Mitten in Bayern:Schluss mit lustig

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Die Menschen rund um Aschaffenburg feiern gerne und laut, was vielleicht daran liegt, dass sie Wein konsumieren, der aus Äpfeln gemacht wird. Aber jetzt haben sie ein ernsthaftes Problem

Von Olaf Przybilla

Linguisten haben mal festgestellt, dass sich die wichtigste Sprachlinie der Republik quer durch Bayern zieht. Präzisier: quer durch Franken. Und noch genauer: quer durch Unterfranken. Schuld daran sind der Spessart und seine artverwandten Nebenwälder, Odenwald im Süden, Rhön im Norden. Der Wald schiebt einen Keil quer durchs Land, es gibt die West-Unterfranken und die Ost-Unterfranken und gemeinsam haben sie wenig. Man duldet sich halt, aber schon beim Trinken ist man sich fremd. Dass man aus Äpfeln (!) Wein machen kann, ist dem Wözzborcher ein Rätsel, angewandter Kulturbruch. Der Aschebeschä schenkt derweil nach.

Jetzt kann man sagen: Wälder gibt's auch andernorts, was ist denn da los? Ja, aber andernorts gab's nicht so mächtige Erzbischöfe wie den Mainzer, den edelsten Kurfürsten. Der sah es nicht so gern, wenn hinter Aschaffenburg, seiner Sommerresidenz, irgendwelche Trolle sein Revier kreuzten. Und andernorts gab's auch keine Spessarträuber. Die gab's nur im Spessart, logisch. Auch deshalb blieb man unter sich. Und bildete höchst unterschiedliche Mentalitäten aus.

Um die transspessartis soll es hier gehen, um die Region um Aschaffenburg. Was auch immer der Grund dafür ist: jenseits des Waldes lebt ein notorisch gutlauniges Völkchen. Vermutlich ist es die glückliche Mixtur aus Kurmainzer Laissez-faire, bayerischer Bildung und Geldzufuhr aus Frankfurt, aber wie auch immer: Man babbelt viel und schnell dort, noch lieber feiert man, am liebsten öffentlich. Das wird jetzt zum Problem.

Einen Präzedenzfall mussten schon die Menschen aus Kahl über sich ergehen lassen. Dort fanden Anwohner eine Kirchweih, die Kerb, zu hefig. Sie siegten vor Gericht, das Fest - 1911 erstmals ausgerichtet - musste abgesagt werden. Ihr Ortsschild verhüllten die Kahler mit dem Wort "kerblos", es war zum Heulen. Inzwischen kümmern sich mehrere Ministerien darum, wie das Fest zu retten ist. Kann aber sein, dass sie sich gleich um den nächsten Präzedenzfall kümmern müssen. In Klingenberg fühlen sich Anwohner jetzt durch Festspiele gestört. Nun würde man hoffen: Zugezogene! Ist aber nicht so. Irgendwie ist es wohl doch keine Region der Glückseligen, da jenseits des Spessarts.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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