als Baumschatten gibt, dürfte daher ein wenig übertrieben sein. Wer zu diesem Thema Erkundigungen einzieht, der landet schnell beim Haslinger Hof, einem Erlebnispark so groß wie ein Dorf: mit Tausenden Besuchern, Halligalli im Disco-Stadel und viel Weißweinschorle. Eine Art Kurschattenvergabezentrale für Leute aus der Region wie für Gäste. Der Ostbayern-Korrespondent dieser Zeitung hat sich verdienstvoll mal der Aufgabe gestellt, über einen Tanzabend zu berichten. Er traf etwa einen Baggerfahrer und Stammgast, der nach eigener Aussage tagsüber wie abends baggert.

Abseits solcher Extreme ist das Suchen und Finden, von was auch immer, im Kurbetrieb allgegenwärtig. Man kann das studieren in Bad Füssing: Damen mit Hüten flirten über Tische hinweg, wenn sie ihre Herrentorte einnehmen; Männer fragen im Park Frauen nach dem Weg, als Dankeschön folgt die Einladung zum Tanz. Oder Anbahnungsversuche in der Therme. Im Buch "Bandscheibengeflüster", einer humorigen Abhandlung über Rückenleiden, schreibt die Autorin: "Etwas lustlos wandele ich durch das gesunde Nass, ein älterer Herr zwinkert mir zu. Vielleicht gucke ich so, als suchte ich gerade nach einem Kurschatten." Sie sucht das Weite, man soll und darf auch wählerisch sein.

Neulich in Bad Füssing, drei Damen, wohl Mitte 60, sitzen im Thermen-Café. Gute Aussicht. Herren schreiten stolzen Bauches vorbei, man zeigt, was man hat. "Der, schaut's nur, so ein dicker Bauch", sagt eine abfällig; auch der nächste Flaneur wird mit einem kaum besseren Urteil bedacht. Wählerisch eben. Plötzlich meint eine: "Wisst ihr, wer überhaupt keinen Bauch hat? Der Papst." Die Begleiterinnen stimmen umgehend zu, das Wort "sexy" fällt sogar. Der Franziskus, das sei ja mal ein attraktiver Mann, sagt eine. "Und gar nicht dick. Ganz anders als unser Pfarrer."

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